Um Kinder kümmern sich nach wie vor überwiegend die Mütter, auch wenn sie erwerbstätig sind. Der Beitrag von Vätern hat wieder abgenommen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Wenn es um Kinderbetreuung geht, weist die Arbeitsteilung in heterosexuellen Paarbeziehungen weiter eine klare Unwucht auf: Bei der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung gaben im November 2023 mehr als zwei Drittel der Mütter, aber nur vier Prozent der Väter an, selbst den überwiegenden Teil dieser Sorgearbeit zu leisten. Während der Coronakrise hatte es vorübergehend nach mehr Gleichstellung in den Familien ausgesehen: Im April 2020 hatten zwölf Prozent sowohl der Mütter als auch der Väter zu Protokoll gegeben, dass in ihrem Haushalt der Mann für den Löwenanteil der Kinderbetreuung zuständig ist – knapp viermal so viele wie vor Corona. Inzwischen liegt dieser Anteil wieder ungefähr beim Vorkrisenniveau. Von dauerhaften Fortschritten könne also nicht gesprochen werden, erklärt WSI-Direktorin Prof. Bettina Kohlrausch. „In Bezug auf die Verteilung der Kinderbetreuung hat die Pandemie kaum etwas verändert. Die Hauptlast liegt immer noch bei den Frauen.“
Kohlrausch und die WSI-Expertin für Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, Dr. Eileen Peters, hatten für ihre Analyse die Antworten von 476 Müttern und 693 Vätern ausgewertet, die erwerbstätig oder arbeitsuchend sind und minderjährige Kinder im Haushalt haben. Bei den Themen Geschlechterrollen sowie Mental Load bezogen sie zusätzlich die Antworten von 1787 Frauen und 2118 Männern ohne betreuungspflichtige Kinder ein. Die Befragung fand im November 2023 statt. Die befragten Mütter und Väter leben nicht in spezifischen Haushalten zusammen, sondern es handelt sich um Einzelinformationen der Befragten und deren Einschätzung darüber, wie die Kinderbetreuung in ihrem Haushalt zwischen Ihnen und dem/der Partner*in aufgeteilt ist. Im Rahmen der Erwerbspersonenbefragung wurden die gleichen Personen seit April 2020 in mehreren Untersuchungswellen befragt.
Die Betrachtung zeigt, dass die Einschätzungen von Vätern und Müttern in den letzten zwei Jahren und insbesondere seit April 2022 stark auseinandergedriftet sind. So waren im November letzten Jahres 54 Prozent der Väter der Auffassung, dass die Mutter sich überwiegend um die Kinder kümmert. Von den Müttern sagten dies 68 Prozent. Von einer weitestgehend gleichberechtigten Arbeitsteilung berichteten 42 Prozent der Väter und 30 Prozent der Mütter. „Eine mögliche Erklärung für diese sehr ungleiche Einschätzung der Verteilung der Sorgearbeit, die wir während der Pandemie so nicht beobachten konnten, ist, dass in dem Moment, in dem Erwerbsarbeit wieder stärker außer Haus stattfindet, Sorgearbeit wieder unsichtbar wird“, so Kohlrausch.
Dafür sprechen laut der Soziologin auch Befunde zum sogenannten Mental Load aus der neuen Befragung. Dabei geht es um die Organisation von Sorgearbeit im Alltag und die Verantwortung dafür, also zum Beispiel darum, an das Geschenk für den nächsten Geburtstag, den Elternabend oder Vorsorgetermine zu denken. Während nur 33 Prozent der Frauen meinen, dass diese Arbeit gleich verteilt sei, sind es laut Studie 66 Prozent der Männer. Frauen fühlen sich durch den Mental Load auch deutlich stärker belastet als Männer, was darauf hindeutet, dass auf sie tatsächlich der größere Teil dieser Arbeit entfällt.
Hartnäckige Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen
Auch bei der Einstellung zu geschlechtsspezifischen Rollenbildern tun sich zum Teil deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf. Der Aussage, dass Männer als Führungskräfte in der Wirtschaft besser geeignet seien als Frauen, stimmen zum Beispiel 13 Prozent der weiblichen, aber immerhin 34 Prozent der männlichen Befragten „eher“ oder „voll und ganz“ zu.
„In den vergangenen Jahrzehnten hat es langsame, aber spürbare Fortschritte bei der Zahl der Frauen in höheren und vor allem mittleren Führungspositionen gegeben. Umso problematischer ist, dass geschlechtsspezifische Vorurteile zu den Führungsqualitäten bei einem erheblichen Teil der Befragten dennoch so hartnäckig sind“, sagt WSI-Forscherin Peters. „Solche Geschlechterstereotypen benachteiligen Frauen, und sie können den Fachkräftemangel verschärfen.“
Wenn es um die Einstellungen zur idealen Arbeitsteilung geht, scheinen zunächst geschlechterübergreifend egalitäre Vorstellungen vorzuherrschen. Dass beide Partner*innen gleich viel im Erwerbsjob arbeiten und sich gleichermaßen um den Haushalt und die Kinder kümmern, stellt nach Ansicht von 84 Prozent der Männer und knapp 89 Prozent der Frauen die beste Arbeitsteilung in einer Familie dar. Gleichzeitig stimmten allerdings nur 16 Prozent der Frauen, aber 24 Prozent der Männer der Aussage: „Es ist für alle Beteiligten viel besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert.“ „eher“ oder „voll und ganz“ zu. Noch größer ist der Unterschied im Hinblick auf die Aussage: „Auch wenn beide Eltern erwerbstätig sind, ist es besser, wenn die Verantwortung für den Haushalt und die Kinder hauptsächlich bei der Frau liegt.“ Dieser Aussage stimmten 29 Prozent der Männer, aber nur 18 Prozent der Frauen „eher“ oder „voll und ganz“ zu.
Doppelbelastung für Mütter
„Aus Studien wissen wir, dass die Unterstützung der Erwerbstätigkeit von Frauen und insbesondere Müttern zwar in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, dies aber nicht im selben Maße zu einer egalitäreren Einstellung hinsichtlich der Verteilung von Sorgearbeit geführt hat. Somit sehen sich Frauen und vor allem Mütter mit einer Doppelbelastung konfrontiert: Sie sollen zum Haushaltseinkommen beitragen, aber weiterhin die Hauptverantwortung der Sorgearbeit übernehmen“ so Peters.
„Frauen haben tendenziell egalitärere Vorstellung im Hinblick auf Geschlechterrollen als Männer. Hier herrscht Nachholbedarf, denn nur, wenn auch die Männer mitziehen, kann eine faire Verteilung der Sorgearbeit erreicht werden. Positiv ist, dass sich sowohl unter den Männern als auch den Frauen eine klare Mehrheit dieses wünscht,“, sagt WSI-Direktorin Kohlrausch. Die große Diskrepanz zur Realität verdeutliche allerdings, dass die meisten von ihnen ihre Idealvorstellung nicht umsetzen können. Daher müsse über politische und betriebliche Rahmensetzungen nachgedacht werden.
Unterdessen mahnt UN Women Deutschland anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März, dass noch in keinem Land der Welt die Gleichstellung der Geschlechter erreicht wurde und in Deutschland die Entwicklung stagniert:
- So verdienen Frauen 18 Prozent weniger Lohn als Männer und erzielen ein halb so hohes Lebenseinkommen.
- Nur 11 Prozent aller Vorstandsposten der 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen sind mit Frauen besetzt. In Aufsichtsräten liegt der Anteil bei 32 Prozent.
- Der Anteil weiblicher Gründer*innen stagnierte jahrelang bei unter 20 Prozent, seit der Covid-Pandemie ist der Anteil von Frauen an Einzelgründungen noch gesunken.
Bessere Abschlüsse, weniger Lohn
Dies ist insbesondere deshalb auch aufschlussreich, weil Frauen in Deutschland mittlerweile im Durchschnitt sogar höhere Bildungsabschlüsse als Männer erreichen. Dennoch hält sich die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern hartnäckig. Dies liegt laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter anderem daran, dass Frauen häufiger Tätigkeiten mit niedrigerem Anforderungsniveau ausüben als Männer. Ein Grund ist, dass sich die Geschlechter sehr unterschiedlich auf bestimmte Berufe verteilen. Zudem haben Frauen im Schnitt eine geringere Aufstiegswahrscheinlichkeit als Männer.
Nachzulesen ist das auf der Themenseite Gender und Beruf des IAB unter sowie in der aktuellen Studie zum Equal Pay Day.
Quelle: Hans Böckler Stiftung, PM 26.2.24; Newsletter Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 4.3.2024, UN Women Deutschland.