Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition steht die geplante Reform des Wehrdienstes vor dem Aus. Während die Union auf eine "echte Wehrpflicht" drängt, warnt Vizekanzler Habeck vor Finanzierungsproblemen bei der Bundeswehr. Die sicherheitspolitische Neuausrichtung Deutschlands gerät ins Stocken.
Die Bundeswehr steht nach dem überraschenden Ende der Ampel-Koalition vor erheblichen Herausforderungen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) räumte beim Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung" ein, dass sein geplantes Wehrdienstmodell in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr umgesetzt werden kann. Dabei hatte das Bundeskabinett erst am Morgen vor dem Koalitionsbruch den entsprechenden Gesetzesänderungen zugestimmt.
Union fordert "echte Wehrpflicht" statt Fragebogen
Die Unionsfraktion positioniert sich klar gegen das von Pistorius vorgeschlagene Modell. "CDU/CSU wollen eine echte Wehrpflicht und keinen unverbindlichen Fragebogen", betonte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul. Er plädiert für ein Vorgehen nach skandinavischem Vorbild: Zunächst sollen alle potenziellen Rekruten gemustert werden, um dann gezielt diejenigen einzuziehen, die wehrdiensttauglich sind und Bereitschaft signalisieren.
Die derzeitige Bedrohungslage durch Russland und der akute Personalmangel bei der Bundeswehr machten "Verpflichtungsmodelle" unumgänglich, so Wadephul. Allerdings würde dies die Bundeswehr vor große logistische Herausforderungen bei der Personalerfassung und den Ausbildungskapazitäten stellen.
Habeck warnt vor Finanzierungslücke
Parallel zur Diskussion um den Wehrdienst zeichnet sich ein weiteres Problem ab: Die Finanzierung der Bundeswehr ab 2027. Vizekanzler Robert Habeck drängt auf die schnelle Einrichtung eines neuen Sondervermögens für die Streitkräfte - noch vor möglichen Neuwahlen. Im Deutschlandfunk warnte der Grünen-Politiker vor einer möglichen Blockade durch AfD und BSW nach der Wahl, die eine notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag verhindern könnte.
Grundlegende Reform der Wehrerfassung notwendig
Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des künftigen Wehrdienstmodells besteht Einigkeit darüber, dass die 2011 abgeschaffte Wehrerfassung wieder eingeführt werden muss. "Im Ernstfall wüssten wir morgen nicht, wen wir einziehen können, weil es keine Daten gibt", kritisierte Pistorius die aktuelle Situation. Zumindest die Grundlagen dafür könnten noch in der verbleibenden Zeit der Minderheitsregierung geschaffen werden.
Die politische Unsicherheit nach dem Ampel-Aus droht nun die sicherheitspolitische Neuausrichtung Deutschlands zu verzögern. Experten mahnen, dass angesichts der veränderten geopolitischen Lage keine Zeit für langwierige politische Auseinandersetzungen bleibe. Die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Bundeswehr wird wohl erst nach Neuwahlen fallen.
Quellen:
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-11/ampelkoalition-wehrdienst-boris-pistorius-union
https://www.deutschlandfunk.de/vizekanzler-habeck-wirbt-fuer-neues-bundeswehr-sondervermoegen-vor-neuwahl-100.html
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundeswehr-neuer-wehrdienst-laut-pistorius-nach-ampel-aus-kaum-umzusetzen/100087674.html