Gemäß des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 (Rechtssache C-55/18) müssen die EU-Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann.
Geteilte Reaktionen auf das Urteil des EuGH
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund das Urteil begrüßt und es richtig findet, dass „der Flatrate-Arbeit“ ein Ende gesetzt werde, haben deutsche Arbeitgeber entsetzt reagiert. In einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hieß es: „Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert“. Der BDA ist weiter der Auffassung, „auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 kann man nicht mit einer Arbeitszeiterfassung 1.0 reagieren“. Dagegen führt der Deutsche Gewerkschaftsbund an, die Zahl der unbezahlten Überstunden in Deutschland sei inakzeptabel hoch. Innerhalb eines Jahres wirtschafteten sich „die Arbeitgeber so rund 18 Milliarden Euro in die eigene Tasche“.
Bundeswirtschaftsminister sieht Urteil kritisch
Peter Altmaier warnt vor erheblichem Mehraufwand für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie viele Arbeitgeber ist auch er der Meinung, das Urteil weise in die falsche Richtung. Man müsse sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmerinteressen gerecht werden, dürfe jedoch keine überbordende Bürokratie schaffen. Altmaier weist außerdem auf das nach derzeitiger Rechtslage bereits bestehende umfassende Dokumentationssystem in Deutschland hin; Überstunden, die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehen, müssen laut dem deutschen Arbeitszeitgesetz schon jetzt erfasst werden. Dies sei jedoch nur möglich, wenn auch die reguläre Arbeitszeit festgestellt wird.
Zudem ist keine bestimmte Umsetzungsfrist im Urteil genannt, in welcher die Mitgliedstaaten tätig werden müssen. Das Wirtschaftsministerium werde deshalb genau prüfen und analysieren, ob es überhaupt Umsetzungsbedarf gebe.
Wohl kaum Auswirkungen in der Praxis
In der Praxis wird sich zunächst wohl wenig ändern. Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist überzeugt: wenn nach deutscher Rechtslage bereits eine Verpflichtung zur Erfassung von Überstunden bestehe, sei es zum Festhalten der regulären Arbeitszeit nur noch ein kleiner Sprung. Auch die sogenannte Vertrauensarbeitszeit bedeute nicht, dass die Arbeitszeit in Betrieben nicht erfasst werde – sie werde lediglich vom Arbeitgeber nicht kontrolliert.
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