Nicht nur das Militär will auf mögliche Kriegsszenarien vorbereitet sein. Auch die Kirchen machen sich Gedanken über einen möglichen Angriff Russlands auf ein Nato-Mitgliedsland und entwickeln einen "geistlichen Operationsplan" für die Militärseelsorge.
Die Bedrohung seit dem russischen Angriff auf die Ukraine betrifft auch die Militärseelsorge. Evangelischer Militärbischof Bernhard Felmberg betont, dass die Geistlichen der Truppe für eine solche Situation vorbereitet sein wollen – auch wenn man hoffe, dass sie nie eintreten werde. Ein umfassendes Konzept, eine Art geistlicher Operationsplan, wird entwickelt.
Hilfe im Krisenfall
Der Plan soll sicherstellen, dass die Militärseelsorge im Ernstfall den Soldaten und der Bevölkerung zur Seite stehen kann. Militärbischof Felmberg erläutert, dass Fragen geklärt werden müssen, wie etwa die Präsenz der Seelsorger bei Verwundeten oder in Krankenhäusern an der Frontlinie. Auch wer den Angehörigen Todesnachrichten überbringt, soll geregelt werden.
Zusammenarbeit mit anderen Glaubensrichtungen
Felmberg bezieht auch die katholische und jüdische Militärseelsorge mit ein. Bis Ende des Jahres soll ein Konzeptentwurf der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorliegen. Die Bezeichnung "geistlicher Operationsplan" ist angelehnt an den "Operationsplan Deutschland" der Bundeswehr, der Abläufe und Zuständigkeiten in Krisenszenarien regelt.
Teilnahme an Übungen
Um vorbereitet zu sein, will Felmberg die Zahl der evangelischen Militärpfarrer erhöhen. Militärgeistliche nehmen bereits verstärkt an Bundeswehrübungen teil, um zu sehen, wo sie im Gefechtsszenario sinnvoll eingesetzt werden können. Dabei werden Szenarien durchgespielt, bei denen es Verletzte gibt und Militärgeistliche vor Ort sind.
Schulungen und Vorbereitungen schon jetzt Realität
Ein Beispiel für einen Militärseelsorger ist Gunther Wiendl in Neuburg an der Donau. Er schult Soldaten im "Lebenskundlichen Unterricht" in ethisch-moralischen Fragen und plant eine Einheit zum Thema: "Stell dir vor, es ist Krieg". Er möchte mit den Soldaten über ihre Vorstellungen und Bilder von Krieg sprechen und ihre persönlichen Erfahrungen hinterfragen.
Claudia Brunnmeier-Müller, Militärseelsorgerin in Kümmersbruck, bereitet Soldaten auf mögliche Verlegungen nach Litauen vor. Dabei geht es um typische Themen für Auslandseinsätze, wie die Trennung von der Familie. Litauen grenzt jedoch an Russland, was neue Fragen aufwirft, zum Beispiel die Verantwortung gegenüber der Familie im Ernstfall.
Militärbischof Felmberg betont, dass Soldaten nun deutlicher merken, dass ihr Beruf ein ernstes Ende haben kann. Die Zeitenwende habe gezeigt, dass der Beruf nicht nur Abenteuer, Spaß und Spiel bedeute. Auslandseinsätze waren immer gefährlich, aber die Vorstellung von großen Verteidigungskriegen mit vielen Verwundeten und Toten sei eine neue Dimension.
Unterstützung im Ernstfall
Die Pfarrer innerhalb der Truppe diskutieren auch untereinander, wie sie mit den schwierigen Fragen umgehen und ob sie solchen Situationen gewachsen sind. Viele möchten den Soldaten in Notsituationen beistehen. Im Ernstfall wären die Militärseelsorger auf Unterstützung angewiesen – auch von Notfallseelsorgern und normalen Kirchengemeinden. Dies soll ebenfalls im Operationsplan berücksichtigt werden.