Personalmanagement in der Sozialwirtschaft

/ # 0 # ) ' / ' 0 6 5 1 < + # . ' 5 ) ' 5 7 0 & * ' + 6 $.#7' R E I HE Jochen Ribbeck PERSONAL- MANAGEMENT IN DER SOZIALWIRTSCHAFT Theoretische und methodische Grundlagen PGW DGCTDGKVGVG #WƃCIG

www.fokus-sozialmanagement.de Prof. Dr. Jochen Ribbeck lehrt Sozialmanagement an der Katholischen Stiftungshochschule München. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Personal- und Qualitätsmanagement. Vor seiner Berufung war Jochen Ribbeck in der Kinder- und Jugendhilfe tätig, 16 Jahre davon in leitender Funktion. Personalmanagement für die Sozialwirtschaft &CU KP FGT #WƃCIG XQNNUVÀPFKI ØDGTCTDGKVGVG .GJTDWEJ IKDV GKPGP HWPFKGTVGP Überblick über die theoretischen und methodischen Grundlagen des Personalmanagements in der Sozialwirtschaft. Zusammenhänge werden verständlich erläutert, aktuelle Themenfelder und künftige Herausforderungen beleuchtet und diskutiert. Mit Employee Experience/Employee Journey wurde ein neues Themenfeld aufgenommen, das einen hohen praktischen Nutzen für die Personalarbeit in sozialen Organisationen und Unternehmen verspricht. Inhalte: Q Grundlagen: Begriffe, Strukturen, rechtliche Rahmenbedingungen Q Führungsethik, Organisationskultur Q Strategisches Personalmanagement, Strategiemodelle Q Personalcontrolling, HR-Scorecard Q Employee Experience, Employer Journey, Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung, Employer Branding, Personalmarketing Q Personalauswahl, Onboarding, Commitment, Personaleinsatz/Arbeitsgestaltung Q 2GTUQPCNGPVYKEMNWPI .GKUVWPIUDGWTVGKNWPI Q Personalfreisetzung, Outplacement Q Aspekte des normativen Personalmanagement: Führungsethik, Corporate Governance, Organisationskultur Die Publikation richtet sich an Studierende des Sozialmanagements und des PerUQPCNOCPCIGOGPVU FKG KJTG DGTWƃKEJG <WMWPHV DGK GKPGO 5Q\KCNWPVGTPGJOGP einer sozialen Einrichtung oder einem sozialen Träger planen sowie an Praktikerinnen und Praktiker aus der Sozialwirtschaft, die mit den Themen Personal, Personalmanagement und Human Resources befasst sind. Ideal auch für die Fort- und Weiterbildung. ISBN 978-3-8029-5428-3 € 37,95 [D] € 39,10 [A]

16 www.WALHALLA.de Vorwort zur 2. Auflage Vorwort zur 2. Auflage Für die Überarbeitung der 1. Auflage „Personalmanagement in Sozialunternehmen“ waren zwei Überlegungen maßgebend. Es sollten neue Entwicklungen und Diskursfelder im Personalmanagement eingearbeitet und zudem inhaltliche und konzeptionelle Verbesserungen vorgenommen werden. Die Grundidee des Buches, eine fundierte Einführung ins Personalmanagement sozialer Organisationen zu verfassen, wurde beibehalten. Einführung bedeutet, dass alle wesentlichen thematischen Aspekte dargestellt werden. Fundiert bedeutet, dass die Auswahl der Inhalte sowohl praxisrelevant als auch wissenschaftlich hinterlegt sein sollte. Durch den Einsatz des Buches in der Lehre an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wurde mir klar, dass die Inhalte trotz des weiterhin akademischen Anspruchs praxisbezogener vermittelt werden sollten. Dies wurde dadurch eingelöst, dass in der überarbeiteten Ausgabe nun Themenfelder und Herausforderungen beschrieben werden, die für das Personalmanagement in der Sozialwirtschaft aktuell und in Zukunft von Bedeutung sind. Zudem wurden die einzelnen thematischen Aspekte nicht streng theoretisch, sondern primär entlang des praktischen Nutzens gegliedert. So wird etwa der Abschnitt Employer Branding nicht mehr separat als Querschnittsfunktion dargestellt, sondern in den Themenbereich Personalgewinnung und Onboarding integriert. Mit Employee Experience/Employee Journey wurde ein neues Themenfeld aufgenommen. Employee Experience wird als übergreifendes Konzept der Prozessgestaltung im Personalmanagement aktuell stark rezipiert und diskutiert. Das Konzept ist wissenschaftlich noch wenig untersucht, aber konzeptionell überzeugend. Zudem verspricht es einen hohen praktischen Nutzen für die Personalarbeit. Für die Überarbeitung stellte sich grundlegend die Frage, inwieweit es sinnvoll und möglich wäre, bestimmte Themen, die heute im Personalmanagement diskutiert werden, auch in Form eines eigenen thematischen Abschnitts aufzugreifen. Gemeint sind Themen wie Diversitätsmanagement, Intergenerationenmanagement, Talentmanagement oder die weite Thematik von Digitalisierung, KI und Robotik. Die Entscheidung, diese Themen erneut nicht eigenständig darzustellen, liegt zunächst im begrenzten Umfang des Lehrbuchs begründet. Der wesentliche Grund aber ist, weiterhin die Idee eines einführenden Lehrbuchs in den Vordergrund zu stellen. Durch Entwicklungen wie etwa die Digitalisierung entstehen zumindest momentan (noch) keine grundlegend neuen Aufgaben- oder Funktionsfelder im Personalmanagement. Die Herausforderungen werden aber beschrieben und es wird auf notwendige Lösungen an unterschiedlichen Stellen hingewiesen. Gestrichen wurde das Kapitel Personalführung. Natürlich lassen sich Personalaufgaben und Führungshandeln nicht trennen. Auch tangieren manche Entwicklungen wie New Work und Agilität auch Fragen der Führung. Aber im Rahmen einer Einführung ins Personalmanagement, die primär unterschiedliche Funktionen darstellt, können diese Themen nicht angemessen abgebildet werden. Jochen Ribbeck, München im Januar 2025

1. Grundlagen des Personalmanagements 17 www.WALHALLA.de 1. Grundlagen des Personalmanagements Das erste Kapitel beschreibt die Grundlagen des Personalmanagements. Ein Blick auf die Anfänge und die schrittweise Entwicklung des Personalmanagements bis heute zeigt zunächst die zentralen Anforderungen an diese Managementfunktion und ermöglicht eine personaltheoretische Einordnung. Es werden dann zentrale Begriffe geklärt und die Besonderheiten des Personalmanagements in sozialwirtschaftlichen Organisa- tionen dargestellt. Die Erläuterung der Ziele und Aufgaben des Personalmanagements bildet den konzeptionellen Rahmen der Ausführungen in den folgenden Kapiteln. Schließlich werden die personalrechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. 1.1 Entwicklung des Personalmanagements und personaltheoretische Einordnung Zentrale Anforderungen an das Personalmanagement von heute sind vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Personalarbeit als betriebliche Funktion zu verstehen. Die systematische Auseinandersetzung mit Fragen von Arbeit und Personal begann im Kontext der Industrialisierung ab dem Ende des 18. Jahrhunderts. Angetrieben durch technische Erfindungen entwickelten sich immer größere und komplexere Organisa- tionsstrukturen. Diese Entwicklungen führten wiederum zu Veränderungen in der Personalarbeit. Ab einer gewissen Betriebsgröße wurde es notwendig, Personaleinsatz systematisch zu organisieren und Menschen für die maschinelle Arbeit zu qualifizieren. Maßgebend waren jedoch noch ausschließlich Kriterien der „ökonomischer Effizienz“ (Klimecki & Gmür, 2005, S. 3). Neben den neuen betriebswirtschaftlichen Anforderungen führten die sozialen Folgen der Industrialisierung auch zu einem neuen Bewusstsein für Personalfragen jenseits einer ökonomischen Betrachtung. Die Arbeitsbedingungen in den Betrieben waren durch massive psychische und physische Belastungen, niedrigste Löhne und extreme Arbeitszeiten geprägt. Hinzu kamen elende Wohnsituationen und Kinderarbeit. Die aufkommende ‚soziale Frage‘ richtete den Blick auf die Lebensbedingungen der Arbeitenden bzw. notwendige Verbesserungen. Gerade bei wohlhabenden Unternehmensleitungen entwickelte sich sukzessive ein Bewusstsein für die drastischen Lebensverhältnisse und der Impuls, die Situation der Arbeitenden zu verbessern, etwa durch eine höhere Lohngestaltung oder die Errichtung von Werkswohnungen (vgl. Klimecki & Gmür, 2005, S. 9). Maßgeblich für diesen Bewusstseinswandel waren auch die Einflüsse der Katholischen Soziallehre1 und die beginnende politische Organisation der Arbeitnehmenden2 in dieser Zeit. Dieses verstärkte soziale Bewusstsein und Engagement von Unternehmen bzw. einzelnen Unternehmerpersönlichkeiten wird als Welfare Bewegung bezeichnet. Die Welfare 1 Gemeint sind ideelle Einflüsse der Katholischen Soziallehre und die Vorstellung eines patriarchalischen Unternehmers, der sich seiner Fürsorgepflichten verantwortlich zeigt – ganz im Kontrast zu der gleichzeitig verbreiteten calvinistischen Haltung. 2 Arbeitnehmende begannen, sich im Sinne politscher Interessensgemeinschaften zu formieren. So wurde etwa 1863 der Allgemeine deutsche Arbeiterverein gegründet, 1869 die Sozialdemokratische Arbeitspartei. Komplexere Organisations- strukturen erfordern systematische Personalarbeit Aufkommen der ‚sozialen Frage‘ Welfare Bewegung

1.1 Entwicklung des Personalmanagements und personaltheoretische Einordnung 18 www.WALHALLA.de Bewegung entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und kann als Nährboden und Kern der Personallehre von heute verstanden werden (vgl. ebd.). Das Spannungsfeld zwischen ökonomischer Effizienz und Humanität, das sich im Zuge der Industrialisierung herauskristallisierte, prägt das Personalmanagement bis heute. Differenzierte Ausführungen zur Entwicklung des Personalmanagements finden sich bei Scholz (2014, S. 47 ff.). Eine systematische und vollständige historische Analyse der wissenschaftlichen und theoretischen Entwicklung einer Personallehre in Deutschland fehlt jedoch bislang (vgl. Oechsler/Paul, 2019, S. 1). Insbesondere scheint es kaum möglich, die wechselseitigen Einflüsse zwischen Personalpraxis, Forschung und akademischer Lehre genau aufzuzeigen (Klimecki/Gmür, 2005, S. 35). Im Kontext dieser Publikation sollen daher – ohne Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit – in größeren Zügen markante Entwicklungslinien beschrieben werden. Dabei werden insbesondere Einflüsse zeitlich früherer US-amerikanischer Entwicklungen verdeutlicht. Nach Darstellung von Klimecki und Gmür sind in den USA drei „unterschiedliche Denkschulen“ für die Entwicklung einer systematischen Personallehre prägend (vgl. Klimecki & Gmür, 2005, S. 10ff.): Die wissenschaftliche Betriebsführung (Taylor), die angewandte Psychologie (Münsterberg) und die Human-Relations-Bewegung (Mayo). Taylor (1911) versuchte, durch Anwendung arbeitswissenschaftlicher Methoden die Produktivität zu steigern. Er führte Arbeits- und Zeitstudien durch, entwickelte zielgerichtete Personalschulungen sowie leistungsorientierte Lohnsysteme und trennte aus- führende und dispositive Aufgaben. Er wollte durch die systematische Einführung effizienter Strukturen und Prozesse aber nicht nur die Produktivität des Unternehmens steigern, sondern darüber hinaus auch Lohnverbesserungen erreichen. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Taylor ein rein technisches Managementverständnis hatte. Es ging ihm ausschließlich um Produktivität und Effizienz. Humane Aspekte der Arbeitsgestaltung stellten für ihn keinen Wert dar. Münsterberg gilt gemeinhin als Wegbereiter der angewandten Psychologie bzw. Psychotechnik (1912) und Begründer der Wirtschaftspsychologie (1914). Anfang des 20. Jahrhunderts (vgl. Marcus, 2011, S. 30; Nerdinger F. W., 2014a, S. 20). Der Begriff der Psychotechnik, der auf William Stern zurückgeht, bezeichnet „die Anwendung psychologischer Konzepte zur Optimierung der Arbeitstätigkeit und Arbeitsmittel… Aufgaben der Psychotechnik betreffen vor allem wirtschaftliche Fragen, bei denen psychische Arbeit verrichtet wird und die wesentlich von psychischen Prozessen beeinflusst werden“ (Kauffeld, 2014, S. 19). Münsterbergs Forschungen galten in besonderer Weise Fragen der Berufseignungsdiagnostik und Personalauswahl. Ein Schlüsselereignis in der Entwicklung der Vorstellungen von Management im All- gemeinen und Personalmanagement im Besonderen sind die sog. Hawthorne-Unter- suchungen. In den Hawthorne-Werken in Chicago wurde 1927 der Einfluss äußerer Arbeitsbedingungen, wie der Beleuchtung oder der Arbeitszeit, auf die Leistung untersucht (vgl. Kauffeld, 2014, S. 20; Nerdinger F. W., 2014a, S. 22). Die Studien zeigten eine nach damaligem wissenschaftlichem Kenntnisstand inkonsistente Befundlage. Es wurden Leistungssteigerungen unabhängig von den experimentellen Einstellungen festgestellt. Trotz schlechterer Arbeitsbedingungen waren Produktivitätssteigerungen zu verzeichnen. Aufgrund dieser widersprüchlichen Ergebnisse wurde ein Team unter der Unvollständige historische Analyse der Entwicklung des Personalmanagements Wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor Angewandte Psychologie bzw. Psychotechnik nach Münsterberg Human-RelationsBewegung nach Mayo

1.5 Ziele des Personalmanagements 26 www.WALHALLA.de 1.5 Ziele des Personalmanagements Die strategische Ausrichtung des Personalmanagements darf nicht in der Weise missverstanden werden, dass die Mitarbeitenden ausschließlich als wirtschaftliche Produktions- bzw. Leistungsfaktoren gesehen werden. Wie aus der historischen Betrachtung des Personalmanagement ersichtlich wurde, sind wirtschaftliche und sozial-humane Zielaspekte zu berücksichtigen. Grundsätzlich wird im Personalmanagement zwischen Sach- und Formalzielen unterschieden. Sachziele zeigen an, was erreicht werden soll, Formalziele geben Auskunft über den Weg zur Erreichung der Sachziele. Das zentrale Sachziel im Personalmanagement besteht darin, das Personal oder auch Humankapital, als betriebliche Ressource für die Erreichung organisationaler Ziele optimal einzusetzen. Formal sind zwei Per- spektiven in Einklang zu bringen.            Abbildung 1: Zielsystematik des Personalmanagements (eigene Darstellung) Zur Erreichung dieses Sachziels müssen zwei grundlegend verschiedene Perspektiven koordiniert und austariert werden: Wirtschaftlich betrachtet, soll Personal aufgabenbezogen möglichst effektiv und auch effizient eingesetzt werden. Der Leistungs- und Erfolgsbeitrag der Mitarbeitenden wird betont. Gleichzeitig gilt es, sozial-humane Aspekte einzubeziehen. Damit sind Interessen, Erwartungen und Motivationslagen ebenso gemeint, wie gesundheitliche Aspekte und Fragen der Organisationskultur. So soll beispielsweise der Dienstplan aus ökonomischer Sicht eine effiziente zeitliche Personaleinsatzplanung sicherstellen. Dies kann unter anderem durch eine weitgehende Standardisierung der Schichten erreicht werden. Ein Dienstplan soll gleichzeitig jedoch auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigen, wie etwa eine persönliche Freizeitplanung. Die individuelle Perspektive jedoch steht prinzipiell im Kontrast zu einer möglichst einheitlichen Planungssystematik. Ökonomische und sozial-humane Zielfaktoren stehen in einem fortwährenden Spannungsverhältnis und müssen aus- balanciert werden. Zieldualität des Personalmanagements Unterscheidung Sach- und Formalziele Balance ökonomische und sozial-humane Zielkriterien

1. Grundlagen des Personalmanagements 27 www.WALHALLA.de 1.6 Aufgaben des Personalmanagements Personalmanagement umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben und Themenbereiche, die verschiedenen Ebenen zugeordnet sind (strategische, operative und normative Ebene). Abbildung 2: Übersicht Aufgaben- und Themenbereiche des Personalmanagements (eigene Darstellung) Personalmanagement stellt in Bezug auf die gesamte Organisation einen zentra- len Prozess dar, bei dem verschiedene Aufgabenbereiche den operativen Kernprozess bilden: Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung und Onboarding, Personaleinsatz bzw. Arbeitsgestaltung, Leistungsbeurteilung, Personalentwicklung und Personal- freistellung. Diese operativen Teilfunktionen des Personalmanagements werden von Querschnittsaufgaben gerahmt. Es sind Querschnittsaufgaben, da sie an verschiedenen Stellen des Personalprozesses und in unterschiedlicher Weise relevant sind. Hierzu zählen Employee Experience, Employer Branding, Personalcontrolling und Personaladministration. Zur Personalverwaltung zählen auch Personalinformationssysteme und das Personalrechnungswesen. Personalmanagement hat neben den operativen Aufgaben auch eine strategische und normative Ebene. Strategisches Personalmanagement verbindet die grundlegenden, langfristigen Planungen im Personalmanagement mit den unternehmensstrategischen Zielen. Das normative Personalmanagement bildet den richtungsgebenden Rahmen. Hierunter werden grundlegende Aussagen zur Personal- und Führungsethik reflek- tiert, das Modell der strukturell-systemischen Führung sowie der Ansatz der Corporate Governance vorgestellt. Die konzeptionelle Zusammenschau verdeutlicht, dass die Aufgaben verschränkt sind. So werden beispielsweise auf strategischer Ebene langfristige personalrelevante Operative Funktionen des Personal- managements Querschnittsaufgaben des Personal- managements Strategisches und normatives Personalmanagement Integration aller Aufgabenbereiche

1.7 Rechtliche Rahmenbedingungen des Personalmanagements 28 www.WALHALLA.de Entwicklungsziele geplant, die dann wiederum auf operativer Ebene in Form konkreter Fortbildungs- und Trainingsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Grundlegende, normative Aussagen in Gestalt personalpolitischer Grundsätze bilden dabei den Orientierung gebenden Rahmen. 1.7 Rechtliche Rahmenbedingungen des Personalmanagements Das Arbeitsrecht ist keine eigenständige, abgeschlossene Rechtsnorm, sondern speist sich aus diversen Rechtsquellen, die wiederum auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind. Die Vielzahl der für das Personalmanagement relevanten Rechtsquellen lässt sich unabhängig von der Normenhierarchie in zwei Kategorien einteilen: das individuelle und das kollektive Arbeitsrecht. Daneben spielen auch das Verfahrensrecht bzw. die Arbeitsgerichtsbarkeit eine Rolle sowie Rechtsnormen bezüglich ausländischer Arbeitnehmender. Arbeitsrecht ausländische Arbeitnehmende Arbeitsgerichtsbarkeit kollektives Arbeitsrecht individuelles Arbeitsrecht Abbildung 3: Systematik der Rechtsgrundlagen des Personalmanagements (eigene Darstellung) Nach Darstellung der relevanten Regelungsebenen wird differenzierter auf das individuelle und kollektive Arbeitsrecht eingegangen. Aufgrund der Komplexität und Dynamik des Arbeitsrechts ist es grundsätzlich empfehlenswert, juristische Kompetenz gezielt ins Personalmanagement einzubinden. 1.7.1 Regelungsebenen der Rechtsquellen im Arbeitsrecht Die Regelungsebenen stellen eine Rangordnung der Rechtsquellen dar (Rangprinzip). Neben dem Rangprinzip gilt das sog. Günstigkeitsprinzip. Das bedeutet, dass von der Rangordnung der Rechtsnormen abgewichen wird, wenn eine untergeordnete Rechtsquelle Arbeitnehmende begünstigen würde. So darf z. B. mehr Urlaub gewährt werden, als bundesgesetzlich vorgesehen ist oder übertariflich bezahlt werden. Auf europäischer Ebene sind für das Arbeitsrecht insbesondere im Rahmen des sog. sekundären Gemeinschaftsrechts erlassene Richtlinien von Bedeutung. EU-Richtlinien sind nicht unmittelbar rechtswirksam, sondern müssen auf nationaler Ebene richtlinienkonform umgesetzt werden (vgl. Oechsler & Paul, 2019, S. 100). Beispielhaft angeführt seien die Antidiskriminierungsrichtlinien zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Mutterschutzrichtlinie zum Mutterschutzgesetz (MuschG), die Elternurlaubsrichtlinie zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) oder die Teilzeit- und Befristungsrichtlinie zum Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). EU-Richtlinien

1. Grundlagen des Personalmanagements 29 www.WALHALLA.de Abbildung 4: Normenhierarchie der Rechtsquellen im Arbeitsrecht (eigene Darstellung) Im Grundgesetz sind einige Artikel für das Arbeitsrecht relevant. Beispielhaft kann Art. 2 GG genannt werden, in dem das freie Recht auf die eigene Persönlichkeit verankert ist. Auf den Arbeitskontext übertragen, dürfen Arbeitnehmende etwa nicht mittels versteckter Kameras überwacht werden. Ein weiteres Beispiel: Nach Art. 3 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt und müssen demzufolge gleich entlohnt werden. 1.7.2 Individuelles Arbeitsrecht Das individuelle Arbeitsrecht umfasst die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmenden und Unternehmen. Das individuelle Arbeitsrecht wird in die Regelungsbereiche Arbeitsvertragsrecht und Arbeitsschutzrecht aufgeteilt. Es wird zwischen Arbeitsverhältnis und Arbeitsvertrag unterschieden. Der Begriff ‚Arbeitsverhältnis‘ bezeichnet allgemein das Rechtsverhältnis zwischen Unternehmen und Arbeitnehmenden. Es manifestiert sich konkret im Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag ist grundlegend in § 611a BGB geregelt. Aus dem Arbeitsvertag resultieren beidseitig Rechte und Pflichten. Dabei ist ein Recht auf der einen Seite gleichzeitig eine Pflicht auf der anderen Seite. Grundgesetz Arbeitsvertragsrecht und Arbeitsschutzrecht Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis

1.7 Rechtliche Rahmenbedingungen des Personalmanagements 30 www.WALHALLA.de Arbeitnehmer/-in Arbeitgeber/-in Hauptpflicht Arbeitspflicht (§§ 611a Abs. 1, 613 BGB) Lohnzahlungspflicht (§§ 611, 611a Abs. 2 BGB) Neben- pflichten Treuepflicht (§ 241 Abs. 1 BGB) Gehorsamspflicht (§ 611a Abs.1 Satz 2 BGB, § 106 Satz 1 Gewo) Haftungspflicht (§254 BGB) Fürsorgepflicht (§ 242 BGB) Urlaubsgewährung (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) Freizeitgewährung zur Stellen- suche (§ 629 BGB) Zeugnisausstellung (§ 630 BGB) Tabelle 1: Pflichten und Rechte aus dem Arbeitsverhältnis (eigene Darstellung) Die Hauptpflicht auf Arbeitgeber/-innenseite ist nach §§ 611 Abs. 1, 611a Abs. 2 BGB die Entlohnung. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin sind zudem in bestimmten Situationen, wie z. B. bei Urlaub, Feiertagen oder Krankheit zur Lohnfortzahlung verpflichtet (§ 616 BGB und Entgeltfortzahlungsgesetz). Im Kontext der Vergütung sind weitere rechtliche Aspekte zu beachten, etwa die Pflicht der arbeitgebenden Organisation, alle Mitarbeitenden gleich zu behandeln (Gleichbehandlungsgrundsatz). Auch sind betriebliche Übungen, Betriebsvereinbarungen oder tarifvertragliche Vereinbarungen in Bezug auf die Entlohnung zu berücksichtigen. Neben der Lohnzahlungspflicht hat der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin einige Nebenpflichten. Nach § 242 BGB hat der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin eine Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmenden. Das bedeutet, der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat die Interessen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin in Bezug auf individuelle Schutzbedürfnisse zu berücksichtigen. Die Fürsorgepflicht bezieht sich z. B. auf die Aufklärung über die Arbeitsverhältnisse oder Versicherungsansprüche oder eine mögliche Freistellung zur Stellensuche (vgl. Lentföhr, Ostermaier, & Vogt, 2017, S. 135). Auch die Zeugniserstellung fällt prinzipiell unter die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin (vgl. ebd.), ist aber gleichzeitig auch eine eigene Nebenpflicht. Schließlich ist die Urlaubsgewährung eine wichtige Nebenpflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin. Der Hauptpflicht der Entlohnung aufseiten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin steht die persönliche Leistungspflicht der Arbeitnehmenden gegenüber (§§ 611a Abs. 1, 613 BGB). Als Nebenpflicht entspricht der Fürsorgepflicht die Treuepflicht der Arbeitnehmenden. Die Treuepflicht ergibt sich aus den allgemeinen Regelungen von Schuldverhältnissen nach § 242 BGB. Im Zusammenhang eines Arbeitsvertrags müssen Arbeitnehmende die Interessen des Unternehmens wahren. Insbesondere ist zu unterlassen, was die arbeitsvertraglich vereinbarten Ziele unterlaufen könnte. So dürfen etwa keine Geschäftsgeheimnisse weitergegeben werden und es besteht ein Konkurrenzverbot während des Arbeitsverhältnisses (vgl. Lentföhr, Ostermaier, & Vogt, 2017, S. 82). Arbeitnehmende unterliegen zudem einer sog. Gehorsamspflicht. Diese stellt das Gegenstück zum Weisungsrecht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin dar. Das Weisungs- oder Direktionsrecht bezieht sich auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, die das Unternehmen – im Pflichten auf Arbeitgeber/- innenseite Arbeitsvertragliche Nebenpflichten des Unternehmens Pflichten der Arbeitnehmenden Nebenpflichten der Arbeitnehmenden

1. Grundlagen des Personalmanagements 31 www.WALHALLA.de Rahmen der gesetzlichen Vorschriften – näher bestimmen darf, sofern nicht bereits eine Regelung im Arbeitsvertrag vorliegt oder Festlegungen in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag getroffen wurden. Die zentrale Rechtsnorm für das Weisungs- und Direktionsrecht ist § 106 Satz 1 GewO. Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Schließlich ist die Haftungsverpflichtung zu nennen. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin haftet, wenn die Arbeitspflicht schuldhaft verletzt wird. Das ist der Fall, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung nicht erfüllt wird und/oder darüber hinaus ein Schaden entsteht (vgl. ebd., S. 84). Zum individuellen Arbeitsrecht ist auch das Arbeitsschutzrecht zu rechnen. Dabei kann zwischen technischem und sozialem Arbeitsschutz unterschieden werden. Das Arbeitsschutzrecht hat eine hohe Relevanz in Bezug auf die Gewährleistung sicherer und humaner Arbeitsbedingungen. Die sich daraus ergebenden Pflichten des Unternehmens sind in der Regel zwingend, eine Verletzung kann aufseiten der betroffenen Arbeitnehmenden Schadensersatzansprüche auslösen und eine Arbeitsverweigerung rechtfertigen. Folgende Aufstellung zeigt für den Arbeitsschutz ausgewählte Rechtsgrundlagen (BAuA, 2019a; BAuA, 2019b): Technischer Arbeitsschutz Sozialer Arbeitsschutz • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Versorgung (ArbMedVV) • Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) • Biostoffverordnung (BioStoffV) • Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) • u. a. • Mutterschutzgesetz (MuSchG) • Sozialgesetzbuch V (SGB V) • Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) • Kinderarbeitsschutzverordnung (KindArbSchV) • Arbeitszeitgesetz (ArbZG) • Heimarbeitsgesetz (HAG) • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) • u. a. Tabelle 2: Ausgewählte Rechtsgrundlagen für den Arbeitsschutz (eigene Darstellung) Auf einige der angeführten Rechtsnormen wird in den späteren Ausführungen nochmals gezielt eingegangen. Eine gute Übersicht über relevante arbeitsrechtliche Vorgaben bieten Lentföhr, Ostermaier und Vogt (2017). Arbeitsschutzrecht

RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5MDIz