Vor gut einem Jahr ist die Einführung der Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV) in der Bundeswehr mit großem Getöse gestartet. So sollte die „rasche“ Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie in nationales Recht erfolgen.
Zugleich war die Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Soldatinnen und Soldaten ein wichtiger Eckpunkt im laufenden Attraktivitätsprogramm der Bundeswehr. Statt früher 46 Stunden gilt seit 1. Januar 2016 in den Streitkräften für den Grundbetrieb eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden - ohne Pausen versteht sich.
Für ausgewählte seefahrende oder fliegende Einheiten und zur Ausübung von bestimmten Wach- und Ordnungsdiensten sind jedoch Abweichungen möglich. Die Verordnung gilt ebenfalls nicht für besondere Auslandseinsätze, für gewisse Übungsvorhaben oder beim Einsatz in Katastrophenfällen. Trotz zahlreicher Bemühungen ist die Umsetzung der SAZV in der Truppe allerdings recht schleppend angelaufen und hat den Grundbetrieb durchaus aufgewirbelt. Denn für „klassische“ Aufenthalte auf dem Truppenübungsplatz muss in den Verbänden neben Fahrzeug-, Betriebsstoff-, Munitions- oder Verpflegungsberechnungen nun auch der Faktor „Arbeitszeit“ berücksichtigt werden. Immerhin melden sich die betroffenen Übungsteilnehmer wegen des erworbenen Freizeitausgleichs im Nachgang erst einmal in den Urlaub ab und stehen für Folgeaufträge nur bedingt zur Verfügung.
„Quo Vadis“ SAZV?
Mit der SAZV sollte aber nicht nur die tägliche Dienstbelastung sinken. So lässt sich ebenfalls der Eindruck gewinnen, dass der Dienstherr gleichzeig nicht unerheblich Geld einsparen und den zuletzt ein wenig aus dem Ruder gelaufenen finanziellen Dienstausgleich einfangen wollte. Schließlich wurden mit der neuen Verordnung die Hürden zur finanziellen Abgeltung von Überstunden drastisch angezogen. Seitdem ist eine Auszahlung für viele Soldaten faktisch nicht mehr möglich, weil der mehr geleistete Dienst primär in Freizeit abzugelten ist. Das klingt zwar auf den ersten Blick ganz gut, kann am Ende aber zu einer stärkeren zeitlichen Belastung der im Dienst verbliebenen Soldaten führen. Insbesondere in militärischen Fach- und Spezialverwendungen, in denen ohnehin schon zahlreiche Vakanzen zu beklagen sind.
Auch in den „Brieftaschen“ der betroffenen Soldatinnen und Soldaten sind die Auswirkungen der SAZV inzwischen spürbar. Für viele waren Übungsplatzaufenthalte oder Wachdienste eine willkommene Gelegenheit, die monatlichen Dienstbezüge aufzustocken. Oft war das zusätzliche Geld fest für den Hausbau oder die Autokreditrate eingeplant. Das ist dank der restriktiven Bestimmungen zur finanziellen Vergütung aktuell nicht mehr möglich, was natürlich zu entsprechendem Unmut führt.
Ganz davon abgesehen sind die angekündigten Langzeitkonten ebenfalls noch eine Baustelle. Sie befinden sich nämlich bis Dezember 2020 in der Erprobungsphase. In einigen Einheiten wurden entsprechende Anträge von vornherein abgelehnt. Das ist eigentlich schade, da die Langzeitkonten einiges Potential haben und eine gute Alternative auch für Spezialisten mit hoher Arbeitszeitbelastung sind.
Lichtblick für Reservisten
Zumindest für alle Reservedienstleistende (RDL) gibt es einen Lichtblick. Sie erhalten - im Gegensatz zu vielen aktiven Kameraden - neuerdings für geleistete Mehrarbeit während des militärischen Grundbetriebs einen finanziellen Vergütungsanspruch. Vorher war dies nur per Freizeitausgleich möglich, der aus dienstlichen Gründen insbesondere bei kurzen Übungen aber gar nicht in Anspruch genommen werden konnte.
Das Inkrafttreten der Wehrsoldempfängermehrarbeitsvergütungsverordnung hat jetzt Abhilfe geschaffen. Reservisten können für geleistete Mehrarbeit einen Ausgleich in Geld beantragen. Der genaue Überstundensatz ist vom Dienstgrad abhängig und liegt zwischen 10,70 Euro und 22,49 Euro pro Stunde. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein Ausgleich in Form einer Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen während des Übungszeitraums nicht möglich ist. Außerdem muss die Mehrarbeit schriftlich angeordnet bzw. genehmigt sein und es muss eine Überschreitung der notwendigen Mindeststundenanzahl vorliegen. Das ist immer dann der Fall, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Kalendermonat um mehr als 5 Stunden überschritten wird. Die Regelung gilt rückwirkend für Übungszeiträume bis zum 1. Januar 2016.
Es bleibt aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis die Bundeswehr die strengen Regeln beim Freizeitausgleich aufweicht und wieder verstärkt auf finanzielle Abgeltung von erworbenen Überstundenansprüchen setzt. Zum einen stockt die Personalgewinnung bei den Spezialisten stärker als vermutet, was eine echte zeitliche Entlastung auch mittelfristig wenig realistisch wirken lässt. Zum anderen stößt man beim Thema Geld bei vielen Soldatinnen und Soldaten immer auf offene Ohren und schafft gleichzeitig eine höhere Dienstzufriedenheit als mit einem rein zeitlichen Ausgleich. Aber lassen wir uns überraschen.
Über den Autor: Stefan Geßner ist ehemaliger Offizier der Bundeswehr und Geschäftsführer der DZE GmbH. Über die Karriereplattform für Zeitsoldaten www.dienstzeitende.de können (ehemalige) Soldaten auf Zeit sowohl Jobs nach der Bundeswehr als auch passende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten finden.