Gelassenheit siegt!

Dr. Gudrun Fey Mit Fragen,Vorwürfen, Ärger und Angriffen souverän umgehen GELASSENHEIT SIEGT!

So bleiben Sie souverän! Statt sich zu ärgern oder nach einer schlagfertigen Antwort zu suchen, ist es erfolgreicher, ganz bewusst Strategien einzusetzen, um Abstand und Zeit zu gewinnen. Frei nach dem Motto: »Keine Macht dem Ärger!« Dr. Gudrun Fey zeigt, dass Sie auch in der (vermeintlich) schwächeren Position die Möglichkeit haben, sich zur Wehr zu setzen. Letztlich siegen nicht Schlagfertigkeit, sondern Gelassenheit und Souveränität. In diesem Bestseller vermittelt sie, wie Sie sich bei provokanten Fragen, Vorwürfen und persönlichen Angriffen souverän selbst behaupten, in kritischen Situationen tatsächlich souverän reagieren, statt die Nerven zu verlieren oder »durchzudrehen«, N¾QIWLJ HLQHQ .RQŴLNW HQWVFK¦UIHQ statt ihn zu verschärfen und mithilfe von »Anti-Ärger-Strategien« ruhig und gelassen bleiben.

Inhalt So bleiben Sie souverän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Wie Sie Ihr Selbstvertrauen stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3 Mit Gelassenheit siegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4 Auf Vorwürfe angemessen reagieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5 Mit Beschwerden richtig umgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6 Selbstbehauptung und Grenzen setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 7 Fragen gekonnt beantworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 8 Anti-Ärger- und -Stressstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

So bleiben Sie souverän Sie sind Vorwürfen, Angriffen und Ärger nicht hilflos ausgesetzt. Auch in der (vermeintlich) schwächeren Position haben Sie Chancen und Möglichkeiten, sich angemessen zur Wehr zu setzen. Wichtig dabei ist, dass letztlich nicht Schlagfertigkeit die Oberhand gewinnt, sondern Gelassenheit und Souveränität siegen. Schlagfertigkeit ist oft Imponiergehabe und erinnert an einen Gorilla, der sich mit seinen Fäusten auf die Brust trommelt, um zu demonstrieren, wie groß und stark er ist. Sicher ist eine schlagfertige Antwort manchmal im Moment sehr befriedigend: „Hach, dem habe ich es aber gegeben!“ Doch ist das eine kluge Reaktion? Sinnvoller ist es, Strategien einzusetzen, die eine Eskalation verhindern sowie Gelassenheit und Selbstsicherheit demonstrieren. Anliegen dieses Buches ist, Ihre emotionale Intelligenz zu trainieren; denn für deren Entwicklung fühlen sich weder Schulen noch andere Institutionen zuständig. So bleibt es jedem Einzelnen überlassen, wie sich seine emotio- nale Intelligenz entwickelt. Es lässt sich jedoch inzwischen statistisch beweisen, dass nicht die den größten Lebenserfolg erzielen, die mit einem besonders hohen Intelligenzquotienten ausgestattet sind, sondern diejenigen, die ihre Gefühle im Umgang mit anderen Menschen intuitiv gezielt richtig einsetzen.1 Deshalb sind Ziele des Buches Ihnen Kenntnisse zu vermitteln, wie Sie ● sich bei provokanten Fragen, Vorwürfen und persönlichen Angriffen souverän selbst behaupten und mit Ärger so umgehen, dass Sie sich weniger, seltener und weniger lange ärgern. Allein dieses Wissen vermittelt Ihnen eine gewisse Gelassenheit. 7 1 Vgl. Goleman, Daniel: Emotionale Intelligenz, dtv 1997.

● in bisher kritischen Situationen tatsächlich auch souverän reagieren, statt die Nerven zu verlieren oder „durchzudrehen“. ● statt sich zu ärgern oder nach einer schlagfertigen Antwort zu suchen, erfolgreicher ganz bewusst Strategien einsetzen, um Abstand und Zeit zu gewinnen. ● zukünftig einen Konflikt entschärfen statt ihn zu verschärfen. Es sollte Ihnen in solchen Situationen nicht darauf ankommen, die andere Person zu „besiegen“, denn dann gibt es immer auch mindestens eine Person, die verliert, und die wird leicht zum Feind. Da Sie jedoch manchmal schon genug Menschen um sich haben, die Ihnen nichts Gutes wollen, müssen Sie die Zahl Ihrer Feinde nicht ohne Not erhöhen, denn: „Deine Feinde bleiben Dir treu, doch Deine Freunde selten.“ (Niccolò Machiavelli) – Es ist also sinnvoll, sich nicht durch eine unbedachte Reaktion mehr Feinde zu machen als notwendig. ● Gelassenheit erreichen, um damit mehr Energie für die Dinge im Leben zu haben, die Ihnen Erfolg bringen oder Spaß machen. Dazu dienen auch die Anti-Ärger-Strategien. ● sich vor allem nie wieder als Opfer fühlen: „Da kann man halt nichts machen, da muss man sich in sein Schicksal fügen.“ Die Opferrolle ist negativ, weil der Stress für Sie am größten ist. Opfer sind unfähig zu handeln. Sie blockieren sich selbst. Um diese Ziele zu erreichen, werden Sie erfahren, dass Sie grundsätzlich drei Möglichkeiten haben zu reagieren: „Change it, love it or leave it“ („ändern“, „lieben“ oder „ver/zurück/lassen“). Das ist die gute Botschaft. Die vermeintlich schlechte Botschaft lautet: Selbst wenn Sie diese drei Möglichkeiten systematisch nutzen, werden Sie nicht immer erreichen, dass andere Menschen ihr Verhalten Ihnen gegenüber ändern. Trotzdem werden Sie sich besser fühlen, wenn Sie wissen, dass Sie sich souverän selbst behauptet und alles in Ihrer Macht Stehende getan haben, um eine Eskalation zu verhindern. Damit haben Sie Ihre Selbstachtung, die Achtung vor sich selbst, auf jeden Fall erhalten. Allein durch diese Erkenntnis werden Sie gelassener und sich seltener ärgern. So bleiben Sie souverän 8

Was bedeutet souveräne Selbstbehauptung? Souveräne Selbstbehauptung ist mehr als eine schlagfertige Antwort. Sie umfasst im Prinzip vier mögliche Reaktionen: ● Sie kontern in angemessener Weise sofort, das heißt Sie sind schlagfertig, ohne jemanden zu verletzen oder Witze auf Kosten anderer zu machen. ● Sie lassen den Angriff ins Leere laufen. Das bedeutet, die andere Person provoziert Sie, und Sie lassen sich nicht darauf ein gemäß dem Motto, wenn jemand die Tür eintreten will, öffnen Sie sie und sagen: „Bitte, nach Ihnen.“ ● Sie halten stand und behaupten sich selbst, etwa in Form einer „Ich-Botschaft“: „Ich mag das nicht!“ Oder: „Jetzt rede ich!" ● Sie reagieren erst dann, wenn es Ihnen passt und Sie sich und Ihre Gefühle wieder unter Kontrolle haben. In diesem Buch habe ich viele persönliche sowie berufliche Erfahrungen verarbeitet und hoffe, dass es Ihnen – genauso wie mir – zu mehr Gelassenheit und Souveränität verhilft. Ich freue mich, wenn Sie das Buch durcharbeiten und davon profitieren. Besonders freue ich mich über Ihr persönliches Feedback. Schreiben Sie mir oder rufen Sie mich an, sagen Sie mir, was Ihnen gefällt bzw. was noch verbessert werden sollte. Wenn Sie das Gelesene praktisch vertiefen wollen, können Sie sich auch auf meiner Website nach Seminaren zu diesem Thema erkundigen. Viel Erfolg und gutes Gelingen! Dr. Gudrun Fey Expertin für wertschätzende Rhetorik www. gudrunfey.de gudrun.fey@t-online.de So bleiben Sie souverän 9

1 Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren

Gefühle sind oft stärker als der Verstand Es ist ein Mythos, eine Wunschvorstellung, zu glauben, der Mensch lasse sich von seinem Verstand leiten. Obwohl das allen bewusst ist, hält man unentwegt daran fest. Vielleicht braucht man diesen Mythos für die Selbstachtung. Denn der Verstand ist es doch, der uns von den Tieren unterscheidet, oder? Und wie wird dieser Mythos gerettet? Durch Selbstmanipulation; denn man pflegt gefühlsmäßige Entscheidungen hinterher meist zu rationalisieren. Da sich für jede Entscheidung vernünftig erscheinende Gründe finden lassen, wirkt eine gefühlsmäßige Entscheidung im Nachhinein manchmal so einleuchtend, dass Sie damit nicht nur andere überzeugen, sondern auch sich selbst. Kurz gesagt: Sie lügen sich damit in die eigene Tasche. Erst wenn Sie diesen Irrglauben, der Mensch sei ein nur vernunftgesteuertes Wesen, ablegen, sind Sie frei, Ihre Gefühle zu erfassen, sie zu akzeptieren und mithilfe Ihres Verstands – etwa was die Bewertung anbelangt – gegebenenfalls für Sie günstig zu beeinflussen. Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Vorstellungen von den Dingen. EPIKTET (55–135 N. CHR.) Gefühle entstehen durch unsere Bewertung Gefühle entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sie entstehen aufgrund der Bewertung einer Situation. Die Gehirnforschung hat inzwischen bewiesen, dass alles, was wir bewusst wahrnehmen, im limbischen System – durch das alles bewusst Wahrgenommene durchgeschleust wird – in Bruchteilen von Sekunden bewertet wird: gut – schlecht, sympathisch – unsympathisch, süß – salzig, groß 13

– klein, stark – schwach usw. Das bedeutet: Es gibt keine objektive Erkenntnis! Würde der Philosoph Descartes (1596–1650), der die Aussage gemacht hat: Cogito ergo sum. – Ich denke, also bin ich. heute leben, könnte man mithilfe der Gehirnforschung seine Überzeugung, dass Menschen zu objektiven Erkenntnissen fähig sind, als naiven Glauben entlarven. Wir können jedoch das, was dann letztlich in unserem Gehirn gespeichert wird, in dem Sinne objektivieren, dass wir es mit unterschiedlichsten, meist technischen Methoden überprüfen. Vegetarier empfinden beim Anblick eines gegrillten Hähnchens Ekel, allein der Duft kann bei ihnen Brechreiz erzeugen, einem anderen hingegen läuft vor Begierde das Wasser im Mund zusammen. Und daran ist sicher nicht das Hähnchen schuld, oder? Zumal vielleicht auch Vegetarier als Kind meist gern Hähnchen gegessen haben. Bewertungen entwickeln Sie aufgrund dessen, was Sie in Ihrem Leben erfahren. Sie übernehmen sie jedoch auch von anderen Menschen oder bilden sich aufgrund von Informationen, die Sie über Print- oder soziale Medien erfahren haben. Deshalb können Sie für Ihre Gefühle nur sich selbst verantwortlich machen. Angst existiert nur in unserer Vorstellung, deshalb hat der menschliche Geist Macht über sie. JOSÉ SILVA, PARAPSYCHOLOGE (1904–1999) Angst und Gelassenheit schließen einander aus Ein wichtiges Gefühl, das aufgrund einer negativen Bewertung oder negativen Erwartungshaltung in sich erzeugt wird, ist Angst. Es gibt jedoch keine „Angst“ in dieser Welt. Ein ängstlicher Mensch kann nicht gelassen reagieren, ganz im Gegenteil, es besteht die Gefahr, dass dieser Mensch in Panik gerät und daraufhin völlig falsch reagiert, also beim Autofahren in einer bestimmten Gefahrensituation auf die Bremse tritt, statt Gas zu geben. Es macht deshalb wenig Sinn, die eigene Angst zu leugnen. Erst wenn man sie „annimmt“ und sich ihr stellt, hat man eine Chance, sie zu verlieren. Als Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren 14

Strategie empfiehlt sich, was der Pfarrer Norman Vincent Peale (1898–1993), der das positive Denken propagiert hat, einmal sagte: „Tue, was Du fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod.“ Stellen Sie sich Ihren Ängsten und trainieren Sie Annäherungsverhalten statt Vermeidungsverhalten. Das Gegenteil von Angst ist Zuversicht – nicht Mut. Und die mangelnde Zuversicht hat etwas mit mangelndem Selbstvertrauen zu tun und das lässt sich – auch mithilfe dieses Buches – aufbauen. Die eigenen Gefühle richtig verstehen Manchmal hat man den Eindruck, Gefühle werden „von außen“ erzeugt. Sie sagen vielleicht auch manchmal: „Du hast mich geärgert“ oder „Du nervst mich“ oder „Du machst mich glücklich“. Damit gehen Sie davon aus, dass andere Menschen durch ihr Verhalten in Ihnen diese Gefühle auslösen. Das ist ein Irrtum! Denn Sie empfinden in vergleichbaren Situationen nicht immer das Gleiche. BEISPIEL: Früher habe ich mich darüber gefreut, dass wir zu jedem Fest von der Schwiegermutter eine Flasche Eierlikör bekommen haben. Doch nachdem inzwischen sechs Flaschen darauf warteten, getrunken zu werden, fand ich es nicht mehr lustig, sondern ärgerte mich über die Aussicht auf eine weitere Flasche beim nächsten Besuch. Doch sagte ich ihr das? Nein. Stattdessen fand ich jemanden, der von seiner Schwiegermutter regelmäßig beim Besuch einen Beutel „Russisch Brot“ geschenkt bekam. Da ich Russisch Brot sehr gerne esse, machten wir einen Deal: Russisch Brot gegen Eierlikör. Das war für mich zwar ein schlechtes Geschäft, aber dennoch besser, als jede Menge Eierlikör im Schrank verkommen zu lassen. Diese Geschichte zeigt, man produziert seine Gefühle selbst und sollte sich auch dazu bekennen. Das bedeutet jedoch, Sie können künftig nicht mehr andere Menschen für Ihre Gefühle verantwortlich machen, also etwa nicht Die eigenen Gefühle richtig verstehen 15

mehr guten Gewissens sagen: „Meine Schwiegermutter macht mich wütend, weil sie …“, sondern ehrlicherweise sagen müssen: „Ich bin sauer auf mich, weil ich meiner Schwiegermutter immer noch nicht gesagt habe, dass sie mir keinen Eierlikör mehr schenken soll.“ Erst durch diese Einsicht haben Sie die Möglichkeit, sich zu überlegen, wie Sie es ihr sagen könnten, ohne sie zu verletzen, zum Beispiel: „Liebe Schwiegermutter, ich habe dir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich gern Eierlikör trinke. Allerdings trinke ich ihn sehr selten. Deshalb würde ich mich – wenn du mir etwas schenken möchtest – über eine Flasche trockenen badenwürttembergischen Rotwein freuen. Den trinkt nämlich auch dein Sohn gern.“ Gefühle sind „Tatsachen“ Diese These mag kühn erscheinen, denn Gefühle werden gern als etwas Nebulöses und vor allem Unberechenbares hingestellt. Ich behaupte das Gegenteil und erkläre, Gefühle sind komplexe Erfahrungen, die sich schnell ändern können oder auch sehr beständig sind. Schließlich baut man oft sein Leben darauf auf, wenn man sich entschließt, mit dem Menschen, den man liebt, zusammenzuleben oder ihn gar zu heiraten. Deshalb haben Gefühle etwas mit allem gemein, was uns umgibt: „Das einzig Beständige in unserem Leben ist der Wandel.“ Oder wie schon der griechische Philosoph Heraklit von Ephesus (535–475 v. Chr.) sagte: Panta Rhei. (Alles fließt.) Gefühle lassen sich meist nicht mit dem Verstand wegdiskutieren. Und warum lassen sie sich nicht wegdiskutieren? Weil sie im Gehirn – im limbischen System – immer von der Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter begleitet werden. So lässt sich Ihr gefühlsmäßiger Zustand auch aufgrund Ihrer hormonellen Disposition nachweisen. Bei einem Menschen, der gerade sehr glücklich ist, finden sich andere Neurotransmitter im Blut, etwa Dopamin oder Serotonin, als bei einem, der sich gerade geärgert hat. Bei Ärger ist es unter anderem das Hormon Adrenalin, das von der Nebennierenrinde ausgeschüttet wird und für eine negative Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren 16

Stimmung verantwortlich ist. Und weil das so ist, macht es wenig Sinn, Gefühle irgendwelcher Art zu negieren oder zu versuchen, sie sich auszureden. Denn das, was man empfindet, ist meist stärker als das, was man mit Worten zu sich sagt. Es kommt vielmehr darauf an, sensibler für die eigenen Gefühle und die anderer zu werden, um zu lernen, besser mit ihnen – Gefühlen wie Menschen – umzugehen. Natürlich kann man Gefühle in Grenzen unterdrücken, was allerdings meistens nur darauf hinausläuft, sie äußerlich zu verbergen. Doch innerlich spürt man die Auswirkungen manchmal nur allzu deutlich. Gerade das Unterdrücken von Wut und Ärger kann körperliches Unwohlsein und Krankheiten auslösen oder verstärken. Wie sich Gefühle körperlich auswirken Dass Gefühle nicht losgelöst vom Körper existieren, sondern ganz im Gegenteil das körperliche Wohlbefinden massiv beeinflussen, zeigt der Zusammenhang zwischen bestimmten Äußerungen und Körperteilen: ● Da sträuben sich mir die Nackenhaare. ● Da stehen mir die Haare zu Berge. ● Das geht mir unter die Haut. ● Butterweiche Knie bekommen. ● Da bleibt mir die Spucke weg. ● Ein Mann/Eine Frau sieht rot. ● Das bricht mir das Herz. ● Da habe ich den Kopf verloren. ● Mir ist eine Laus über die Leber gelaufen. ● Mir platzt gleich der Kragen. ● Da kommt mir die Galle hoch. ● Eine Wut im Bauch haben. ● Die Angst sitzt mir im Nacken. ● Einen Kloß im Hals haben. ● Das geht mir an die Nieren. ● Das bricht mir das Herz. Die eigenen Gefühle richtig verstehen 17

Was ist das Positive an Gefühlen? Gefühle bereichern Ihr Leben. Gefühle – positive wie negative – setzen Energien frei. Diese frei gewordene Energie in vernünftige Bahnen zu lenken, sodass sie Ihnen und anderen nützt, das ist das, was die emotionale Intelligenz ausmacht, oder was man auch als die „Kunst des Lebens“ bezeichnen könnte. Selbst depressive Stimmungen setzen Energien frei, nur richten sich diese Energien gegen Sie selbst, sodass sie zur „Autoaggression“ werden und Sie seelisch und körperlich krank machen. Was Gefühle sind ● Gefühle werden im Gehirn (im limbischen System) durch die Bewertung bewusst aufgenommener Wahrnehmungsinhalte ausgelöst. ● Gefühle lassen sich oft nicht mit Argumenten wegdiskutieren. ● Gefühle beeinflussen unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. ● Gefühle lassen sich von uns aktiv beeinflussen. ● Gefühle bereichern das Leben. ● Gefühle – positive wie negative – setzen Energien frei. ● „Kunst des Lebens“ bedeutet: Diese Energie positiv nutzen. Warum Menschen aggressiv reagieren Menschen neigen zu Aggressionen, wenn sie nicht das bekommen, was sie wollen. Sie meinen dann, mit Gewalt vielleicht doch noch ihre Interessen durchsetzen zu können. Aggressive Handlungen – und dazu gehören auch Vorwürfe und verbale Angriffe – können also hervorgerufen werden durch eine Diskrepanz zwischen dem, was erwartet, und dem, was dann bekommen wird. Angenommen, Sie wollen im Rahmen einer Diskussion Ihr Gegenüber davon überzeugen, eine Kindergartenpflicht für alle Kinder ab drei Jahren einzuführen. Wenn die andere Person sich nicht überzeugen lässt, können Sie das akzeptieren oder schmollen, den Frust in sich hineinfressen und nichts mehr sagen. Sie können aber auch aggressiv reagieren und versuchen, Ihr Gegenüber mit einem persönlichen Angriff „schachmatt“ zu setzen. Nur sollten Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren 18

Sie sich fragen, was Sie davon haben. In der Regel ist damit die Atmosphäre erstmal vergiftet. BEISPIEL: So saß ich einmal mit meinem Mann in der Wirtschaft. Wir stritten uns über irgendetwas. Mir gingen die Argumente aus. Und deshalb griff ich meinen Mann persönlich an: „Schrei‘ doch nicht so, die Leute gucken ja schon.“ Da war er erst mal ruhig. Und ich hatte Zeit gewonnen, um mir wieder ein Sachargument zu überlegen. Der Gag war jedoch, dass ich nicht minder lautstark geredet und daher gar keine Berechtigung hatte, ihm seine Lautstärke vorzuwerfen. Aber gewirkt hat es trotzdem und ich war froh, dass mein Mann deswegen nicht sauer auf mich war. Danach hatte ich zwei Erkenntnisse, die ich gern weitergebe: 1. Wenn Menschen die Erfahrung machen, dass sie mit Lautstärke und Geschrei das erreichen, was sie wollen, werden sie diese Reaktion öfter zeigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Und da viele Menschen – ich und vielleicht auch Sie – mit dieser Methode schon Erfolg hatten, werden sie sie bisweilen auch anwenden. Denn ein Verhalten, das belohnt wird, wird öfter gezeigt! 2. Sollten Sie es jedoch mit einem Menschen zu tun haben, der Sie mit seinem Gebrüll einschüchtern will, hilft es Ihnen, in diesem Moment zu denken: „Aha, schon wieder so einer, der mich mit Geschrei dazu bringen will, das zu bekommen, was er gerne hätte! Doch das bekommt er so ganz bestimmt nicht.“ Und das können Sie ihm dann auch in einem festen Ton deutlich sagen. Außerdem zeigt Ihnen dieses Verhalten, dass diese Person kein Sachargument mehr hat, denn sonst würde sie es bringen. Der Wortschatz verrät das Aggressionspotenzial Anhand des Wortschatzes eines Menschen lässt sich nicht nur erkennen, ob er eher dem visuellen, auditiven oder kinästhetischen Typus zuzurechnen ist, sondern auch das Aggressionspotenzial, das in einer bestimmten Situation vorhanden ist. Der Wortschatz verrät das Aggressionspotenzial 19

Machen Sie ein kleines Experiment: Erzählen Sie einem vertrauten Menschen von Ihrer letzten Auseinandersetzung. Vielleicht nehmen Sie dieses Gespräch sogar mit Ihrem Smartphone auf und achten darauf, wie aggressiv, ja vielleicht sogar kriegerisch Ihr Wortschatz ist. Flogen da nicht die Fetzen? Versuchten Sie nicht, den anderen mundtot zu machen? Aber der schlug zurück und wollte, dass Sie klein beigeben. Sie aber konterten mit spitzer Zunge und geschliffener Dialektik, dass es Ihrem Gegner die Sprache verschlug. Diese Schlagfertigkeit hatte er nicht vermutet. Das letzte Argument traf ihn wie ein Keulenschlag. Dann aber erkannte er messerscharf Ihre Schwachstellen und griff Sie unter der Gürtellinie an. Jetzt entbrannte der Wortkampf erst recht, als er versuchte, Sie mit Worten niederzumachen. Doch so schnell ließen Sie sich doch nicht kleinkriegen, oder? Zuerst setzten Sie alles dran, den anderen in die Defensive zu drängen und mit einem Wortschwall zu erschlagen, dann schossen Sie Ihre Worte wie giftige Pfeile ab. Daraufhin blieb dem Gegner das Wort im Halse stecken. Schließlich war er am Boden zerstört. Sie triumphierten. Endlich hatten Sie ihn „totgeredet“. Sie merken, Worte dienen bisweilen als Waffe. Mit Worten können Sie einen anderen Menschen manchmal mehr verletzen als mit Taten. Deshalb verzichten Sie auf Schimpfwörter und „Verbalradikalismen“, denn eine aggressive Sprache wirkt in keinem Fall souverän und ist geeignet, eine Beziehung dauerhaft zu zerstören. Wie Sie Ihr biologisches Alarmprogramm positiv nutzen Wenn Sie unfair angegriffen werden oder sich ärgern, löst dies ein biologisches Alarmprogramm aus, das Menschen in der Urzeit das Überleben sicherte. Es war ursprünglich gedacht, um auf körperliche Bedrohungen angemessen zu reagieren: Wenn man sich dem Gegner überlegen fühlte, wurde das Angriffsverhalten ausgelöst, glaubte man sich hingegen ihm unterlegen, setzte das Fluchtverhalten ein. War keine dieser beiden Reaktionen möglich, bekamen auch die Menschen in der Urzeit ihren „Blackout“. Selbst das konnte damals das Überleben eines Menschen sichern. Denken Sie vergleichsweise an das beliebte Versteckspiel aus der Kindheit. Da war es manchmal sinnvoll, sich „totzustellen“, um nicht entdeckt zu werden. Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren 20

Doch bei den Situationen, die hier behandelt werden, handelt es sich um verbale Angriffe auf Ihre Person und damit letztlich auf Ihre Menschenwürde. Eine Flucht ist keine souveräne Reaktion, ebenso wenig die Gegenwehr, selbst wenn sie nur mit unflätigen Worten erfolgt. Doch was tun, wenn keine dieser beiden Möglichkeiten passt? Dann kommt es auch hier wie in der Urzeit zu einer momentanen geistigen Lähmung, einem sogenannten Blackout. Während dieser kurzen Zeitspanne können Sie wegen einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Blockierung des Großhirns keinen vernünftigen Satz mehr bilden, sondern meistens nur noch Schimpfworte oder Flüche von sich geben. Leider ist es manchmal bereits zu spät, um zu reagieren, wenn Sie sich wieder unter Kontrolle haben, vielleicht weil die andere Person schon den Raum verlassen oder den Hörer aufgelegt hat. Trotzdem kann es besser sein, Sie reagieren nicht, als dass Sie sich um Kopf und Kragen reden. Das biologische Alarmprogramm selbst können Sie nicht ändern. Doch Sie können lernen, damit souverän umzugehen, statt sich zu ärgern, dass Sie mal wieder in einer bestimmten Situation nicht schlagfertig waren. Wie Sie sicher selbst schon feststellen konnten, wird das Alarmprogramm bei körperlichen und verbalen Bedrohungen blitzschnell ausgelöst und versetzt Sie in einen Erregungszustand. Angenommen, jemand schnauzt Sie an: „Ihr Gehalt ist rausgeschmissenes Geld!“ – dann werden Sie sicher nicht ruhig und gelassen bleiben, sondern spüren, wie Sie innerlich vor Wut kochen. Vielleicht bekommen Sie auch einen roten Kopf oder merken, wie Ihnen der Schweiß ausbricht. Es dauert erfahrungsgemäß einige Minuten, bis Sie sich von einem solchen Stresshormon-Kick erholt haben. Wie stark Sie auf einen solchen Angriff reagieren, ist eine Frage des persönlichen Aggressionspotenzials, des Selbstwertgefühls und der momentanen Stimmung, in der Sie sich gerade befinden. ÜBUNG: Druck erzeugt Gegendruck In meinen Seminaren mache ich gern ein Experiment, um das zu demonstrieren. Es lässt sich auch zu Hause durchführen. Das Einzige, was Sie dazu benötigen, ist eine zweite Person. Wie Sie Ihr biologisches Alarmprogramm positiv nutzen 21

Sie bitten diese Person, eine Hand hochzuhalten, die Handfläche zeigt zu Ihnen. Sie betonen jetzt noch einmal, dass diese Person die Hand in dieser Stellung lassen soll. Jetzt heben Sie Ihre Hand und drücken gegen die erhobene Hand der anderen Person. Was passiert? Obwohl Sie vorher ausdrücklich gesagt haben, die andere Person möge nichts anderes tun, als die Hand oben zu lassen, hält sie dem Druck nicht nur stand – nein, in 90 Prozent der Fälle wird auch kräftig zurückgedrückt. Was können Sie daraus schließen? Druck erzeugt Gegendruck. Selbst wenn Sie ihn nicht spüren sollten, weil manche Personen ihn sich nicht anmerken lassen, gehen Sie davon aus, dass eine angegriffene Person immer das spontane Bedürfnis hat, zurückzuschlagen, es jedoch manche Menschen gelernt haben, aus taktischen Gründen eine andere Reaktion zu zeigen, beispielsweise nachzugeben und sich drücken zu lassen. Irgendwo gibt es jedoch vermutlich für jeden Menschen eine kritische Grenze, bei deren Überschreitung er sich für kurze Zeit nicht mehr voll unter Kontrolle hat. Kommt es dann nicht nur zu einem verbalen Ausbruch, sondern zu einer Gewalttat, wird die Verteidigung vor Gericht von einem Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit oder der Unzurechnungsfähigkeit sprechen. In der Zeitung liest man dann Überschriften wie „Mann randaliert im Ausländeramt“.2 Vera F. Birkenbihl bezeichnete diesen Ausnahmezustand, das „Ausrasten“, als hormonellen Nebel. In diesem Zustand ist ein Mensch weder in der Lage klar und differenziert zu denken, noch zuzuhören. Deshalb bringen Ermahnungen wie „Jetzt passen Sie mal auf!“ oder „Jetzt hören Sie doch mal zu!“ gar nichts. Hier ist Geduld angesagt, denn es braucht Zeit, bis die Stresshormone im Körper zu harmlosen Verbindungen abgebaut worden sind. Das Alarmprogramm verändert die Sensibilität und die Wahrnehmung Unter dem Einfluss der Stresshormone, wie Adrenalin oder Cortisol, nimmt man die Wirklichkeit verzerrt wahr. Angenommen, Sie wachen eines Morgens auf und stellen fest, Sie haben verschlafen. Das erste, was Sie sagen oder Warum es so schwer ist, souverän zu reagieren 22 2 vgl. Stuttgarter Zeitung vom 22.08.2013

denken, ist vermutlich: „Sch…e.“ – Da Sie einen wichtigen Termin haben, machen Sie nur Katzenwäsche, verbrühen sich dabei jedoch fast die Hand, weil Ihnen unter Stress das nötige Fingerspitzengefühl für die Einstellung des Wasserhahns fehlt. Beim Anziehen stellen Sie fest, dass Sie das Unterhemd falsch herum angezogen haben und denken: „So ein Mist.“ Beim Ausparken hätten Sie fast einen Laternenmast umgefahren, weil Sie die Entfernung nicht richtig eingeschätzt hatten. Als Sie dann bei der ersten roten Ampel warten müssen, kommt es Ihnen unheimlich lang vor, bis diese auf „Grün“ umschaltet; denn auch Ihr Zeitempfinden verändert sich unter dem Einfluss des Alarmprogramms, alles dauert auf einmal wahnsinnig lange. Und alle anderen Autofahrer um Sie herum trödeln fürchterlich und bleiben sogar bei „Gelb“ vor der Ampel stehen. Wenn Sie dann mit dem Fahrstuhl in den sechsten Stock zu Ihrem Büro fahren, hält der natürlich in jedem Stockwerk, und so kommen Sie schon entsprechend gestresst an. Ihre Kollegin wird sogleich von Ihnen angefaucht, weil sie die Gesprächsunterlagen nicht – wie vereinbart – bereitgelegt hat, was der bereits auf Sie wartende Besucher unglücklicherweise mithört. Wenn dann auch noch das Gespräch einen ärgerlichen Verlauf nimmt und der Besuch Sie anmeckert, weil er auf Sie warten musste, ist der Tag für Sie vermutlich gelaufen. Das biologische Alarmprogramm Wie Sie Ihr biologisches Alarmprogramm positiv nutzen 23

191 Dr. Gudrun Fey gehört zu den erfahrensten und renommiertesten Trainerinnen für Rhetorik und Kommunikation in Deutschland. Als „Grande Dame der Rhetorik“, – wie sie in der Berliner Zeitung (18.01.2014) tituliert wurde – und Expertin für wertschätzende Rhetorik hat Dr. Gudrun Fey inzwischen über 50.000 Menschen das rhetorische Know-how vermittelt. Andere zu motivieren, ihre rednerischen und kommunikativen Fähigkeiten weiter auszubauen, ist ihr eine Herzensangelegenheit. Dank ihres lebendigen Vortragsstils wird jede Veranstaltung mit ihr zu einem spannenden und nachhaltigen Ereignis. Während ihrer Schauspielausbildung in Hamburg entdeckte sie ihr Redetalent und beschäftigte sich daraufhin intensiv mit dem Thema „Wie überzeuge ich andere Menschen?“ An der Universität in Stuttgart studierte sie Philosophie, Linguistik und Betriebswirtschaft und promovierte bei Prof. Dr. Manfred Fuhrmann in Konstanz über das ethische Dilemma der Rhetorik in der Antike und der Neuzeit. Als Rede- und Mediencoach berät sie Führungskräfte, Geschäftsführer/Geschäftsführerinnen, Pressesprecher/Pressesprecherinnen, Vorstände und Landesminister/ Landesministerinnen. Zu ihren Kunden gehören u. a. Automobilindustrie, Banken, Versicherungen, Universitäten, Arbeitgeberverbände und das Land Baden-Württemberg. 1992 bis 1996 war sie Lead Speaker beim größten amerikanischen Seminarveranstalter CareerTrack Inc., Colorado, USA. Von 1997 bis Ende 2017 war sie geschäftsführende Gesellschafterin der study & train, Gesellschaft für Weiterbildung mbH in Stuttgart. Weitere Titel von Dr. Gudrun Fey bei metropolitan: Überzeugen? So geht’s! ISBN 978-3-96186-005-0

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