In einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Bundestag wird dem Beschaffungsamt der Bundeswehr vorgeworfen, die Kriterien der Tests für das neue Standardsturmgewehr manipuliert zu haben. Das Verteidigungsministerium allerdings widerspricht diesen Vorwürfen.
Das neue Gewehr des Typs G95A1, mit dem langfristig alle Soldatinnen und Soldaten ausgestattet werden sollen, löst den Vorgänger G36 ab. Mit dem neuen Typ soll auch wieder die Präzisionsfähigkeit erfüllt werden, die das alte Modell unter bestimmten Bedingungen nicht erfüllen konnte.
Ursprünglich sollten die 120.000 bestellten Gewehre 2026 ausgeliefert werden, die Bundeswehr wollte diese allerdings schon im Angesicht der momentanen Sicherheitssituation ein Jahr früher erhalten.
Anforderungen für Schusstests absichtlich manipuliert?
Laut dem vertraulichen Bericht soll das Amt vorsätzlich die Anforderungen an die Präzision der Gewehre nach unten gesetzt haben, damit das Sturmgewehr alle Prüfkriterien erfüllt. Mit der Erfüllung der Ansprüche können die Waffen schneller geliefert werden und frühzeitiger zum Einsatz kommen.
Durch die Abänderungen kann nun nicht mehr die Präzisionsfähigkeit der Truppe gewährleistet werden. Weiter heißt es in dem Bericht, das Koblenzer Amt habe „die Nachweispflichten des Waffenherstellers zum Nachteil der Bundeswehr vereinfacht“.
Bericht legt Verlauf genau dar
Der Hersteller Heckler und Koch habe sich im Herbst 2022 an das Beschaffungsamt gewendet und gefragt, ob man die Schusstest auch mit einer zivilen Spezialmunition durchführen könne, anstatt wie üblich, mit der gängigen Bundeswehrmunition.
Zusätzlich sollten zwischen den Tests mehr Pausen eingelegt werden, damit sich das Gewehr nicht zu stark erhitzt und auch die Temperatur der Munition sollte nicht zu heiß oder zu kalt sein. Zunächst lehnte das Amt die Anfrage ab, die Leitung stimmte im Januar 2023 doch zu, um die frühzeitige Auslieferung möglich zu machen.
Bundesverteidigungsministerium weist Kritik zurück
Das Verteidigungsministerium dagegen sieht diese Vorwürfe als falsch an und weist die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher erklärte, dass die Anforderungen nicht angepasst worden seien, um diese zu erfüllen. Außerdem würden die Gewehre bei den Tests nicht durchfallen. Allerdings hätte es bei den Tests gewisse „Abweichungen“ gegeben.
Außerdem wird bei der Bundeswehr zurzeit eine neue Standardmunition eingeführt, die umweltfreundlicher qualitativ hochwertiger sei. „Mit dieser Munition erfüllt die Waffe vollumfänglich die Standards“, so der Sprecher.
Verhalten in der Praxis jedoch unklar
Wie sich das Schussverhalten letztendlich in der Praxis außerhalb des Labors und abseits von Formalitäten verhält ist unklar. Laut der Bundeswehr ist das Sturmgewehr in Teilen der Bundeswehr schon mehrere Jahre im Einsatz, unteranderem bei der KSK (Kommando Spezialkräfte) und der DSK (Division Schnelle Kräfte). Beschwerden habe es bislang nicht geben. Daraus könnte man schließen, dass die Kriterien von Anfang an besonders streng angesetzt worden waren.
Bislang ist nur sicher, dass das G95 unter Laborbedingungen die Präzisionsfähigkeit mit der aktuellen Gefechtsmunition nicht erfüllt. In einem Einsatz performt die Waffe daher wahrscheinlich ungenauer, als die Zulassungstests angeben. Bis zur Einsetzung des Gewehres bei allen Soldatinnen und Soldaten werden allerdings noch weitere Tests gemacht.