Mit Beschluss vom 13.03.2025 hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover in einem Eilverfahren entschieden, dass ein vierjähriges Kind, das nach fachärztlicher Stellungnahme an frühkindlichem Autismus leidet, einen Anspruch auf Bereitstellung eines bedarfsgerechten Kindergartenplatzes nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat.
Das Gericht stellte klar, dass die Region Hannover als Jugendhilfeträgerin sowohl sachlich zuständig als auch inhaltlich verpflichtet ist, einen solchen Platz zur Verfügung zu stellen. Der Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gelte für alle Kinder gleichermaßen, auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Ein bloßes Kostenanerkenntnis und der Verweis auf die eigenständige Beschaffung eines geeigneten Platzes reichen nach Auffassung des Gerichts nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn aktuell kein geeigneter Kindergartenplatz zur Verfügung steht. Der Anspruch ist kapazitätsunabhängig und kann nicht mit dem Hinweis auf bestehende Engpässe abgelehnt werden.
Zudem betonte das Gericht, dass der Anspruch auch im Eilverfahren durchgesetzt werden kann, selbst wenn ein geeigneter Platz erst ab Sommer 2025 zur Verfügung stehen sollte. Der Anspruch auf frühkindliche Bildung bestehe taggenau, so dass jeder weitere Tag ohne geeignete Betreuung den Anspruch verkürze.
Hintergrund
In dem hier vom Verwaltungsgericht Hannover entschiedenen Eilverfahren lebt der vierjährige Antragsteller mit seinen Eltern in Garbsen. Nach einer Ende 2023 erstellten fachärztlichen Stellungnahme leidet es an frühkindlichem Autismus. Das Gutachten empfiehlt die Betreuung des Kindes in einer geeigneten Kindertagesstätte, vorrangig in einer heilpädagogischen Gruppe. Seit seinem dritten Lebensjahr gewährt der Fachbereich Teilhabe der Region Hannover dem Kind ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX als sogenannte Frühförderung im Umfang von zuletzt vier Wochenstunden. Im Mai 2024 beantragten die Eltern des Kindes beim Fachbereich Teilhabe der Region Hannover die Bereitstellung eines Integrationskindergartenplatzes oder eines Platzes in einem heilpädagogischen Kindergarten.
Anfang Juli 2024 teilte der Fachbereich Teilhabe der Region Hannover den Eltern des Kindes nach einer befürwortenden internen Einschätzung mit, dass er die Betreuung des Kindes in einer integrativen Gruppe in einem Regelkindergarten empfehle. Für die Erteilung einer förmlichen Kostenübernahmeerklärung sei es erforderlich, dass die Eltern des Kindes mitteilen, in welchem Kindergarten der vierjährige Junge betreut werden solle. Die Eltern des Kindes konnten in der Folgezeit durch eigene Bemühungen keinen geeigneten Betreuungsplatz finden und forderten auch den Fachbereich Teilhabe der Region Hannover und die Stadt Garbsen vergeblich auf, einen solchen Platz nachzuweisen. Auf eine anwaltliche Beschwerde im September 2024 erteilte der Fachbereich Teilhabe der Region Hannover im November 2024 Kostenanerkenntnisse für die Förderung in einem heilpädagogischen Kindergarten, auf einem Integrationskindergartenplatz und für eine qualifizierte/unqualifizierte Tagespflegeperson mit einem Betreuungsschlüssel von 1:1, ohne jedoch einen konkreten Betreuungsplatz zu benennen.
Parallel versuchte der Fachbereich Teilhabe der Region Hannover mittels konkreter Anfragen bei verschiedenen Einrichtungsträgern, dem Kind einen Betreuungsplatz in einem Heilpädagogischen Kindergarten oder einen Integrationskindergartenplatz zu vermitteln. Diese Bemühungen waren allerdings erfolglos.
Der Junge hat beim Verwaltungsgericht Hannover einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er ist der Ansicht, er habe - wie jedes Kind - einen Anspruch auf Bereitstellung eines bedarfsgerechten Kindergartenplatzes nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Hierfür sei die Region Hannover als Jugendhilfeträger zuständig. Ein bloßes Kostenanerkenntnis des Fachbereichs Teilhabe und der Verweis auf die eigenständige Beschaffung der Leistung würden diesem Anspruch nicht genügen. Der Anspruch auf Bereitstellung eines geeigneten Betreuungsplatzes nach dem SGB VIII sei nicht kapazitätsgebunden. Für Kinder mit besonderem Förderbedarf könne nichts anderes gelten.
Die Region Hannover sah keine Eilbedürftigkeit. Ab Sommer 2025 stünden dem Kind bedarfsgerechte Kindergartenplätze zur Verfügung. Auch habe sich der Fachbereich Teilhabe intensiv um einen bedarfsgerechten Kindergartenplatz bemüht, aber kurzfristig keinen gefunden. Ihr Jugendamt sei für die Bereitstellung eines Betreuungsplatzes sachlich nicht zuständig, da in Niedersachsen die Frühförderung von Kindern mit Behinderungen, zu der auch eine geeignete Tagesbetreuung gehöre, als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX ausgestaltet sei.
Quelle: PM des VG Hannover, VG Hannover, 13.03.2025 - Az: 3 B 581/35