EuGH: Allerdings ist die EU-Verordnung auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt worden. Daher erklärt der Europäische Gerichtshof sie für ungültig. Ihre Wirkung wird bis zum 31.12.2026 aufrechterhalten
Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken im Personalausweis ist zwar mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar (EuGH, Urteil vom 21.03.2024 - C-61/22), allerdings wurde die Verordnung (VO (EU) 2019/1175) für ungültig erklärt. Dies hat voraussichtlich Folgen für die deutsche Umsetzungsvorschrift.
Die Speicherung der Fingerabdruckdaten ist seit dem 2. 8. 2021 durch die Neufassung des § 5 Abs. 9 PAuswG infolge des Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen) obligatorisch. Das zuvor bestehende Wahlrecht wurde in Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben abgeschafft.
Die Fingerabdrücke müssen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PAuswV mittels einer zertifizierten Hardware erfasst werden. Die Verpflichtung zur Aufnahme der Fingerabdrücke ist durch die Ziele gerechtfertigt, die Herstellung gefälschter Personalausweise und den Identitätsdiebstahl zu bekämpfen sowie die Interoperabilität der Überprüfungssysteme zu gewährleisten. Zudem findet – wie auch bei den Lichtbildern – eine Qualitätssicherung mittels einer zertifizierten Software statt, ob und inwieweit die Vorgaben der PAuswV und deren Anlagen erfüllt sind.
§ 5 Abs. 9 Satz 1 PAuswG enthält eine Regelung dazu, welche Fingerabdrücke zu erfassen und zu speichern sind – nämlich im Regelfall die des linken und rechten Zeigefingers.
Dieses deutsche Gesetz ist die Umsetzung der EU Verordnung (Art. 3 Abs. 5 VO (EU) 2019/1175).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 21.03.2024 - C-61/22) erklärt die - diese Maßnahme vorsehende - Verordnung allerdings für ungültig, weil sie auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt und infolgedessen nach dem falschen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden ist. Das Europäische Parlament und der Rat hatten die Verordnung nämlich auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV erlassen. Die richtige Rechtsgrundlage sei jedoch die spezifischere Bestimmung des Art. 77 Abs. 3 AEUV. Diese Bestimmung sieht ein besonderes Gesetzgebungsverfahren und insbesondere die Einstimmigkeit im Rat vor.
Da jedoch die Ungültigerklärung der Verordnung mit sofortiger Wirkung schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts habe, erhält der Europäische Gerichtshof die Wirkungen der Verordnung bis zum Inkrafttreten einer neuen, auf die richtige Rechtsgrundlage gestützten Verordnung innerhalb einer angemessenen Frist, längstens bis zum 31. 12. 2026, aufrecht.
Der Gerichtshof entscheidet dadurch allerdings nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Über den konkreten Fall in Deutschland hat daher das Verwaltungsgericht in Wiesbaden zu entscheiden, da das VG Wiesbaden den Fall nach Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt hatte.
Quelle:
EuGH: Fingerabdrücke im Personalausweis sind rechtens | tagesschau.de
EuGH: EU-Bürger müssen Fingerabdrücke nehmen lassen (lto.de)