Der BGH hat jüngst mit seinem Urteil vom 18 Januar 2023 entschieden, dass eine Betriebsschließungsversicherung auch im Fall der COVID-19-Pandemie greift. Dies gilt allerdingserst für den „zweiten Lockdown“ (ab November 2020).
Hintergrund
Die Gerichte waren schon häufiger mit Ansprüchen gegen Versicherungen wegen Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie beschäftigt, bspw. das LG Coburg (Urt. vom 5. Februar 2021 – Az.: 110 382/20) oder das LG Hannover (Urt. vom 19. April 2021 –- Az.: 2 O 164/20). Grundtenor war dabei stets: Die Betriebsschließungsversicherung umfasst auch das Sars-CoV-2-Virus, auch wenn es bei Vertragsschluss noch nicht im IfSG, auf das im Rahmen der Versicherung Bezug genommen wird, aufgeführt war.
Der BGH schließt sich nun auch explizit dieser Auffassung an.
Sachverhalt
Im behandelten Fall war Gegenstand der Betriebsschließungsversicherung eine Entschädigung (Entgehenden Gewinn und fortlaufende Kosten), wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (§§ 6, 7 IfSG) den Betrieb ganz oder teilweise schließt.
Mit Allgemeinverfügung des zuständigen Landkreises vom 30. Oktober 2020 wurde die Beherbergung zu touristischen Zwecken untersagt.
Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB
Im Kern geht es um die Frage, auf welche Gesetzesfassung sich die Klausel im Versicherungsvertrag bezieht: Wird Bezug genommen auf das IfSG in der Fassung zur Zeit des Vertragsschlusses oder in der Fassung zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls?
Mangels einer – wie hier – eindeutigen Regelung in den der Betriebsschließungsversicherung zugrunde gelegten AGBs, wird die Klausel nach § 305c Abs. 2 BGB ausgelegt, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen.
Da die Krankheit COVID-19 bzw. der Sars-CoV-2-Krankheitserreger erst mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) am 23. Mai 2020 in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. t und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a IfSG aufgenommen wurden, können erst ab diesem Zeitpunkt eintretende Versicherungsfälle berücksichtigt werden.
Ausweitung der Meldepflicht unerheblich
Insbesondere eine vor dem 23. Mai 2020 festgelegte Ausweitung der Meldepflicht (Allgemeinverfügung vom 18. März 2020) nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung, die tatsächliche Erkrankung oder den Tod in Bezug auf eine Infektion mit COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 unerheblich. Denn wenn – wie hier– in den AGBs ausdrücklich von „namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserregern“ die Rede ist, dann kann auch nicht durch Auslegung dieser konkrete Wortlaut auf meldepflichtige Krankheiten erweitert werden.
Quellen:
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023012.html?nn=10690868
Gast-RR 2022/3