Einführung in den Bevölkerungsschutz Henning Goersch · Andreas Kling (Hrsg.) Kompetent und rechtssicher handeln Walhalla-Fachbuchreihe Band I
WISSEN FÜR DIE PRAXIS • AKTUELL • PRAXISGERECHT • VERSTÄNDLICH Bevölkerungsschutz: Wie geht das? 6WXU]ʴXWHQ 6W¾UPH 6WDUNUHJHQ +LW]H '¾UUH XQG :DOGEU¦QGH 'LH )ROJHQ GHV .OLPDZDQGHOV VLQG LQ 'HXWVFKODQG DQJHNRPPHQ $EHU DXFK ZLUWVFKDIWOLFKH (UHLJQLVVH ZLH ,QʴDWLRQ XQG (QHUJLHNULVHQ GLH ]X 3UREOHPHQ LQ GHU 1DKUXQJV 6WURP *DV XQG OYHUVRUJXQJ GHU %HY¸ONHUXQJ I¾KUHQ XQG PLOLW¦ULVFKH .RQʴLNWH HUK¸KHQ GDV 5LVLNR I¾U .DWDVWURSKHQ XQG WDWV¦FKOLFK HLQWUHWHQGH :RUVW &DVH 6]HQDULHQ JU¸¡HUHQ $XVPD¡HV 'HVKDOE LVW HLQ JXWHU =LYLO XQG .DWDVWURSKHQVFKXW] VR ZLFKWLJ ZLH QLH ]XYRU =LHOJUXSSH GLHVHV %XFKV VLQG GLH 0LWDUEHLWHQGHQ YRQ 9HUZDOWXQJHQ XQG DQGHUHQ ,QVWLWXWLRQHQ XQG 2UJDQLVDWLRQHQ GLH GHQ 7KHPHQEHUHLFK %HY¸ONHUXQJVVFKXW] EHDUEHLWHQ RGHU LP )DOO GHU )¦OOH LQ GHQ .ULVHQVW¦EHQ W¦WLJ VLQG 'DV %XFK GLHQW DOV NRPSDNWHU (LQI¾KUXQJVEDQG HLQHU )DFKEXFKUHLKH GLH VLFK XQWHU GHU JHPHLQVDPHQ .ODPPHU HLQHV ȨNRPSHWHQW XQG UHFKWVVLFKHUHQ +DQGHOQVȦ MHZHLOV VFKZHUSXQNWP¦¡LJ PLW HLQHP 6FKXW]]LHO RGHU HLQHU .DWDVWURSKHQDUW EHIDVVW 'LHVHU %DQG KDW IROJHQGH 6FKZHUSXQNWH • GHU DGPLQLVWUDWLYH $XIEDX GHV %HY¸ONHUXQJVVFKXW]HV LQ 'HXWVFKODQG • UHFKWOLFKH $VSHNWH GHV %HY¸ONHUXQJVVFKXW]HV XQG GHU *HIDKUHQDEZHKU *UXQGODJHQ GHV 5HWWXQJVGLHQVWUHFKWV GHV %UDQGVFKXW]UHFKWV GHV =LYLO XQG .DWDVWURSKHQVFKXW- ]HV VRZLH EXQGHVO¦QGHU¾EHUJUHLIHQGH /DJHQ GDV 9HUJDEHUHFKW XQG YLHOHV PHKU • 3ODQHQ I¾U GDV 8QYRUKHUVHKEDUH 5LVLNR .ULVHQ XQG .RQWLQXLW¦WVPDQDJHPHQW sowie • EHK¸UGOLFKHV .ULVHQPDQDJHPHQW LQ GHU 3UD[LV (LQ]LJDUWLJ PDFKHQ GLHVHV 3UD[LV +DQGEXFK GDU¾EHU KLQDXV YLHOH 7KHPHQ I¾U GLH HV NDXP IUHL ]XJ¦QJOLFKH /LWHUDWXU JLEW =X QHQQHQ VLQG KLHU EHLVSLHOKDIW GDV 9HUJDEHUHFKW LP .DWDVWURSKHQIDOO RGHU GLH 8QWHUVXFKXQJ GHU UHDOHQ (LQVDW]ZHUWH YRQ Einheiten. Die Autorinnen und Autoren: -HQV YRQ GHQ %HUNHQ 'U 6LPRQ '¸UUHQEDFKHU (LNH +HLQULFK 'XKPH 'LUN )DKUODQG 3URI 'U +HQQLQJ *RHUVFK $QGUHDV .OLQJ 'U 0DULD 5HEHFFD /HJDW +DQQV 5RHVEHUJ 3KLOLSS 6LQJOHU 0RULW] :DWHUPDQQ %HQHGLNW :HEHU ISBN 978-3-8029-6199-1 ȵ >'@ www.WALHALLA.de
Schnellübersicht 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Vorwort 13 Einführung in das deutsche Bevölkerungsschutzsystem 21 Rechtliche Betrachtung von Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz 49 Risiko-, Krisen- und Kontinuitätsmanagement – Planen für das Unvorhersehbare 209 Behördliches Krisenmanagement 245 Strategischer, taktischer und operativer Einsatzwert im Bevölkerungsschutz 289 Abkürzungsverzeichnis 317 Abbildungsverzeichnis 321 Autorinnen und Autoren 323 Stichwortverzeichnis 327
Vorwort 14 www.WALHALLA.de Vorwort Einführung in das Fachbuch Als wir mit der Planung und Vorbereitung dieses Fachbuchs begannen, war in keiner Weise vorstellbar, wie dringend ein solches Werk benötigt werden würde. Eine weltweite Pandemie war ebenso wenig in Sicht wie eine Flutkatastrophe in Deutschland mit über 180 Toten, ein Krieg in Europa, eine Gasmangellage, eine Erdbebenkatastrophe im Süden der Türkei und in Nordsyrien, verheerende Waldbrände in Griechenland, Starkregen in Slowenien oder Überschwemmungen in Niedersachen. Und trotzdem hatten wir uns vor diesen Ereignissen dazu entschieden, eine andere Art des Fachbuchs zum Bevölkerungsschutz gemeinsam mit anderen Autorinnen und Autoren umzusetzen. Erstens ist es eine grundlegende Erkenntnis des Katastrophenmanagements, dass Vorbereitungen und Planungen unabhängig von konkreten, sich abzeichnenden Schadenslagen getroffen werden müssen. Zweitens sahen wir den Bedarf an einem Fachbuch, das weder aus unzusammenhängenden Beiträgen besteht, noch zum wiederholten Male dieselben Organisationen und Strukturen in voller Tiefe vorstellt. Das vorliegende Fachbuch ist daher deutlich anders gestaltet: Der Fokus liegt auf dem Handeln innerhalb des Katastrophenmanagements. Wir haben versucht, zusammen mit den Autorinnen und Autoren ein praxisnahes Buch zu schreiben, das gleichzeitig großen Wert auf die Rechtssicherheit legt. Weiterhin haben wir sehr stark quellenbasiert gearbeitet, um unsere Informationen abzusichern, die Literatur offenzulegen und auch weitere Recherchen zu ermöglichen. Dazu verweisen Endnoten auf die Quellenangaben am Ende eines jeden Kapitels. An vielen Stellen des Fachbuchs haben wir mit Grafiken und Schemata gearbeitet, um Prozesse und Zusammenhänge zu verdeutlichen und – auch in einer Schadenslage – einen schnellen Transfer in die Praxis zu ermöglichen. Den Praxistransfer unterstützen auch verschiedene Checklisten und Praxis-Tipps. Einzigartig machen das Buch darüber hinaus viele Themen, für die es aktuell kaum frei zugängliche Literatur gibt. Zu nennen sind
Einführung in das Fachbuch 15 www.WALHALLA.de hier beispielhaft das Beschaffungswesen im Katastrophenfall (Kap. 2.9) oder die Untersuchung der realen Einsatzwerte von Einheiten (Kap. 5). Im ersten Kapitel werden einige theoretische Grundlagen gelegt und eine allgemeine strukturelle Übersicht zur Gefahrenabwehr und zum Bevölkerungsschutz in Deutschland sowie Europa gegeben. Dies wird im zweiten Kapitel um eine aktuelle und ausführliche rechtliche Darstellung ergänzt, die für ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige weitgehende Rechtssicherheit herstellen soll. Im dritten Kapitel tritt das Fachbuch in das eigentliche Katastrophenmanagement ein. Zunächst wird hier das Risikomanagement im Sinne der Katastrophenvorsorge praxisnah behandelt. Das vierte Kapitel beschreibt dann das reaktive Katastrophenmanagement. Mit dem fünften Kapitel schließt das Fachbuch, in dem übergreifende Aspekte der Qualitätssicherung im Bevölkerungsschutz und in der Gefahrenabwehr, vor allem zum Einsatzwert von Einheiten, vorgestellt werden. Unser Wunsch ist es, mit diesem Fachbuch einen Beitrag zu einem verbesserten, zu einem mutigeren Katastrophenmanagement zu leisten, denn wie wir in den letzten Jahren erfahren mussten, machen Katastrophen nicht an den deutschen Grenzen halt. Daher ist dieses Buch auch nur der Grundstein für eine Fachbuchreihe, die mit den Jahren alle Aspekte eines modernen Bevölkerungsschutzes unter dem Motto der Reihe „Rechtssicher handeln“ aufgreifen möchte. Im Rahmen des nun vorliegenden ersten Bandes konnten nicht alle Themen entsprechend ausführlich aufgegriffen werden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Umfang jedes Bandes bewusst begrenzt ist. Alle Leserinnen und Leser möchten Verlag und Herausgeber an dieser Stelle ermuntern, Vorschläge für weitere Themen der Fachbuchreihe zu machen. Last, but not least möchten wir uns auch im Namen aller Autorinnen und Autoren bei denjenigen bedanken, die auf vielerlei Art zum Gelingen dieses Buchs beigetragen haben. Unser besonderer Dank geht an Wolfgang Stark und Julius Ballé, aber auch an die Mitarbeitenden des Walhalla Fachverlags, die uns immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Prof. Dr. Henning G. Goersch, Andreas Kling
Vorwort 16 www.WALHALLA.de Grußwort Landrat Stefan Sternberg Sehr geehrte Leserinnen und Leser, 13.3.2020, 15.10.2021, 25.11.2021 … Alles Daten, die aus der Erinnerung nicht mehr verschwinden werden. Alles Daten, aus denen Situationen entstanden sind. Alles Daten, hinter denen Ereignisse stehen, für die es keine Blaupausen gibt: Coronapandemie, Cyberangriff, Afrikanische Schweinepest. Drei Krisen, drei Lagen – und alle in nur einem einzigen Landkreis, abgesehen von der Coronapandemie, die uns alle weltweit beschäftigte. Der Amerikaner Benjamin Franklin sagte einst: „Wer sich nicht vorbereitet, bereitet sein Scheitern vor.“ Dieses Zitat kann auch für den Bevölkerungsschutz kaum zutreffender sein, um den es in dem Handbuch „Kompetent und rechtssicher handeln – Einführung in den Bevölkerungsschutz“ gehen soll. Per Gesetz ist ein Landkreis beziehungsweise eine Stadt für die Abwehr von Gefahren und Katastrophen als untere Katastrophenschutzbehörde zuständig. So regelt es das Landeskatastrophenschutzgesetz von MecklenburgVorpommern. Doch was bedeutet dies für Kommunen? Für Landkreise? Für Landrätinnen und Landräte, für Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister? Institutionen und Personen stehen nicht allein vor der Aufgabe des Katastrophen-, des Bevölkerungsschutzes. Dahinter steht eine gesamte Verwaltung. Eine Struktur. Ein ganzes Team. Dahinter stehen Menschen wie Sie, die Mitglieder unter anderem im Katastrophenschutzstab eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt sind. Denn ohne dieses Team um einen herum – das haben mich die Erfahrungen vergangener Krisen gelehrt – funktioniert Katastrophenschutz eben nicht. Es braucht ein verlässliches Team. Es braucht Kolleginnen und Kollegen in den Sachgebieten eines Katastrophenschutzstabes, in denen sie ihre Stärken einbringen können. Was bedeutet Bevölkerungsschutz eigentlich genau? Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat definiert Bevölkerungsschutz folgendermaßen: „Der Begriff Bevölkerungsschutz bezeichnet zusammenfassend alle Aufgaben und Maßnahmen des Bundes im Zivilschutz sowie die Aufgaben und Maßnahmen der Kommunen und Länder im Katastrophenschutz.“ Das heißt, dass der Bevölkerungsschutz nicht in nur einer Hand liegt, sondern eine – wer es so nennen will – Teamaufgabe des Bundes, der Länder und der
Grußwort Landrat Stefan Sternberg 17 www.WALHALLA.de Kommunen ist. Ganz im Sinne der eidgenössischen Bündnispolitik „Einer für alle, alle für einen“. Auf diesem Grundsatz beruht bis heute das Solidaritätsprinzip des Deutschen Roten Kreuzes – unter anderem einem wichtigen Partner an der Seite unseres Landkreises im Katastrophenschutz, in der Gefahrenabwehr, vor allem in der Hilfeleistung. Alle Kolleginnen und Kollegen, die im Bevölkerungsschutz tätig sind, müssen sich vergegenwärtigen, dass die Maßnahmen und Aufgaben einzig und allein dem Schutz der Bürgerinnen und Bürgern dienen. Das ist die Aufgabe. Vor allem die Erfahrungen aus dem Waldbrand 2019 in Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim haben gezeigt, wie wichtig das Team im Hintergrund ist. Strukturen, auf die der Krisenmanager – Landrat oder Oberbürgermeister – zurückgreifen kann, wenn es im wahrsten Sinne des Wortes wie bei Lübtheen brenzlig wird. Einsatz von Hubschraubern und Räumpanzern, Auslösung des Katastrophenalarms, Entscheidungen über Evakuierungen ganzer Ortschaften … Doch was braucht es, damit das Team gut arbeiten kann? Neben verlässlichen Strukturen vor allem eine gemeinsame Grundlage. Das war unsere Lehre, die wir im Landkreis Ludwigslust-Parchim aus dem größten Waldbrand in der Nachkriegsgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns gezogen haben: eine neue Stabsdienstordnung. Auch wenn es keine sogenannten Blaupausen für Krisen gibt, gibt es die Möglichkeit der Vorbereitung. Dazu zählt unter anderem eine Stabsdienstordnung, die für die Mitglieder im Katastrophenschutzstab als Dienstanweisung gilt. Mit der neuen Stabsdienstordnung des Landkreises LudwigslustParchim haben wir nicht nur mit veralteten Strukturen aufgeräumt, sondern auch Lücken geschlossen. Doch vor allem haben wir eines gemacht: Wir sprechen fortan in der Abwehr von Gefahren und Katastrophen auf allen Ebenen eine Sprache. Damit bauen wir Barrieren ab. Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen wie dem THW, dem DRK, den Freiwilligen Feuerwehren und sogar der Bundeswehr erfordern einheitliche Strukturen, einheitliche Begriffe. Neben weniger Barrieren braucht es darüber hinaus noch etwas Entscheidendes: ein Teamgefühl, ein Miteinander. Deshalb haben wir im Landkreis das „Modell LUP“ entwickelt und setzen es bereits erfolgreich um.
Vorwort 18 www.WALHALLA.de Unser „Modell LUP“ bedeutet: Katastrophenabwehr und Bevölkerungsschutz auf Augenhöhe – miteinander. Wir weichen mit unserer Stabsdienstordnung bewusst vom Standard ab, weil uns die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben, dass ein Miteinander zielführender ist. Hinter dem „Modell LUP“ verbirgt sich die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt auf Augenhöhe – miteinander, nicht nebeneinander. Nicht jeder für sich, sondern alle miteinander. Eben: „Einer für alle, alle für einen.“ Dabei werden ehrenamtliche Kräfte von Verwaltungsmitarbeitern aus dem Katastrophenschutzstab der Kreisverwaltung unterstützt. Die Gefahrenabwehr erfolgt Hand in Hand. Das ermöglicht uns – und dies war unsere eigene Aufgabenstellung – im Fall einer flächendeckenden Krise sowie zwei unabhängig auftretenden Schadensereignissen, diese alle zeitgleich abarbeiten zu können. Denn Hauptamt stärkt Ehrenamt. Mit dem „Modell LUP“ wird dies möglich. Da bei mehreren Großschadensereignissen die operativ-taktische Komponente (das Ehrenamt) schnell an seine personellen und materiellen Kapazitätsgrenzen stoßen kann, kann ein Landrat beziehungsweise Oberbürgermeister den Katastrophenschutzstab einberufen. Unterstützt wird das Ehrenamt (die operativ-taktische Komponente) dann durch die administrativ-organisatorische Komponente. Der Katastrophenstab kümmert sich um das Administrative – um mehr Technik, um mehr Personal. Neben Stabsdienstordnungen, Gefährdungsanalysen, Satzungen und Verordnungen sowie Gesetzen benötigt es aber noch etwas Entscheidendes: ein gutes Netzwerk. „Köpfe kennen“ lautet im Landkreis Ludwigslust-Parchim das Motto. Deshalb hat sich das Netzwerk „Blaulicht vereint“ gegründet. Regelmäßig treffen sich alle Blaulichtorganisationen des Landkreises; unter anderem zum Blaulichttag, der erstmalig 2022 stattgefunden hat, um den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, welche Aufgaben welche Organisationen haben. Ein Blick hinter die Kulissen sozusagen. Neben den hauptamtlichen Akteuren wie Verwaltung, Polizei, Bundeswehr und Rettungsdienst gehören diesem Netzwerk vor allem Organisationen des Ehrenamtes an: ASB, DRK, THW, Freiwillige Feuerwehren, Medical Task Force und Psychosoziale Notversorgung. Im April 2023 folgte auf den Blaulichttag ein erstes Blaulichtsymposium. Weitere werden folgen, um den Austausch untereinander zu verstetigen. Im Einsatz, auch das lehrten uns vergangene Ereignisse, bleibt keine Zeit für den Austausch. Dann kommt es auf schnelle Entscheidungen
Grußwort Landrat Stefan Sternberg 19 www.WALHALLA.de an, um „vor die Lage zu kommen“, dann kommt es auf ein funktionierendes Zahnrad an, damit Leib und Leben gerettet werden können. Pandemien, Naturkatastrophen, Großschadensereignisse … Krisen und Katastrophen wird es immer geben. Die Frage ist nur: Wann treten sie ein? Deshalb ist eine Vorbereitung von immenser Bedeutung – ganz im Sinne von Benjamin Franklin: „Wer sich nicht vorbereitet, bereitet sein Scheitern vor.“ Deshalb appelliere ich an alle Kolleginnen und Kollegen im Bevölkerungsschutz: Nehmt euch dieser Thematik an! Auch ich hätte diesen Fokus nicht gehabt, wenn es den Waldbrand nicht gegeben hätte. Umso wichtiger ist es im Nachhinein, nicht nachzulassen. Unsere neue Stabsdienstordnung ist ein lebendiges Dokument. Es kann immer wieder angepasst werden. Zu guter Letzt: Neben all dem Schriftlichen wie den Satzungen und Verordnungen braucht es auch Weiterbildungen, Workshops und Stabsrahmenübungen. All das braucht es, um für den Bevölkerungsschutz gewappnet zu sein. Denn letztendlich kommt es auf ein funktionierendes Team im Bevölkerungsschutz an. Auf Kolleginnen und Kollegen mit ihren Stärken. Auf Kolleginnen und Kollegen wie Sie, die bereit sind, in der Krise eine Gelegenheit zum Wachsen zu erkennen. So sehen es nämlich die Japaner: Das Schriftzeichen für Krise beinhaltet dasselbe Zeichen „ji“, das es auch im Schriftzeichen für Chance gibt. Es bedeutet Gelegenheit. Liebe Leserinnen und Leser, nutzen Sie die Gelegenheit und lesen Sie dieses Handbuch. Es bietet Ihnen die Möglichkeit, sich in einem ersten Schritt vorzubereiten. Damit steht und fällt ein möglicher Einsatz im Bevölkerungsschutz. Herzlichst Stefan Sternberg Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim
1.2 Internationale Zusammenarbeit 35 www.WALHALLA.de 1 Abb. 1: System des Krisenmanagements in Deutschland Sondertreffen Kabinett mit den Regierungschefs der Länder Sondersitzungen des Kabinetts Landkreise NKM Ministerium für ... Krisenstab federführendes Ressort (z. B. Bundesministerium des Innern) Interministerielle Koordinierungsgruppe des Bundes und der Länder Bundesministerium für/der ... RKM Sonderkabinettsitzung federführendes Ministerium (z. B. Innenministerium) Interministerielle Koordinierung des Landes Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium für Verkehr Ministerium für Gesundheit Ministerium für Verkehr Regierungspräsidium NKM = Nationales Krisenmanagement RKM = Ressort Krisenmanagement LKM = Länder Krisenmanagement Länderübergreifende Lage LKM Quelle: BMI 1.2 Internationale Zusammenarbeit 1.2.1 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Es kann immer Situationen geben, in denen die Kapazitäten eines Landes nicht ausreichen, um die Folgen einer Katastrophe adäquat zu bewältigen. Oder es ist aus logistischen oder zeitlichen Gründen sinnvoller, aus grenznahen Regionen der Nachbarländer Personal oder Material heranzuführen. Daher hat Deutschland mit all seinen Anrainerstaaten entsprechende bilaterale Abkommen geschlossen.
1. Goersch / Kling, Einführung in das deutsche Bevölkerungsschutzsystem 36 www.WALHALLA.de 1 Weitere bilaterale Abkommen gibt es zudem noch mit Litauen, Ungarn und Russland. Allerdings kann zu diesen Verträgen festgestellt werden, dass sie wenig praktische Relevanz haben. Für Russland ist dies in der aktuellen geopolitischen Lage begründet. Für den Vertrag mit Litauen hingegen ergibt sich die geringe praktische Relevanz daraus, dass mögliche Kooperationen zwischen Deutschland und Litauen heutzutage mehr über den EU-Katastrophenschutzmechanismus geregelt und koordiniert werden. Gleiches gilt de facto auch für die EU-Nachbarstaaten und selbst die Schweiz als Nicht-EU-Land ist in diesen Katastrophenschutzmechanismus eingebunden. Neben diesen Verträgen auf Staatenebene gibt es auch vereinzelt Vereinbarungen auf unteren Verwaltungsebenen. So hat z. B. die Oberrheinkonferenz, die aus den Anrainerstaaten Deutschland, Frankreich und der Schweiz gebildet wird, eine Arbeitsgruppe gebildet, um die Zusammenarbeit im Rettungsdienstbereich im Fall eines MANV zu stärken. Als ein anderes Beispiel von vielen kann die Vereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Katastrophenschutz genannt werden. 1.2.2 Europäische Zusammenarbeit Als Herz der Europäischen Zusammenarbeit für den Bereich Bevölkerungsschutz (Civil Protection) kann das Europäische Katastrophenschutzverfahren, manchmal auch Unionsverfahren genannt, gesehen werden. Das Verfahren zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und weiteren sechs teilnehmenden Staaten (Schweiz, Island, Norwegen, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro und Türkei) im Bereich des Katastrophenschutzes zu stärken. Wenn eine Katastrophe die Bewältigungskapazitäten eines Landes in Europa überfordert (vgl. Katastrophenkriterium 1), kann das betroffene Land über das Verfahren Unterstützung anfordern. Eine solche Hilfeleistungsanforderung läuft dann folgendermaßen ab: Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) im BBK fungiert als nationale Kontaktstelle für das Europäische Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre (ERCC)) in Brüssel.
1.2 Internationale Zusammenarbeit 37 www.WALHALLA.de 1 Von dort wird das Hilfeersuchen einer deutschen Behörde an die Mitgliedsländer weitergeleitet. Beide Lagezentren sind ganzjährig 24 Stunden am Tag besetzt. Darüber hinaus kann die EU durch Satellitenkarten, die vom Copernicus-Katastrophen- und Krisenmanagementdienst erstellt werden, unterstützen. Hilfeangebote anderer Länder würden ebenso über den Meldeweg Nationales Lagezentrum – ERCC – GMLZ an die Stäbe und Behörden vor Ort zurück übermittelt werden. Die EU-Mitgliedstaaten und die teilnehmenden Staaten können eigene, nationale Einheiten für den Europäischen Katastrophenschutzpool bereitstellen. Dieser Pool ermöglicht eine bessere Planung und Koordinierung der Reaktionskapazitäten auf europäischer Ebene, damit so eine schnellere und zuverlässigere Reaktion der EU auf Katastrophen sichergestellt wird. Man kann sagen, dass der Pool das Rückgrat des EU-Katastrophenschutzverfahrens bildet. Mit regelmäßigen gemeinsamen Übungen und ständigem Erfahrungsaustausch werden die Fähigkeiten der nationalen Fachleute und ihre Einsatzressourcen erprobt und getestet. Das THW stellt beispielsweise das Hochleistungspumpenmodul und mit der SchnellEinsatz-Einheit Wasser Ausland ein Trinkwasseraufbereitungsmodul für diesen Pool. Als weiteren Bestandteil des Verfahrens hat die EU im Jahr 2020 eine europäische Reserve zusätzlicher Kapazitäten eingerichtet. Diese „rescEU“ genannte Reserve umfasst angemietete Löschflugzeuge und Hubschrauber sowie medizinische Ausrüstung. Das Jahr 2020 war, bedingt durch die Coronapandemie, ein Wendepunkt für einen gemeinsamen europäischen Katastrophenschutz. Wurde in den Jahren 2007 bis 2019 das Verfahren im Durchschnitt ca. 20-mal pro Jahr aktiviert, so waren es in den Jahren 2020 und 2021 über 100 Aktivierungen pro Jahr. Der Krieg in der Ukraine ist ein weiterer „Gamechanger“, was den europäischen Katastrophen- und Zivilschutz betrifft. 1.2.3 D ie Zusammenarbeit mit der NATO Aufgrund der Tatsache, dass die NATO (North Atlantic Treaty Organization, Nordatlantikpakt-Organisation) ein Verteidigungsbündnis ist, liegt der Schwerpunkt der Zusammenarbeit natürlich eher im Zivil- als im Katastrophenschutz. So müssen die Vorgaben der NATO-Baseline-Requirements in den deutschen Planungen für die
1. Goersch / Kling, Einführung in das deutsche Bevölkerungsschutzsystem 38 www.WALHALLA.de 1 Zivilverteidigung (Konzeption Zivile Verteidigung) berücksichtigt werden. Das BBK beteiligt sich in Abstimmung mit dem BMI an Komiteesitzungen wie dem Civil Emergency Planning Committee oder auf Deutsch: Ausschuss für zivile Notfallplanung, quasi die oberste Arbeitsebene der NATO, wenn es um Zivilschutz geht. Deren Aufgaben sind es hauptsächlich, die Bevölkerung und kritische Infrastrukturen im Kriegsfall zu schützen sowie die Streitkräfte durch den zivilen Sektor zu unterstützen. Daneben übernimmt die NATO über diesen Ausschuss auch weitere Hilfeleistungen im Bereich der humanitären Auslandshilfe und bei Naturkatastrophen. Prominentestes Beispiel aus der deutschen Perspektive ist sicher die Hamburger Sturmflut im Jahr 1962, als der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt als Polizeisenator und oberster Krisenmanager Unterstützung anforderte. 1.2.4 Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen Um die internationale Zusammenarbeit im Zivil- und Katastrophenschutz zu vervollständigen, sollte man auch die Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) betrachten. Hierzu kann festgestellt werden, dass diese Zusammenarbeit zumeist unter dem Obergriff der Humanitären Hilfe erfolgt. Das Auswärtige Amt versteht unter Humanitärer Hilfe die Unterstützung von Menschen, die sich aufgrund von Krisen, Konflikten oder Naturkatastrophen in einer akuten Notlage befinden und diese aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Innerhalb der Bundesregierung ist das Auswärtige Amt für die humanitäre Hilfe zuständig, das sich dabei auf die humanitären Prinzipien beruft. Diese wiederum beruhen auf dem humanitären Völkerrecht und den Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Es sprengt den Rahmen dieses Kapitels, alle grundlegenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Bevölkerungsschutz und humanitärer Hilfe zu erläutern. Grundsätzlich und sehr allgemein gesagt ist es Aufgabe des nationalen Bevölkerungsschutzes, den Menschen in Not in Deutschland (und den Mitgliedsländern der EU) in Kriegen und Katastrophen zu helfen, während humanitäre Hilfe die Unterstützung von Menschen außerhalb Europas, zumeist auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent, zum Ziel hat. Deutschland tritt dabei als Geberland von finanziellen Mitteln und
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