Praxisratgeber Vereinsrecht

Neu: Regelungen für digitale Sitzungen Satzungsgestaltung, Umstrukturierung, Konfliktbewältigung Arbeitshilfe mit kommentierter Mustersatzung 8., aktualisierte Auflage Goetz · Hesse · Koglin Praxisratgeber Vereinsrecht

WISSEN FÜR DIE PRAXIS • VERSTÄNDLICH • ANWENDUNGSORIENTIERT • MIT PRAXIS-TIPPS Das sollten Vereine wissen: Haftung, Finanzen, Steuern Als erfahrene Verbandsjuristen und selbstständige Anwälte bieten die Autoren praktische Hilfe – auch zu schwierigen Alltagsfragen: · Satzungsgestaltung · Minderjährige als Vereinsmitglieder · Versicherungsschutz · Gebührenbefreiungen und Haftung · Gemeinnützigkeit und Umsatzsteuer · Insolvenz · GEMA und Rundfunkgebühren · Spenden und Sponsoring · Rechnungswesen · Buchführung · Datenschutz Die Mustersatzung enthält die neuen Regelungen zu digital stattfindenden Mitgliederversammlungen und Vereinssitzungen. Mit Auszügen aus Gesetzen und den wichtigen Erlassen der Finanzverwaltung. Michael Goetz, Rechtsanwalt, Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und Erika Koglin, Rechtsanwältin, sind Experten des Vereinsrechts und regelmäßig in Fortbildungsveranstaltungen als Dozenten aktiv; zahlreiche Veröffentlichungen zu Einzelfragen des Vereins- und Steuerrechts. www.WALHALLA.de ISBN 978-3-8029-4170-2 € 14,95 [D]

Inhaltsverzeichnis Die praktische Arbeitshilfe für Vereine ................................. 7 Abkürzungen ............................................................................... 8 1. Gründung eines Vereins .................................................. 11 Wahl der Rechtsform ............................................................. 12 Voraussetzungen der Gründung eines Vereins ...................... 17 Vereinsstrukturen . ................................................................ 20 Umwandlungsrecht ............................................................... 22 Organe des eingetragenen Vereins ........................................ 23 Vereinsordnungen ................................................................. 24 2. Mustersatzung, -protokoll und -briefe ......................... 27 Vorbemerkung zur Mustersatzung ........................................ 27 Mustersatzung: Eingetragene Vereine .................................. 28 Musterprotokoll: Gründungsversammlung eines Vereins ................................. 37 Musterbrief: Anmeldung beim Vereinsregister ..................... 39 Musterbrief: Antrag auf Steuerbegünstigungen .................... 40 3. Führung eines Vereins ..................................................... 41 Minderjährige Vereinsmitglieder .......................................... 42 Haftung des Vereins .............................................................. 43 Versicherungsschutz ............................................................. 47 Gebührenbefreiungen ........................................................... 49 Zahlungen an Ehrenamtliche und Vorstände ........................ 51 Steuern und Steuervergünstigungen ..................................... 55

6 | Inhaltsverzeichnis Spenden .............................................................................. 63 Sponsoring .......................................................................... 72 Umsatzsteuer ...................................................................... 74 Rechnungswesen und Buchführung .................................... 77 Transparenzregister ............................................................ 83 Hinweisgeberschutzgesetz .................................................. 83 Datenschutz ........................................................................ 84 Internet ............................................................................... 89 Insolvenz ............................................................................. 89 GEMA .................................................................................. 90 Rundfunkbeitrag ................................................................. 92 Künstlersozialabgabe .......................................................... 92 4. Gesetzliche Grundlagen ................................................ 95 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland .............. 96 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ........................................... 97 Abgabenordnung (AO) ........................................................ 115 Einkommensteuergesetz (EStG) .......................................... 194 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ........................................ 200 Umsatzsteuergesetz (UStG) ................................................. 204 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ................................................ 218 Stichwortverzeichnis .............................................................. 221

| 7 Die praktische Arbeitshilfe für Vereine Die Nähe zur täglichen Vereinsarbeit zeichnet diesen Fachratgeber aus, der nunmehr bereits in 8. Auflage erscheint. Er ist zur Unterstützung aller gedacht, die einen Verein gründen, Verantwortung in einem Verein tragen oder übernehmen möchten. Ausgehend von einer Mustersatzung mit Erläuterungen werden alle wichtigen Fragen angesprochen, die sich typischerweise im Vereinsalltag stellen. Die Mustersatzung enthält nun auch eine Regelung für digital durchgeführte Organsitzungen. Anstelle einer juristischen Vertiefung wird die praktische Handlungsempfehlung bevorzugt. Diese Empfehlungen basieren vor allem auf Beratungserfahrungen im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Besonderes Augenmerk liegt auf den steuerrechtlichen Bestimmungen für gemeinnützige Vereine – Gemeinnützigkeitsrecht der Abgabenordnung, Spenden und Sponsoring sowie Umsatzsteuer. Die Erläuterungen und Hinweise werden durch die einschlägigen Gesetzestexte, Verwaltungserlasse und Musterformulare im Anhang ergänzt. Hilfreich sind die Empfehlungen im Umgang mit typischen Praxisfragen des Vereinsalltags, wie Abgaben an die Künstlersozialkasse, die GEMA und die GEZ sowie mit dem Datenschutz. Über Anregungen freut sich das Autorenteam – gerne per E-Mail an: verein@paritaet.org Michael Goetz Werner Hesse Erika Koglin Der Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. Oranienburger Straße 13–14, 10178 Berlin Tel.: 030/2 46 36-0; Fax: 030/2 46 36-110 Die Kontaktdaten der Landesverbände finden Sie unter: www.der-paritaetische.de/verband/landesverbaende

12 | Gründung eines Vereins 1 www.WALHALLA.de Wahl der Rechtsform Vor der Gründung eines eingetragenen Vereins ist zu klären, ob dies die geeignete Rechtsform für das geplante Vorhaben ist. Bei der Wahl der Rechtsform ist darauf zu achten, dass grundsätzlich nur eingetragenen Vereinen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften und rechtsfähigen Stiftungen eine Mitgliedschaft in einem der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege offensteht. Sollten später Änderungen in der Rechtsstruktur erforderlich werden, können die Instrumente des Umwandlungsrechts genutzt werden. Hier soll zunächst ein kurzer Abriss über mögliche Organisationsformen in der sozialen Arbeit gegeben werden. Nichtrechtsfähiger und rechtsfähiger Verein Der nichtrechtsfähige Verein entspricht strukturell dem rechtsfähigen. Auf nichtrechtsfähige Idealvereine wird heute durchgängig Vereinsrecht angewandt, sofern es nicht gerade auf die Rechtsfähigkeit ankommt. Rechtsfähigkeit erlangt ein Verein durch die Eintragung ins Vereins- register. Der Verein erhält damit die rechtliche Stellung einer juristischen Person. Sowohl bei einem rechtsfähigen als auch bei einem nichtrechtsfähigen Verein haften die für den Verein berechtigt Handelnden nicht mit ihrem Privatvermögen, sondern nur mit dem Vereinsvermögen. Eine Ausnahme stellt der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein dar. Hier haften die Mitglieder auch mit ihrem eigenen Vermögen. Mit einer Eintragung als Idealverein steht mit Wirkung gegen Dritte fest, dass keine wirtschaftlichen Ziele verfolgt werden und somit eine persönliche Haftung der Mitglieder ausgeschlossen ist. Regionalgruppen Die Mitglieder zahlreicher bundesweit tätiger Verbände arbeiten in Regionalgruppen zusammen. Sind diese nicht als eingetragene Vereine konstituiert, handelt es sich um unselbstständige Untergliederungen des betreffenden Vereins. In diesem Fall haftet das gesamte Vereinsvermögen für die Verbindlichkeiten einer Regionalgruppe. Ebenso wenig ist die Regionalgruppe befugt, eigenständig Spendenbescheinigungen

Wahl der Rechtsform | 13 1 www.WALHALLA.de auszustellen. Die finanziellen Aktivitäten der Regionalgruppen müssen in die Jahresabschlüsse des Vereins einbezogen werden. Ab einer nur im Einzelfall näher zu bestimmenden Selbstständigkeit der Regionalgruppe – wie eigene Satzung, Vorstand und Ähnliches – kann die Regionalgruppe als nichtrechtsfähiger Verein angesehen werden. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Die zweithäufigste Erscheinungsform nach dem Verein in der Sozial- arbeit ist die GmbH, deren Rechtsgrundlagen hauptsächlich im GmbHGesetz enthalten sind. Die GmbH wird von mindestens einem Gesellschafter getragen. Dieser kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. Die GmbH wird mit einem Stammkapital von mindestens 25.000 Euro ausgestattet. Einlagen können auch in Sachwerten geleistet werden. Die GmbH erlangt Rechtsfähigkeit mit Eintragung ins Handelsregister (Amtsgericht), der Gesellschaftsvertrag muss notariell beurkundet werden. Die Gesellschafter treffen in der Gesellschafterversammlung die Grundentscheidungen. Ihr Stimmrecht bemisst sich nach ihrem Kapitalanteil. Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch eine andere Gewichtung er- folgen. Für die laufenden Geschäfte muss ein Geschäftsführer bestellt werden. Die GmbH wird in der Regel als Gesellschaftsform für große Einrichtungen gewählt, in denen wirtschaftlich bedeutende Entscheidungen schnell getroffen werden müssen. Die Gesellschafter haften nur in Höhe der Kapitalanteile. Allerdings können Darlehen der Gesellschafter an eine mit zu wenig Kapital ausgestattete GmbH wie Stammeinlagen behandelt werden, so dass sie im Fall einer Insolvenz den anderen GmbH-Gläubigern zugutekommen. Die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sind strenger als die des Vereins und reichen bis zu bestimmten Veröffentlichungspflichten im elektronischen Bundesanzeiger. Einfache Standardgründungen von Gesellschaften, die höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer haben, können auch in einem vereinfachten Verfahren erfolgen. Für die Gründung im vereinfachten Verfahren ist ein dem Gesetz beigefügtes Musterprotokoll zu verwenden. Dieses vereint Satzung, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafter-

14 | Gründung eines Vereins 1 www.WALHALLA.de listen in einem Dokument. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Musterprotokoll nicht auf die Gründung gemeinnütziger GmbH zugeschnitten ist und Änderungen nicht zulässig sind, so dass auch keine vereinfachte Gründung einer gemeinnützigen GmbH möglich ist. Die in § 5a GmbHG geregelte Unternehmergesellschaft ist eine „MiniGmbH“, die mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet werden kann. Sie muss die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Gemäß § 5a Abs. 3 GmbHG ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. Diese Rücklage darf nur verwandt werden: ■ für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ■ zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist ■ zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist § 5a Abs. 5 GmbHG bestimmt, dass für den Fall, dass die Gesellschaft ihr Stammkapital auf mindestens 25.000 Euro erhöht, die Thesaurierungspflicht entfällt und die Unternehmergesellschaft zu einer „normalen“ GmbH wird. Die GmbH und die in § 5a GmbHG geregelte Mini-GmbH können unter denselben Voraussetzungen wie ein Verein steuerbegünstigt tätig sein. Die Gründung einer Mini-GmbH steht der Erlangung des Gemein- nützigkeitsstatus nicht entgegen. Genossenschaft Im sozialen Bereich sind vermehrt Genossenschaften anzutreffen. Seit August 2006 wurde die Rechtsform der Genossenschaft auch für soziale und kulturelle Zwecke geöffnet. Genossenschaften können gemeinnützig sein. Die Genossenschaft muss stets einem Prüfungsverband angehören. Zur Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung muss mindestens in jedem zweiten Geschäftsjahr eine Jahresabschlussprüfung erfolgen, bei Genossenschaften, deren Bilanzsumme 2 Mio. Euro übersteigt, sogar in jedem Geschäftsjahr.

Wahl der Rechtsform | 15 1 www.WALHALLA.de Wichtig: Übersteigen bei einer Genossenschaft die Bilanzsumme 1 Mio. Euro und die Umsatzerlöse 2 Mio. Euro, muss eine besondere Jahresabschlussprüfung (unter Einbeziehung der Buchführung und des Lageberichts) erfolgen. Bei Kleinstgenossenschaften kann jede zweite Prüfung nach § 53 Abs. 1 GenG als vereinfachte Prüfung durchgeführt werden. Die Grundstruktur ist mit gewissen Annäherungen an die GmbH der- jenigen des Vereins vergleichbar. Rechtsfähige Stiftung Die rechtsfähige Stiftung kann als privatrechtliche oder als öffentlichrechtliche Stiftung gegründet werden. Die Rechtsgrundlagen der hier bedeutsamen privatrechtlichen Stiftung sind in §§ 80 ff. BGB geregelt. Das neue Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts trat am 01.07.2023 in Kraft. Es gilt für alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Stiftungen, nicht nur für Neugründungen. Die wichtigsten Neuerungen sind: ■ Einführung einer Business Judgement Rule für Vorstandsmitglieder ■ Regelungen über Zusammenschlüsse von Stiftungen ■ Erleichterungen für grundlegende Satzungsänderungen ■ Einführung eines Stiftungsregisters ab 2026 Die Errichtung der privatrechtlichen Stiftung setzt zum einen ein Stiftungsgeschäft voraus, das heißt eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen verfassen eine Satzung oder eine natürliche Person bestimmt in einem Testament oder Erbvertrag die Errichtung der Stiftung. Zum anderen bedarf es der staatlichen Anerkennung durch die Stiftungsbehörde des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Es gibt keine Mitglieder und somit keine Mitgliederversammlung. Entscheidendes Organ ist der Vorstand, der der Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht und ggf. eines Beirats oder eines Kuratoriums unterliegt. Der Vorstand wird in der Regel vom Stifter oder diesem nahestehenden Institutionen eingesetzt. Grundlegendes Merkmal ist das Erfordernis eines Stiftungskapitals, das die nachhaltige Verfolgung der Stiftungszwecke aus dem Vermögensertrag sicherstellt. Seit 2013 kann in der Stiftungssatzung auch geregelt

16 | Gründung eines Vereins 1 www.WALHALLA.de werden, dass das Stiftungskapital ganz oder teilweise verbraucht werden darf (Verbrauchsstiftung). Die Stiftung kann unter denselben Voraussetzungen wie ein Verein steuerbegünstigt tätig sein. Nichtrechtsfähige Stiftung Bei der nichtrechtsfähigen Stiftung handelt es sich nicht um eine Stiftung im vorgenannten Sinne, sondern um ein Treuhandvermögen, das von einer natürlichen oder juristischen Person im Sinne des Stifters verwaltet wird. Die nichtrechtsfähige Stiftung bietet sich an, wenn einem Träger von Sozialarbeit zur Verfolgung eines speziellen Zwecks Ver- mögen geschenkt oder vererbt worden ist. Gesellschaft bürgerlichen Rechts Die sogenannte BGB-Gesellschaft ist ein Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen, ohne dass dieser Zusammenschluss eine eigene Rechtspersönlichkeit darstellt. Grundlage ist ein (formloser, nicht notwendigerweise schriftlicher) Vertrag. Das Gesellschaftsvermögen ist gemeinschaftlich. Die Gesellschafter haften persönlich und unbeschränkt in vollem Umfang für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die BGB-Gesellschaft endet mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters. Häufig können Wohngemeinschaften oder Kollektive als BGB-Gesellschaften bezeichnet werden. Die persönliche Haftung des Einzelnen reicht in diesen Fällen nur so weit, wie Verbindlichkeiten im Rahmen des vereinbarten Zwecks eingegangen wurden. Das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) hat die BGB-Gesellschaft reformiert. Die Reform tritt zum 01.01.2024 in Kraft. Nach neuer Rechtslage wird zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger GbR unterschieden. Nach der neuen Fassung des § 705 BGB wird für die Frage der Rechtsfähigkeit entscheidend sein, ob die GbR nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Die rechtsfähige GbR kann sich in das neu eingeführte Gesellschaftsregister eintragen lassen. Ist sie eingetragen, muss sie den Zusatz „eingetragene GbR“ tragen.

162 | Gesetzliche Grundlagen 4 www.WALHALLA.de Beispiel: Beispiel für eine Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AO: VZ01 Spenden 10.000 € Einnahmen aus Vermögensverwaltung 12.000 € Ausgaben in der Vermögensverwaltung 9.000 € Gewinne aus – Zweckbetrieben 2.500 € – steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben 3.000 € → 10 % von (10.000 € + 2.500 € + 3.000 €) = 1.550 € → 1/3 von (12.000 € – 9.000 €) = 1.000 € = Potenzial zur Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO 2.550 € Tatsächliche Rücklagenbildung im VZ 01: nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO: 3.000 € nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO: 0 € Überhang nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 im Verhältnis zu Nr. 3 AO: 450 € VZ 02 Spenden 20.000 € Einnahmen aus Vermögensverwaltung 16.000 € Ausgaben in der Vermögensverwaltung 10.000 € Gewinne aus – Zweckbetrieben 1.000 € – steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben 5.000 € → 10 % von (20.000 € + 1.000 € + 5.000 €) = 2.600 € → 1/3 von (16.000 € – 10.000 €) = 2.000 € abzgl. Überhang nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 im Verhältnis zu Nr. 3 AO 450 € = Potenzial zur Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO 4.150 € Tatsächliche Rücklagenbildung im VZ 02: nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO: 1.000 € nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO: 3.150 € Zu § 62 Abs. 2 AO: 14. Rücklagen sind in der Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO zu bilden. Nur tatsächlich vorhandene Mittel können in eine Rücklage eingestellt werden. Ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage vorliegen, hat die steuerbegünstigte Körperschaft dem zuständigen Finanzamt im Einzelnen darzulegen. Weiterhin muss sie die Rücklagen nach § 62 Abs. 1 AO in ihrer Rechnungslegung – ggf. in einer Nebenrechnung – gesondert ausweisen, damit eine Kontrolle jederzeit und ohne besonderen Aufwand möglich ist (BFHUrteil vom 20.12.1978, I R 21/76, BStBl 1979 II S. 496). Entfällt der Grund für die Bildung einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AO, so ist diese unverzüglich aufzulösen. Die dadurch freigewordenen Mittel sind innerhalb der Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO zu verwenden. Die freigewordenen Mittel können auch in die Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AO eingestellt werden. Bei diesen Mitteln handelt es sich nicht um sonstige nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendende Mittel (§§ 58 Nr. 3, 62 Abs. 1 Nr. 3 AO).

Abgabenordnung (AO) | 163 4 www.WALHALLA.de 15. Vorstehende Grundsätze gelten für Rücklagen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und für Rücklagen im Bereich der Vermögensverwaltung entsprechend. Zu § 62 Abs. 3 AO: 16. Die in § 62 Abs. 3 AO genannten Zuwendungen können dem Vermögen zugeführt werden. Die Aufzählung ist abschließend. Unter Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören, sind Wirtschaftsgüter zu verstehen, die ihrer Art nach von der Körperschaft im ideellen Bereich, im Rahmen der Vermögensverwaltung oder im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt werden können. Werden Mittel nach dieser Vorschrift dem Vermögen zugeführt, sind sie aus der Bemessungsgrundlage für Zuführungen von sonstigen zeitnah zu verwendenden Mitteln nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO herauszurechnen.Zu § 62 Abs. 4 AO: 17. Stiftungen dürfen im Jahr ihrer Errichtung und in den drei folgenden Kalenderjahren Überschüsse und Gewinne aus der Vermögensverwaltung, aus Zweckbetrieb und aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführen. Für sonstige Mittel, z. B. Zuwendungen und Zuschüsse, gilt diese Regelung dagegen nicht. Liegen in einem Kalenderjahr positive und negative Ergebnisse aus der Vermögens- verwaltung, aus den Zweckbetrieben und dem einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vor, ist eine Zuführung zum Vermögen auf den positiven Betrag begrenzt, der nach der Verrechnung der Ergebnisse verbleibt. § 63 Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung (1) Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält. (2) Für die tatsächliche Geschäftsführung gilt sinngemäß § 60 Abs. 2, für eine Verletzung der Vorschrift über die Vermögensbindung § 61 Abs. 3. (3) Die Körperschaft hat den Nachweis, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen des Absatzes 1 entspricht, durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben zu führen. (4) 1Hat die Körperschaft ohne Vorliegen der Voraussetzungen Mittel angesammelt, kann das Finanzamt ihr eine angemessene Frist für die Verwendung der Mittel setzen. 2Die tatsächliche Geschäftsführung gilt als ordnungsgemäß im Sinne des Absatzes 1, wenn die Körperschaft die Mittel innerhalb der Frist für steuerbegünstigte Zwecke verwendet. (5) 1Körperschaften im Sinne des § 10b Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes dürfen Zuwendungsbestätigungen im Sinne des § 50 Absatz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nur ausstellen, wenn

164 | Gesetzliche Grundlagen 4 www.WALHALLA.de 1. das Datum der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid oder des Freistellungsbescheids nicht länger als fünf Jahre zurückliegt oder 2. die Feststellung der Satzungsmäßigkeit nach § 60a Absatz 1 nicht länger als drei Kalenderjahre zurückliegt und bisher kein Freistellungsbescheid oder keine Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid erteilt wurde. 2Die Frist ist taggenau zu berechnen. AEAO zu § 63 – Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung 1. Den Nachweis, dass die tatsächliche Geschäftsführung den notwendigen Erfordernissen entspricht, hat die Körperschaft durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen (insbesondere Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben, Tätigkeitsbericht, Vermögensübersicht mit Nachweisen über die Bildung und Entwicklung der Rücklagen) zu führen. Die Vorschriften der AO über die Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§§ 140 ff. AO) sind zu beachten. Die Vorschriften des Handelsrechts einschließlich der entsprechenden Buchführungsvorschriften gelten nur, sofern sich dies aus der Rechtsform der Körperschaft oder aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ergibt. Bei der Verwirklichung steuer- begünstigter Zwecke im Ausland besteht eine erhöhte Nachweispflicht (§ 90 Abs. 2 AO). 2. Hat das Finanzamt eine Frist nach § 63 Abs. 4 AO gesetzt, gilt die tatsächliche Geschäftsführung als ordnungsgemäß, wenn die Körperschaft die Mittel innerhalb der gesetzten Frist für steuerbegünstigte Zwecke verwendet. 3. Die tatsächliche Geschäftsführung umfasst auch die Ausstellung steuerlicher Zuwendungsbestätigungen. Zuwendungsbestätigungen dürfen nur dann ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 63 Abs. 5 AO vorliegen. Die Erlaubnis wird an die Er- teilung eines Feststellungsbescheids nach § 60a Abs. 1 AO, eines Freistellungsbescheids oder eine Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid geknüpft. Ist der Bescheid nach § 60a AO älter als drei Jahre oder ist der Freistellungsbescheid – beziehungsweise sind die Anlagen zum Körperschaftsteuerbescheid – älter als fünf Jahre, darf die Körperschaft keine Zuwendungsbestätigungen mehr ausstellen. Bei Missbräuchen auf diesem Gebiet, z. B. durch die Ausstellung von Gefälligkeits- bestätigungen, ist die Steuerbegünstigung zu versagen. 4. Liegen neuere Erkenntnisse nach Bekanntgabe einer Feststellung nach § 60a AO, eines Freistellungsbescheids oder einer Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid vor, dass auf Grund der tatsächlichen Geschäftsführung der Körperschaft die Steuerbegünstigung voraussichtlich nicht gewährt werden kann, kann eine Steuerfestsetzung (ggf. mit 0 €) erfolgen. Für Feststellungen nach § 60a AO wird auf § 60a Abs. 6 AO verwiesen. Dies kann durch einen Vorauszahlungsbescheid oder einen Körperschaftsteuerbescheid geschehen, in dem jeweils von der vollen Steuerpflicht ausgegangen wird. Dies hat zur Folge, dass die Körperschaft nicht mehr berechtigt ist, Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Die Körperschaft ist auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme nach § 10b Abs. 4 EStG hinzuweisen. 5. Die tatsächliche Geschäftsführung muss sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten, da die Rechtsordnung als selbstverständlich das gesetzestreue Verhal-

Abgabenordnung (AO) | 165 4 www.WALHALLA.de ten aller Rechtsunterworfenen voraussetzt. Als Verstoß gegen die Rechtsordnung, der die Steuerbegünstigung ausschließt, kommt auch eine Steuerverkürzung in Betracht (BFH-Urteil vom 27.9.2001, V R 17/99, BStBl 2002 II S. 169). Die verfassungsmäßige Ordnung wird schon durch die Nichtbefolgung von polizeilichen Anordnungen durchbrochen (BFH-Urteil vom 29.8.1984, I R 215/81, BStBl 1985 II S. 106). Gewaltfreier Widerstand, z. B. Sitzblockaden, gegen geplante Maßnahmen des Staates verstößt grundsätzlich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.1.1995, 1 BvR 718/89, 1 BvR 719/89, 1 BvR 722/89, 1 BvR 723/89, BVerfGE 92, S. 1 bis 25). 6. Da es sich beim Entzug der Gemeinnützigkeit nicht um eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung handelt, stellen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der ihm innewohnende Bagatellvorbehalt ein unverzichtbares Korrektiv dar, um in Einzelfällen die einschneidende Rechtsfolge des Verlusts der Gemeinnützigkeit auszuschließen (BFH-Urteil vom 12.3.2020, V R 5/17, BStBl 2021 II S. 55). Geringfügige Verstöße, beispielsweise gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO, rechtfertigen daher nicht den Entzug der Gemeinnützigkeit. § 64 Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (1) Schließt das Gesetz die Steuervergünstigung insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14) unterhalten wird, so verliert die Körperschaft die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zu- zuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68) ist. (2) Unterhält die Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die keine Zweckbetriebe (§§ 65 bis 68) sind, werden diese als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb behandelt. (3) Übersteigen die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die keine Zweckbetriebe sind, insgesamt nicht 45 000 Euro im Jahr, so unterliegen die diesen Geschäftsbetrieben zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen nicht der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. (4) Die Aufteilung einer Körperschaft in mehrere selbständige Körperschaften zum Zweck der mehrfachen Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach Absatz 3 gilt als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42. (5) Überschüsse aus der Verwertung unentgeltlich erworbenen Alt- materials außerhalb einer ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle, die der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen, können in Höhe des branchenüblichen Reingewinns geschätzt werden.

166 | Gesetzliche Grundlagen 4 www.WALHALLA.de (6) Bei den folgenden steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäfts- betrieben kann der Besteuerung ein Gewinn von 15 Prozent der Ein- nahmen zugrunde gelegt werden: 1. Werbung für Unternehmen, die im Zusammenhang mit der steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich Zweckbetrieben stattfindet, 2. Totalisatorbetriebe, 3. Zweite Fraktionierungsstufe der Blutspendedienste. AEAO zu § 64 – Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe Zu § 64 Abs. 1 AO: 1. Als Gesetz, das die Steuervergünstigung teilweise, nämlich für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Satz 1 und 2 AO), ausschließt, ist das jeweilige Steuergesetz zu verstehen, also § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 UStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3b GrStG i. V. m. A 12 Abs. 4 GrStR. 2. Wegen des Begriffs „Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ wird auf § 14 AO hingewiesen. Zum Begriff der „Nachhaltigkeit“ bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben siehe BFHUrteil vom 21.8.1985, I R 60/80, BStBl 1986 II S. 88. Danach ist eine Tätigkeit grundsätzlich nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist. Es genügt, wenn bei der Tätigkeit der allgemeine Wille besteht, gleichartige oder ähnliche Handlungen bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen. Wiederholte Tätigkeiten liegen auch vor, wenn der Grund zum Tätigwerden auf einem einmaligen Entschluss beruht, die Erledigung aber mehrere (Einzel-)Tätigkeiten erfordert. Die Einnahmen aus der Verpachtung eines vorher selbst betriebenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unterliegen solange der Körperschaft- und Gewerbesteuer, bis die Körperschaft die Betriebsaufgabe erklärt (BFHUrteil vom 4.4.2007, I R 55/06, BStBl II S. 725). 3. Ob eine an einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft beteiligte steuerbegünstigte Körperschaft gewerbliche Einkünfte bezieht, wird im gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid der Personengesellschaft bindend festgestellt (BFH-Urteil vom 27.7.1988, I R 113/84, BStBl 1989 II S. 134). Ob ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder ein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) vorliegt, ist dagegen bei der Körperschaftsteuerveranlagung der steuerbegünstigten Körperschaft zu entscheiden. Die Beteiligung einer gemeinnützigen Körperschaft an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (BFH-Urteil vom 25.5.2011, I R 60/10, BStBl 2012 II S. 858 und vom 18.2.2016, V R 60/13, BStBl. 2017 II S. 251). Die Beteiligung einer steuerbegünstigten Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 AO). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist es dann, wenn mit ihr tatsächlich ein entscheidender Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird oder ein Fall der Betriebsaufspaltung vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 30.6.1971, I R 57/70, BStBl II S. 753; H 15.7 (4) bis H 15.7 (6) EStH). Besteht die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die selbst ausschließlich der Vermögensverwaltung dient, so liegt auch bei Einflussnahme auf die Geschäftsführung kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (vgl. R 4.1 Abs. 2 Satz 5 KStR 2015 i. V. m. R 5.7 Abs. 5 Satz 4 KStR 2015). Dies gilt auch bei Beteiligung an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft. Die Grundsätze der

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