Grundlagen - SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende

Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende Thomas Knoche Textausgabe mit praxisorientierter Einführung§ DNWXDOLVLHUWH $Xʴ DJH • Erhöhung der Regelbedarfe • Verschärfung der Sanktionen bei Arbeitsverweigerung

ISBN 978-3-8029-7242-3 € 14,95 [D] • AKTUELL • PRAXISGERECHT • VERSTÄNDLICH WISSEN FÜR DIE PRAXIS Rechtsgrundlagen kennen, verstehen und anwenden! Diese Arbeitshilfe enthält den aktuellen Gesetzestext des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie die dazugehörigen Durchführungsverordnungen. Die Einführung gibt Überblick über die Rechtsmaterie, erläutert Gesetzesaufbau, /HLVWXQJVYRUDXVVHW]XQJHQ VRZLH 5HFKWH XQG 3ʴ LFKWHQ GHU %HUHFKWLJWHQ • Leistungen zur Eingliederung in Arbeit • Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme • ([LVWHQ]VLFKHUXQJ 5HJHOEHGDUIH 0HKUEHGDUIH 6RQGHUEHGDUIH .RVWHQ der Unterkunft • Bildungspaket für Kinder • Anrechenbares Einkommen und Vermögen, Freibeträge • 0LWZLUNXQJVSʴ LFKWHQ /HLVWXQJVPLQGHUXQJHQ EHL /HLVWXQJVYHUVW¸¡HQ Ideal geeignet, um sich in das Rechtsgebiet einzuarbeiten, für Aus- und Fortbildung sowie zum schnellen Nachschlagen in der Praxis. Thomas Knoche, Diplom-Sozialpädagoge, Fachautor von FOKUS Sozialrecht. www.WALHALLA.de

Schnellübersicht Seite Vorwort Abkürzungen 7 9 Übersicht zu den Leistungsgrundsätzen des SGB II 11 1 Anspruchsvoraussetzungen 15 2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts 37 3 Kosten der Unterkunft und Heizung 57 4 Mitwirkungspflichten, Pflichtverletzungen, Leistungsminderungen 65 5 Gesetzliche Grundlagen (SGB II, Bürgergeld-Verordnung, Erreichbarkeits-Verordnung) 71 6

Vorwort Zum 01.01.2005 wurden die Regelungen der früheren Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende – geregelt im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – zusammengeführt. Erwerbsfähige und derenAngehörige erhalten seitdem Leistungen auf der Grundlage des SGB II, wenn sie ihren Bedarf wegen Arbeitslosigkeit oder zu niedrigem Erwerbseinkommen nicht aus eigenen Mitteln oder durch die Hilfe anderer decken können. Das SGB II war Teil eines Gesetzespakets zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation; dieses neue Zweite Buch Sozialgesetzbuch wurde dabei als Artikel 1 des „Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ verkündet. Diesem Gesetzespaket ging eine Arbeitsgruppe voraus, die die Vorschläge erstellte. Sie wurde von Peter Hartz geleitet. Umgangssprachlich wurde das SGB II und damit einhergehende Leistungen „Hartz IV“ genannt. Seit Schaffung des SGB II gibt es eine Flut von Widersprüchen, Klagen und Gerichtsentscheidungen, die wiederum in zahlreiche Gesetzesänderungen und -reformen flossen – zuletzt mit der Einführungdes Bürgergelds. Die seit Ende 2021 regierende Ampelkoalition strebte mit dem Bürgergeldgesetz einen Paradigmenwechsel im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende an: Weg von der Sanktionspraxis hin zu deutlich mehr Motivation und Vertrauen. Als Ziele der Weiterentwicklung des SGB II wurde insbesondere genannt, das Vertrauen und der Umgang auf Augenhöhe mit den Betroffenen stärker in den Fokus rücken. Gleichzeitig soll den Betroffenen soziale Teilhabe, langfristige Perspektiven und neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden. Zum 01.01.2023 wurde das Bürgergeldgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet, seit 01.07.2023 sind die Änderungen vollumfassend in Kraft. Ob es sich hierbei tatsächlich um einen Paradigmenwechsel handelt oder eine Auffrischung von Hartz IV mit etwas besserem Leumund, darüber waren und sind die Meinungen geteilt. Die aktuelle politische Debatte stellt das Bürgergeld bzw. die oben genannten Weiterentwicklungen bereits wieder infrage. So wurde am 02.02.2024 im Bundestag eine Regelung verabschiedet, die die Möglichkeit vorsieht, dass Jobcenter Arbeitslosen das Bürgergeldfür www.WALHALLA.de 7

maximal zwei Monate komplett streichen können, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme beharrlich verweigern. Die Verschärfung bei den Sanktionen ist Teil eines Sparpakets zum Haushalt 2024; sie sollen Einsparungen von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen. Diese inderungen durch das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 traten am 28.03.2024 in Kraft. Auch mehr als neunzehn Jahre nach Einführung des SGB II ist die Rechtslage also stetig im Fluss. Hilfreich ist es daher, auf eine Textausgabe zurückgreifen zu können, die nicht nur die aktuellen Vorschriften beinhaltet, sondern darüber hinaus in einer grundlegenden Einführung einen praxisorientierten Überblick über den Inhalt des Gesetzes vermittelt. Thomas Knoche im April 2024 8 www.WALHALLA.de

Übersicht zu den Leistungsgrundsätzen des SGB II Seit 01.01.2005 erhalten alle bedürftigen Erwerbsfähigen und ihre Angehörigen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); wer Leistungsberechtigter ist, ist in Kapitel 2 beschrieben. Diese Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigtenermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Es gilt der Grundsatz des Forderns (§ 2 SGB II) und Förderns (§ 14 SGB II): & Gefordert wird von den Leistungsberechtigten und von den mit ihnen zusammenlebenden Personen, dass sie selber aktiv werden, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern oder zu beenden. Beispiele sind die Bereitschaft, bei der Erstellung eines Kooperationsplans mitzuarbeiten oder die Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Tun sie das nicht, kann dieser Verstoßgegen die Mitwirkungspflichten Konsequenzen haben (siehe dazu Kapitel 5). & Die Träger der Leistungen nach diesem Buch unterstützen erwerbsfähige Leistungsberechtigte umfassend und nachhaltig mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit und Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Dies gilt sowohl für arbeitslose als auch für nicht arbeitslose erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Ziel ist es, die Hilfebedürftigkeit der betroffenen Personen zu beenden oder zumindest zu verringern – insbesondere durch Beratungsleistungen, Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie durch finanzielle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (siehe dazu ausführlich Kapitel 3 und 4). Beratungsleistungen In § 14 Abs. 2 SGB II wird die eigenständige Funktion der Beratung als Unterstützungsleistung für die Leistungsberechtigten und deren Erreichung der Ziele des SGB II, bzw. einzelne Fortschritte in diese Richtung, klargestellt. Beratung umfasst auch Auskunft und Rat & zum Kooperationsplan, & zur Kooperationszeit sowie & zum mit dem Bürgergeld neu eingeführten Schlichtungsverfahren. Die Berater der Jobcenter sollen Auskunft geben & über die Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 1

& zu den anderen möglichen Eingliederungsleistungen sowie & zurMöglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen anderer Träger. Die Jobcenter sollen bei der Gestaltung ihres Beratungskonzepts auch Beratungsleistungen berücksichtigen, die die Leistungsberechtigten von den Agenturen für Arbeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhalten. Die Jobcenter werden zugleich verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihres Beratungsauftrags eng mit den für die Arbeitsförderung zuständigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit zusammenzuarbeiten. Dies gilt insbesondere für: & Berufsberatung, einschließlich einer Weiterbildungsberatung (§§ 29 ff. SGB III) & Eignungsfeststellung (§ 32 SGB III) & Berufsorientierung (§ 33 SGB III) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit Bei der Beantragung von Leistungen sollen vom Jobcenter unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden (§ 3 Abs. 2 SGB II). Es soll also ein „Sofortangebot“ unterbreitet werden, um den Betroffenen unverzüglich in Arbeit oder bei fehlendem Berufsabschluss in Ausbildung zu vermitteln. Dafür soll es für jeden Leistungsberechtigten einen persönlichen Ansprechpartner bei der Agentur für Arbeit geben (§ 14 Abs. 3 SGB II). Mit jedem Leistungsberechtigten wird ein Kooperationsplan (§ 15 SGB II) abgeschlossen, der bestimmen soll & welche Leistungen er erhält, & wie die Eigenbemühungen aussehen müssen, & welche anderen Sozialleistungen eventuell noch infrage kommen. Der Kooperationsplan soll der „rote Faden“ für die Arbeitssuche sein; er wird gemeinschaftlich von Jobcenter-Beschäftigten und Bürgergeld-Beziehenden erarbeitet und soll dann in verständlicher Sprache niedergeschrieben werden. Anders als die bis Mitte 2023 geltende Eingliederungsvereinbarung ist der Kooperationsplan für beide Seiten rechtlich unverbindlich und bietet selbst keine Grundlage für den Eintritt von Leistungsminderungen; so gibt es deshalb auch keine Rechtsbehelfsbelehrung in einem Übersicht zu den Leistungsgrundsätzen des SGB II 1 12 www.WALHALLA.de

Kooperationsplan. Er wird auf seine wesentliche Funktion als Instrument zur kooperativen Planung des Integrationsprozesses konzentriert. Die Zusammenarbeit soll mit einem Verfahren zur Ermittlung der Kompetenzen des Hilfesuchenden beginnen (Potenzialanalyse). Für Konfliktfälle im Zusammenhang mit der Erstellung, Durchführung oder Fortschreibung eines Kooperationsplans wird ein Schlichtungsverfahren eingeführt (§ 15a SGB II). An dem Schlichtungsverfahren soll eine unabhängige, nicht weisungsgebundene Person teilnehmen. Das Schlichtungsverfahren muss nach spätesetens vier Wochen beendet sein. Während des Schlichtungsverfahrens sind Sanktionen ausgeschlossen. Als Eingliederungsleistung stehen – je nach Vorliegen der Voraussetzungen – zur Verfügung: & Einstiegsgeld (§ 16b SGB II) & Eingliederung Selbstständiger (§ 16c SGB II) & Arbeitsgelegenheiten (sog. Ein-Euro-Jobs) (§ 16d SGB II) & Beschäftigungszuschuss zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (§ 16e SGB II) & FreieFörderung (§16f SGB II) & Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit (§ 16g SGB II) & Förderung schwer zu erreichender junger Menschen (§16h SGB II) & Lohnkostenzuschuss für einen „sehr arbeitsmarktfernen“ Personenkreis (§ 16i SGB II) & Coaching (sog. ganzheitliche Betreuung), um Bürgergeldbeziehendefür eine Ausbildung oder Beschäftigung zu befähigen (§16k SGB II) Kommunale Leistungen können darüber hinaus sein (§ 16a SGB II): & Betreuung minderjähriger/behinderter Kinder & häusliche Pflege von Angehörigen & Schuldnerberatung & psychosoziale Betreuung & Suchtberatung. Für Erwerbsfähige stehen neben diesen Leistungen auch alle wesentlichen Eingliederungsleistungen des SGB III zur Verfügung (siehe Katalog in § 16 SGB II). 3bersicht zu den Leistungsgrunds-tzen des SGB II 1 www.WALHALLA.de 13

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Die finanzielle Grundsicherung teilt sich in folgende Leistungsbereicheauf: & Bürgergeld für erwerbsfähige Leistungsberechtigte & Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit dem Erwerbsfähigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben & Mehrbedarfe & Einmalbedarfe & Sonderbedarfe & Leistungen zur Bildung und Teilhabe (Bildungspaket) & Kosten und Unterkunft für Leistungsberechtigte (KdU) & Abweichende Leistungserbringung, dazu gehören – Leistungen bei medizinischer Rehabilitation aus der Rentenversicherung und bei Anspruch auf Verletztengeld nach der Unfallversicherung, – Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen – Leistungen für Auszubildende Diese Leistungen stehen unter dem Vorbehalt der Anrechnung von Einkommen und Vermögen (siehe dazu Kapitel 2). Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind in Kapitel 3 ausführlich beschrieben. Zu den Existenzsicherungsleistungen gehören auch die Kosten für das Wohnen; sie sind in Kapitel 4 beschrieben. Übersicht zu den Leistungsgrundsätzen des SGB II 1 14 www.WALHALLA.de

Mehrbedarfe Bestimmte Personengruppen erhaltenüber die Regelbedarfe hinaus höhere Leistungen nach § 21 SGB II (Mehrbedarfe): Schwangere Mehrbedarf bei Schwangerschaft wird ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, anerkannt. Die Zahlung erfolgt bis zum tatsächlichen Entbindungstermin. Voraussetzung ist, dass die Schwangere erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Die Höhe der Leistung beträgt 17 % der maßgebenden Regelbedarfstufe. Daraus ergibt sich: & bei Regelbedarfsstufe 1 (563 Euro): 95,71 Euro & bei Regelbedarfsstufe 2 (506 Euro): 86,05 Euro & bei Regelbedarfsstufe 3 (451 Euro): 76,67 Euro Alleinerziehende Alleinerziehende können wegen der erhöhten Kosten für die Kindererziehung Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben. Voraussetzung ist, dass das Kind oder die Kinder minderjährig sind und der Alleinerziehende allein für die Pflege und Erziehung sorgt. Es muss also der Fall vorliegen, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft keine andere Person in wirtschaftlicher Hinsicht an der Pflege und Erziehung beteiligt ist. Ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 (563 Euro) wird ein anteiliger Mehrbedarf je nach Anzahl und Alter der Kinder gezahlt: Kinder/Alter Mehrbedarf 12% 24% 36% 48% 60% 1 Kind unter 7 Jahren 202,68E 1Kind über 7 Jahren 67,56E 2 Kinder unter 16 Jahren 202,68E 2Kinder über 16 Jahren 135,12E Mehrbedarfe 3 www.WALHALLA.de 41

Kinder/Alter Mehrbedarf 12% 24% 36% 48% 60% 1 Kind ab 7 Jahren und 1 Kind ab 16 Jahren 135,12E 3Kinder 202,68E 4Kinder 270,27E ab 5Kinder 337,80E Die Berechnungsvorschrift nach § 41 Abs. 2 SGB II wurde bei dieser Übersicht berücksichtigt. Geschiedene oder getrennt lebende Eltern, die sich in zeitlichen Intervallen von mindestens einer Woche bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes abwechseln (gemeinsames Sorgerecht, Umgangsrecht), haben Anspruch auf den hälftigen Mehrbedarf (Urteil des BSG vom 03.03.2009, Az. B 4 AS 50/07 R). Menschen mit Behinderungen Erwerbsfähige Menschen mit Behinderung Es muss eine Behinderung vorliegen. Eine drohende Behinderung reicht nicht aus. Zusätzliche Leistungen werden erbracht, wenn der Behinderte nach § 49 ff. SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitslebenerhält, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Dies können sein: SGB III-Fördermaßnahmen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber etc. Auch Leistungen in Werkstätten für Behinderte (z. B. Arbeitsförderungsgeld) gehören zu diesen Leistungen. Auszubildende mit Behinderung, die eine Maßnahme der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung absolvieren und bei ihren Eltern wohnen, können keinen Mehrbedarf beanspruchen (§ 21 Abs. 4 SGB II). Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts 3 42 www.WALHALLA.de

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