Waffenrechtliche Bedürfnisgrenze für Jagdscheininhaber?

Das Verwaltungsgericht Gießen hat eine waffenrechtliche Bedürfnisgrenze bei Jagdlangwaffen bestätigt. Und diese sogar fortgeschrieben.

Nach § 13 Abs. 1 und 2 WaffG wird ein waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne des § 8 WaffG für den Erwerb und Besitz von Langwaffen und zwei Kurzwaffen bei Inhabern eines gültigen Jahresjagdscheines angenommen, wenn die zu erwerbende Schusswaffe nach dem Bundesjagdgesetz in der zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Fassung nicht verboten ist. Der Jagdscheininhaber bedarf beim Erwerb von Langwaffen keiner Erlaubnis, sondern muss binnen zwei Wochen nach Erwerb einer Langwaffe bei der zuständigen Behörde die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte beantragen. Daraus folgte bislang der Schluss, dass der Erwerb und Besitz von Langwaffen nicht zahlenmäßig begrenzt ist.

Rechtsprechung zum „Jägerprivileg“

Die Rechtsprechung war in jüngster Vergangenheit davon ausgegangen, dass auch für Langwaffen ein unbegrenztes „Sammeln“ oder „Horten“ zu jagdfremden Zwecken nicht mehr vom jagdlichen Bedürfnis umfasst ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.10.2010 – 11 ME 344/10; vgl. bzgl. Sportschützen auch BVerwG, Beschl. v. 19.09.2016 – 6 B 38.16).
Das Verwaltungsgericht Gießen (Urt. v. 28.10.2021 – 9 K 2448/20.GI) hat nun eine waffenrechtliche Bedürfnisgrenze bei Jagdlangwaffen bestätigt. Und diese sogar fortgeschrieben.

Jäger und Sportschütze besitzt bereits zahlreiche Langwaffen

Der Kläger ist Jäger und Sportschütze und besaß bereits diverse Langwaffen und hatte die Eintragung von zwei weiteren in seine Waffenbesitzkarte (WBK) beantragt. Als Inhaber eines gültigen Dreijahresjagdscheins besaß er für jagdliche Zwecke bereits insgesamt 30 Langwaffen und drei Kurzwaffen. Daneben hatte er weitere Lang- und Kurzwaffen als Sportschütze.
Im Mai 2019 erwarb er eine Repetierbüchse sowie eine halbautomatische Büchse und beantragte deren Eintragung in seine WBK. Die zuständigen Waffenbehörde lehnte das unter Hinweis auf die bereits vorhandenen Langwaffen ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch und die danach erhobene Klage waren erfolglos.

Keine Zahlenbeschränkung von Waffen im WaffG

Das Gericht begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

  • Zwar bestimmt § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG und die dazu ergangene Verwaltungsvorschrift in Ziffer 13.2 WaffVwV keine ausdrückliche zahlenmäßige Beschränkung von Langwaffen. Daraus könne jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass man auf „das erforderliche inhaltliche Vorliegen eines Bedürfnisses“ verzichte. Insbesondere aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber den Ausschluss einer Bedürfnisprüfung für bis zu zwei Kurzwaffen ausdrücklich festgelegt hat, während die Norm zu Langwaffen nichts sagt, kann nicht gefolgert werden, „dass umgekehrt Langwaffen ohne Bedürfnisprüfung in unerschöpflichem Ausmaß erwerbbar sein sollen.“ Eine solche Auslegung der Norm widerspräche dem „Sinn und Zweck des gesamten Waffenrechts“, dessen erklärte Ziel es sei „nach § 1 Abs. 1 WaffG, den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu regeln“ (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt).
  • Das gesamte Waffenrecht sei von dem „Prinzip der Verknappung von Waffen“ durchzogen und dem Grundsatz, „so wenig Waffen wie möglich ins Volk“ gelangen zu lassen (BVerwG, Beschl. v. 26.03.2008 – 6 B 11.08; OVG Hamburg, Urt. v. 18.04.2016 – 4 Bf 299/13).
  • Die Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 WaffG besagt, dass es – im Vergleich zu anderen Erwerbszwecken – vertretbar erscheine, „den Erwerb und Besitz von Schusswaffen durch Jäger (…) weniger strengen waffenrechtlichen Beschränkungen zu unterwerfen, zumal der Bedarf an Schusswaffen bei Jägern sich grundsätzlich auf die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit weniger gefährlichen Langwaffen (Flinten, Büchsen)“ beschränke. „Angesichts der qualifizierten Jägerprüfung und eines gültigen Jagdscheins“ brauche „waffenrechtlich auch nicht geprüft zu werden, ob und wie oft ein Jäger zur Jagd“ gehe. „Die Jägerprüfung und der Erwerb eines Jahresjagdscheins können aber nicht dazu dienen, Schusswaffen zu einem anderen Zweck als der Jagd zu erwerben (z. B. für eine Sammlung).“ § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 8 WaffG ließen es nicht zu, dass Jäger Schusswaffen zu einem anderen Zweck als der Jagd erwerben. Die zuständige Behörde könne „daher in Zweifelsfällen einen Bedürfnisnachweis verlangen“ (BT-Drs. 14/7758. S. 61 f.).
  • Das Gericht ist der Auffassung, dass der zahlenmäßig unbegrenzte Erwerb und Besitz von Langwaffen durch Inhaber eines Jahresjagdscheins nach der Gesetzessystematik nur dann gestattet sei, wenn für jede einzelne Langwaffe ein konkretes jagdliches Bedürfnis bestehe. Es seien lediglich so viele Langwaffen erlaubt, wie „für die Ausübung der Jagd“ tatsächlich benötigt werden. Ein Erwerb zu anderen Zwecken werde durch die Privilegierung gerade nicht ermöglicht. Daher dürfe der Jahresjagdschein nicht dafür „missbraucht“ werden, die für Waffensammler, Sport- und Brauchtumsschützen strenge Bedürfnisprüfung zu unterlaufen. Die „zuständige Behörde kann im Einzelfall einen Bedürfnisnachweis verlangen“, wenn „Zweifel hinsichtlich des Zwecks des Waffenerwerbs“ bestehen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.10.2010 – 11 ME 344/10).

Hinweise auf ein mögliches Waffenhorten

Nach Auffassung des Gerichts könne bei einem Jäger der Besitz von „mehr als zehn Langwaffen“ ein „Hinweis auf ein mögliches Waffenhorten und im Einzelfall Anlass für eine Bedürfnisprüfung sein“. Für Sportschützen gilt nach § 14 Abs. 6 WaffG eine Grenze von zehn Waffen. Diese Grenze könne auch bei Jägern gelten, wenn bereits zehn Langwaffen erworben worden sind. (…) Unbeschadet der Regelung zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 WaffG, wonach bei Jägern, die Inhaber eines Jahresjagdscheines sind, keine Bedürfnisprüfung“ erfolge, sei „nach dem in § 8 WaffG normierten Grundsatz die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffen (…) für den beantragten Zweck immer Voraussetzung für deren Besitz, sodass bei berechtigten Zweifeln an der in § 13 Abs. 2 Nr. 2 WaffG fingierten Zweckbestimmung der Waffenbehörde im Einzelfall die Möglichkeit zur Bedürfnisprüfung eröffnet“ werde.

Jagdliches Bedürfnis nicht ausreichend glaubhaft gemacht

Vorliegend hatte der Kläger auch nicht ausreichend substantiiert sein jagdliches Bedürfnis für die zwei zusätzliche Langwaffen dargelegt. Seine Begründung lag lediglich darin, dass er als Inhaber eines Jahresjagdscheins zum zahlenmäßig unbegrenzten Langwaffenerwerb berechtigt sei.

Diese reicht dem Gericht vor dem Hintergrund seiner Begründung nicht aus, so dass es die Klage abwies.

 

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