Langzeitkonten in der Bundeswehr

Die Bundeswehr kommt aktuell nur schwer aus den negativen Schlagzeilen heraus. Zunächst wurde in der Presse ausgiebig über das Fehlverhalten von einzelnen Soldaten in Pfullendorf, Bad Reichenhall und Illkirchen berichtet.

Auch die anschließend von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geäußerte (Pauschal-)Kritik an der Führungskultur in den Streitkräften ist in den Medien kontrovers diskutiert und ausführlich kommentiert worden. Im Zusammenhang mit den angeblich rechten Tendenzen in der Truppe hat das Bundesministerium der Verteidigung zuletzt auch den so genannten „Traditionserlass“ verschärft sowie sämtliche Bundeswehrliegenschaften nach alten Wehrmachtsdevotionalien durchsucht. Dieses in Teilen aktionistisch wirkende Verhalten der Ministerin stößt jedoch besonders bei vielen aktiven sowie ehemaligen Zeit- und Berufssoldaten auf Ablehnung und völliges Unverständnis.

Leider lenkt diese – zumindest aus meiner Sicht – überflüssige Debatte von anderen wichtigen Themen ab. Was ist denn zum Beispiel aus den hochtrabenden Reformplänen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr geworden? Bereits Mitte 2014 hatte die Ministerin hier mit sehr viel Engagement verschiedene Eckpunkte vorgestellt und anschließend medienwirksam angeschoben. Unter dem Motto „Aktiv. Attraktiv. Anders.“ sollte in den folgenden zwei Jahren vieles besser werden.

Ein kleinerer Teil dieser Pläne wurde inzwischen auch nach und nach umgesetzt. Natürlich ist klar, dass gerade der Umbau von Kasernen sowie die Beschaffung tausender neuer Ausrüstungsgegenstände oder Stubenmöbel nicht von heute auf morgen zu schaffen ist. Trotzdem sind bestimmte Reformdetails bis heute noch nicht über eine halbherzige Erprobungsphase hinausgekommen – so zum Beispiel die angekündigten Langzeitkonten für Soldaten.

Langzeitkonten für Soldaten

Über die personenbezogenen Langzeitkonten sollen Soldaten in arbeitsintensiven Phasen Zeitguthaben ansparen, die sie dann später abbummeln können. Das klingt in der Theorie sehr gut und wäre für viele Soldaten ein echter Mehrwert. So könnte ein gesammeltes Arbeitszeitguthaben später z.B. für den Hausbau oder im Rahmen der Kindererziehung flexibel genutzt werden. Optimal wäre auch, wenn Soldaten dadurch früher ins Dienstzeitende oder in den Ruhestand gehen könnten. Doch leider ist man von einer praktischen Umsetzung in der gesamten Bundeswehr noch weit entfernt. Schließlich befinden sich die Langzeitkonten bis Ende 2020 zunächst in der Erprobung und anschließenden Evaluierung.

In der Truppe werden Langzeitkonten deshalb nur in bestimmten Verbänden sowie auf Antrag bewilligt. Ein Anspruch darauf besteht leider nicht. Die Ansparphase darf zudem für mindestens ein Jahr und höchstens für fünf Jahre vereinbart werden. Eine Verkürzung oder Verlängerung des zu Beginn vereinbarten Zeitraums kann jedoch in diesem Rahmen erfolgen. Für Soldaten, denen ein Langzeitkonto genehmigt wurde, ist außerdem eine Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 auf bis zu 44 Stunden möglich. Dadurch können pro Jahr der Ansparphase bis zu 156 Stunden auf das Langzeitkonto übertragen werden. Hinzu können u.a. weitere 40 Stunden pro Jahr aus angeordneter und genehmigter Mehrarbeit oder bestimmten Ansprüchen auf Freistellung vom Dienst kommen. Allerdings können Soldaten nicht unbegrenzt Zeitguthaben erwerben. Die Höchstgrenze liegt nämlich bei maximal 1.400 Stunden, was rechnerisch etwa 28 Wochen Freistellung entspricht.

Der Ausgleich für das Zeitguthaben erfolgt nach Ende der Ansparphase durch eine Freistellung vom Dienst, sofern dienstliche Gründe nicht dagegensprechen. Sollte dies dennoch der Fall sein, müssen dem Antragsteller Ausgleichszeiträume vorgeschlagen werden. Bei Berufssoldaten ist eine Freistellung ab drei Jahre vor dem Erreichen der besonderen Altersgrenze nur in Form von Teilzeit möglich. An diesem Punkt sollte aus meiner Sicht noch einmal nachgebessert werden. Denn es ist durchaus attraktiv, wenn man Phasen mit besonderen zeitlichen Belastungen später dafür verwenden kann, auch entsprechend früher in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

Ein Wechsel des Dienstpostens berührt übrigens nicht das Guthaben auf dem Langzeitkonto, so dass es bei Versetzung in eine neue Dienststelle mitgeführt werden kann. Gerade hier gibt es in der aktuellen Systematik immer wieder Frust, weil Überstunden bei Versetzungen regelmäßig noch in der alten Einheit abgebaut werden müssen. Das ist in der Praxis aber oft gar nicht möglich, so dass die angesammelten Überstunden verfallen. Nicht genutzte Überstunden auf dem Langzeitkonto verfallen hingegen erst mit der Beendigung des Dienstverhältnisses. Ein finanzieller Ausgleich von Zeitguthaben ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Fazit

Die Langzeitkonten stellen eine echte Verbesserung für Soldaten dar, die wegen chronischen Personalmangels in vielen Verwendungsbereichen, zahlreichen Großübungen sowie ständigen Auslandseinsätzen jede Menge Überstunden leisten. Zwar hat die neue Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV) inzwischen zu gewissen zeitlichen Entlastungen geführt, doch insbesondere bei Spezial- und Führungsfunktionen wirkt sich die SAZV kaum positiv aus. Mittels Langzeitkonten könnte hier mehr Flexibilität beim Freizeitausgleich geschaffen werden. Und zwar dann, wenn es dem Soldaten im Rahmen seiner persönlichen Lebensplanung am besten passt und nicht im Zuge von „Zwangsurlaub“. Dieser wird nach zeitlicher Mehrarbeit meist verbindlich angeordnet, um die Überstundenkontingente nicht ins Uferlose laufen zu lassen. Ich bin deshalb schon gespannt, wie mit den Langzeitkonten nach dem Ende der Erprobungsphase 2020 verfahren wird. (sg)

Über den Autor: Stefan Geßner ist ehemaliger Offizier der Bundeswehr und Geschäftsführer der DZE GmbH. Über die Karriereplattform für Zeitsoldaten www.dienstzeitende.de können (ehemalige) Soldaten auf Zeit sowohl Jobs nach der Bundeswehr als auch passende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten finden.