Haftung im Straßenverkehr ohne Kollision

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 17. Mai 2022 einer Radfahrerin Schmerzensgeld zugesprochen, die einem Rettungswagen ausgewichen war.

Der Fahrer eines Rettungswagens wollte bei eingeschaltetem Martinshorn mehrere Radfahrer, unter anderem auch die Klägerin, überholen. Aufgrund der beengten Lage wollte die 72-jährige Klägerin von ihrem Fahrrad absteigen und ging dabei zu Fall. Zu einem Zusammenstoß mit dem Rettungswagen war es aber nicht gekommen. Die Klägerin brach sich den Fußknöchel. In deren Folge musste sie zwei Wochen einen Gipsverband tragen und im Anschluss zwei Monate einen speziellen Strumpf. Das Landgericht Aurich lehnte eine Haftung des Rettungsdienstes ab. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein.

Haftung aus Betriebsgefahr

Mit der Berufung hatte die Klägerin Erfolg. Der Senat hat entschieden, dass für den Anspruch auf Schadensersatz keine Kollision erforderlich war. Denn bei dem Unfall habe sich die sogenannte „Betriebsgefahr“ des Rettungswagens, also die typischerweise einem Kraftfahrzeug beim Betrieb innewohnende Gefahr, verwirklicht. Denn der Rettungswagen habe zu dem Unfall beigetragen, da er der Grund für das Ausweichmanöver und das Absteigen der Klägerin war. „Beim Betrieb“ eines Kfz sei ein Schaden bereits dann entstanden, wenn sich die von dem Kfz ausgehende Gefahr überhaupt ausgewirkt habe. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin habe die Verkehrslage zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen abgestiegen. Der Senat schrieb der Betriebsgefahr eine Haftungsquote in Höhe von 20 % zu und sprach der Radfahrerin unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.400 Euro zu. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg (olg-oldenburg.de)


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