Wenn Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit unterschiedlich vergütet werden, liegt bei einem Tarifvertrag allein darin kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Unterschiedliche Zulagen in Lebensmittelindustrie
Der ursprüngliche Rechtsstreit begann in der Getränkeindustrie. Zwei Mitarbeiter von Coca-Cola leisteten Nachtarbeit im Schichtbetrieb und haben eine Ungleichbehandlung darin gesehen, dass der für sie gültige Manteltarifvertrag einen Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit in Höhe von 20 Prozent vorsieht, währenddessen der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit bei 50 Prozent liegt.
Die Tarifpartner haben die unterschiedliche Behandlung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit damit begründet, dass die unregelmäßige Nachtarbeit für die betroffenen Mitarbeiter noch belastender sei, weil man sie nicht planen könne. Bei regelmäßigen Nachtschichten bestünden zusätzliche Vergünstigungen wie frei Tage.
Die Mitarbeiter haben die unterschiedliche Entlohnung, die der Tarifvertrag vornimmt, nicht hinnehmen wollen und verlangten vom Arbeitgeber ebenso einen Zuschlag von 50 Prozent. Der Rechtsstreit zog sich durch alle Instanzen und landete schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).
BAG nimmt Anpassung nach oben vor
Bevor das Bundesarbeitsgericht in der Sache selbst entschieden hat, ließ es vom EuGH klären, ob differenzierende Nachtarbeitszuschlagsregelungen mit dem EU-Recht vereinbaren sahen. Der EuGH sah darin keinen Widerspruch zum europäischen Recht. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie regle nicht das Entgelt der Tarifbeschäftigten, sondern nur Dauer und Rhythmus, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Nachtarbeiter.
In seinem Urteil sah jedoch das BAG einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz. Der Tarifvertrag nehme eine Ungleichbehandlung vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Es sei irrelevant, ob Nachtarbeit innerhalb oder außerhalb von Schichtsystemen geleistet werde, die gesundheitliche Belastung sei für die Arbeitnehmer dieselbe.
Folglich können Tarifbeschäftigte, die Nachtarbeit im Schichtbetrieb leisten, dieselben Zuschläge (bzw. dieselbe Höhe) verlangen wie ihre Arbeitskollegen, die unregelmäßig nachts arbeiten.
Das Bundesarbeitsgericht hatte damit eine Korrektur des Tarifvertrages und eine Anpassung der Zuschläge der Nachtschichtarbeiter nach oben vorgenommen.
Tarifverträge nur eingeschränkt überprüfbar
Der Arbeitgeber sah in der Korrektur, die das BAG vorgenommen hat, eine Verletzung der Tarifautonomie, die Artikel 9 Grundgesetz gewährleiste. Das Bundesarbeitsgericht dürfe keinen Einfluss auf die tarifrechtlichen Regelungen nehmen und eine Anpassung nach oben vorschreiben. Er zog vor das Bundesverfassungsgericht, das ihm mit einem im Februar 2025 veröffentlichten Beschluss Recht gab.
Nach Ansicht des BVerfG habe das Bundesarbeitsgericht (BVerfG) die Korrekturkompetenz der Tarifpartner berücksichtigen müssen. Zudem habe das BAG einen falschen Maßstab bei der Kontrolle der sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung angelegt, den der Schutz der Tarifautonomie gebiete.
Zwar seien die Tarifpartner im Rahmen ihrer Tarifautonomie auch an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden und dürfen bei der Vereinbarung von Tarifnormen keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vornehmen.
Die richterliche Kontrolle bei Tarifnormen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen regeln, beschränke sich aber auf eine Überprüfung auf das Willkürverbot. Eine darüber hinausgehende Kontrolle des Tarifvertrages sei verfassungsrechtlich unzulässig.
Rechtsstreit geht weiter
Das BVerfG hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das BAG zurückverwiesen. Möglich ist, dass das BAG die Tarifpartner zuerst selbst auffordern wird, eine neue Lösung zu finden. Vorerst erfolgt jedoch keine Anpassung nach oben.