Kassenleistungen kennen und voll ausschöpfen 5DOI +DXQHU Ihre Rechte als gesetzlich Krankenversicherter DNWXDOLVLHUWH $XʴDJH • Erweiterte Leistungsansprüche ȫ 6W¦UNXQJ EHL GHU $X¡HUNOLQLVFKHQ ,QWHQVLYSʴHJH • Neue Regelungen beim Krankengeld
Ansprüche kennen, nutzen, durchsetzen Die überwiegende Mehrheit ist in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Welche Leistungen jeweils zustehen, ist jedoch oft nicht bekannt. Dieser Leitfaden führt auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung durch die /HLVWXQJHQ GLH YHUSʴLFKWHQG YRQ GHU .DVVH HUEUDFKW ZHUGHQ P¾VVHQ · Gesundheitsförderung, Präventionsleistungen · Früherkennungsmaßnahmen, Vorsorgeuntersuchungen · Ärztliche, zahnärztliche Versorgung · $PEXODQWH /HLVWXQJHQ LP .UDQNKHLWVIDOO · .UDQNHQKDXVDXIHQWKDOW +RVSL] XQG 3DOOLDWLYQHW]ZHUNH PHGL]LQLVFKH Rehabilitation · Leistungen für Schwangere, bei Mutterschaft · .UDQNHQJHOG I¾U %HJOHLWSHUVRQHQ :LHGHUHLQVWLHJ LQ GHQ %HUXI .LQGHU krankengeld $XI ȨKHL¡HȦ (LVHQ ZLH U]WOLFKH =ZHLWPHLQXQJ XQG 6HOEVWEHVFKDIIXQJ .RVWHQ HUVWDWWXQJ ZLUG HEHQVR HLQJHJDQJHQ ZLH DXI JDQ] QHXH 7KHPHQ ] % HOHNWURQL sches Rezept, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Außerklinische ,QWHQVLYSʴHJH VRZLH .UDQNHQJHOG XQG .LQGHUNUDQNHQJHOGDQVSU¾FKH Ralf Hauner LVW .UDQNHQNDVVHQEHWULHEVZLUW 'R]HQW XQG )DFKDXWRU ZZZ :$/+$//$ GH ,6%1 ȵ >'@ :,66(1 )5 ',( 35$;,6 • 9(5671'/,&+ • $1:(1'81*625,(17,(57 • 0,7 35$;,6 TIPPS
| 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort....................................................................................... 9 Ihre Rechte als gesetzlich Krankenversicherter..................... 9 Abkürzungen........................................................................... 11 1. Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge.......................................................... 13 Überblick................................................................................. 14 Prävention und Selbsthilfe für den Versicherten................... 14 Gesundheitsförderung in Lebenswelten................................. 15 Betriebliche Gesundheitsförderung........................................ 16 Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren............... 17 Nationale Präventionsstrategie.............................................. 18 Förderung von Selbsthilfegruppen......................................... 18 Primäre Prävention durch Schutzimpfungen......................... 18 Verhütung von Zahnerkrankungen........................................ 20 Medizinische Vorsorgeleistungen. ......................................... 22 Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter.............................. 26 Empfängnisverhütung............................................................ 28 Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation.......................... 29 2. Früherkennung von Krankheiten....................................... 33 Gesundheitsuntersuchungen Erwachsener............................ 34 Allgemeine Gesundheitsuntersuchungen. ............................. 34 Krebsfrüherkennungsuntersuchungen................................... 35 Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche..... 37
6 | 3. Ärztliche und zahnärztliche Versorgung........................ 41 Grundsätze ärztlicher Behandlung......................................... 42 Freie Arztwahl. ....................................................................... 45 Vertragsärztliche Versorgung................................................. 46 Hausärztliche Versorgung. ..................................................... 47 Hausarztzentrierte Versorgung.............................................. 48 Sorgfaltspflicht des Arztes...................................................... 49 Sprechstunden der Ärzte........................................................ 50 Notdienst................................................................................. 53 Hausbesuche........................................................................... 54 Überweisungen....................................................................... 55 Ärztliche Zweitmeinung......................................................... 56 Elektronische Gesundheitskarte............................................. 58 Elektronische Patientenakte (ePA)......................................... 59 Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)............................ 62 Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden................ 63 Zahnärztliche Behandlung..................................................... 65 4. Ambulante Leistungen im Krankheitsfall...................... 73 Arznei- und Verbandmittel..................................................... 74 Heilmittel................................................................................ 84 Hilfsmittel............................................................................... 91 Häusliche Krankenpflege........................................................ 97 Spezialisierte ambulante Palliativversorgung....................... 103 Außerklinische Intensivpflege. .............................................. 104 Haushaltshilfe......................................................................... 105 Künstliche Befruchtung und Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit. ..................................................... 108 Soziotherapie und sozialpädiatrische Leistungen.................. 111
| 7 Fahrtkosten............................................................................. 112 Zuzahlung und Belastungsgrenze.......................................... 115 Digitale Gesundheitsanwendungen........................................ 119 5. Stationäre Leistungen und medizinische Rehabilitation........................................................................... 121 Krankenhausbehandlung........................................................ 122 Stationäre Hospize.................................................................. 128 Hospiz- und Palliativberatung, Versorgungsplanung............ 129 Förderung der Koordination in Hospiz- und Palliativnetzwerken durch einen Netzwerkkoordinator ....... 130 Rehabilitationsmaßnahmen................................................... 130 6. Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit.................................... 135 Definition Arbeitsunfähigkeit................................................ 136 Stufenweise Wiedereingliederung.......................................... 138 Krankengeld............................................................................ 139 Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes............................. 144 Krankengeld bei Organ- und Gewebespenden....................... 150 Krankengeld für eine bei stationärer Behandlung mitaufgenommene Begleitperson aus dem engsten persönlichem Umfeld.............................................................. 150 7. Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft.. 151 Überblick................................................................................. 152 Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe............................. 152 Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln.... 154 Häusliche Pflege...................................................................... 156 Haushaltshilfe......................................................................... 157 Mutterschaftsgeld................................................................... 158
8 | 8. Familienversicherung............................................................ 163 Anspruchsberechtigter Personenkreis. .................................. 164 Versicherter Personenkreis..................................................... 164 9. Kostenerstattung, selbstbeschaffte Leistung und Wahltarife.................................................................................. 169 Kostenerstattung.................................................................... 170 Selbstbeschaffte Leistung....................................................... 170 Selbstbehalt, Wahltarife. ........................................................ 172 Kostenerstattung Auslandsbehandlung................................. 173 Stichwortverzeichnis............................................................. 175
Ihre Rechte als gesetzlich Krankenversicherter | 9 Ihre Rechte als gesetzlich Krankenversicherter Seit der letzten Auflage des Ratgebers im Juni 2021 hat der Bundesgesetzgeber nach dem Überwinden der Coronapandemie mit einer Vielzahl von Gesetzen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung für zahlreiche Neuerungen und Änderungen gesorgt. Dazu gehören u. a. das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vom 11.11.2022, das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vom 29.12.2022, die Reform der UPD (Unabhängige Patientenstiftung Deutschlands), das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vom 20.07.2023 und das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG), welches im Wesentlichen zum 01.07.2023 in Kraft getreten ist. Darüber hinaus hat das bereits am 29.10.2020 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung und Rehabilitation Leistungsverbesserungen bei der außerklinischen Intensivpflege gebracht. Mit den oben genannten Gesetzen sind auch die Leistungsansprüche der Versicherten, insbesondere in den Themenfeldern elektronisches Rezept, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Krankengeld- und Kinderkrankengeldansprüche geändert und erweitert worden. All diese Änderungen wurden in diese Neuauflage eingearbeitet und werden ausführlich dargestellt. Trotz zahlreicher Reformen sieht sich die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auch für das Jahr 2024 vor gewaltigen finanziellen Herausforderungen. So soll nach derzeitigem Beratungsstand der durchschnittliche Zusatzbeitrag für die gesetzlich Krankenversicherten von derzeit 1,6 Prozent auf 1,7 Prozent steigen. Obwohl die Finanzsituation der GKV angespannt ist, werden Leistungskürzungen für die Versicherten derzeit nicht diskutiert und im Gegenteil wurden durch die oben genannten Gesetze die Leistungsansprüche der Versicherten erweitert und ergänzt. Bei all diesen Änderungen ist es für den Versicherten manchmal nicht leicht zu erkennen, auf welche Rechte er Anspruch hat und wie er diese Leistungen beantragen kann. Dieses Buch will dazu beitragen, die ei-
10 | Vorwort genen Leistungsansprüche zu kennen und diese auch durchzusetzen. Ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet, ohne damit jedoch eine Diskriminierung zum Ausdruck bringen zu wollen. München, im Februar 2024 Ralf Hauner
1 1. Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge Überblick........................................................................................ 14 Prävention und Selbsthilfe für den Versicherten.......................... 14 Gesundheitsförderung in Lebenswelten....................................... 15 Betriebliche Gesundheitsförderung.............................................. 16 Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren...................... 17 Nationale Präventionsstrategie..................................................... 18 Förderung von Selbsthilfegruppen................................................ 18 Primäre Prävention durch Schutzimpfungen............................... 18 Verhütung von Zahnerkrankungen............................................... 20 Medizinische Vorsorgeleistungen................................................. 22 Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter..................................... 26 Empfängnisverhütung.................................................................. 28 Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation................................. 29
14 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 Überblick Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Versicherten Leistungen zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns (Gesundheitsförderung) und zur Verhütung von Krankheiten bzw. Krankheitsrisiken anzubieten; dazu zählen auch Leistungen der medizinischen Vorsorge. Welche Leistungen anzubieten sind und wer diese erhalten kann, erfahren Sie in diesem Kapitel. Hier ein Überblick über mögliche Leistungen, die im Folgenden näher erläutert werden. Wer den Gesetzestext nachlesen möchte, findet die Regelungen in den §§ 20 bis 24 SGB V. Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung Förderung der Gesundheit Verhütung von Krankheiten Primäre Prävention Verhütung von Zahnerkrankungen Betriebliche Gesundheitsförderung Empfängnisverhütung Förderung von Selbsthilfeeinrichtungen Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation Prävention und Selbsthilfe für den Versicherten Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, in ihren Satzungen Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsför-
Gesundheitsförderung in Lebenswelten | 15 1 derung) zu definieren und den Versicherten anzubieten. Diese Leistungen sollen insbesondere dazu beitragen, sozial bedingte sowie geschlechtsbezogene Ungleichheit von Gesundheitschancen zu vermindern. Welche Leistungen genau von der jeweiligen Krankenkasse angeboten werden, ist von dieser wählbar; allerdings muss sie dabei die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen festgelegten Handlungsfelder und Kriterien – insbesondere hinsichtlich des Bedarfs, der Zielgruppen, der Zugangswege, des Inhalts und der Methodik – beachten. Als prioritäre Handlungsfelder sind insbesondere folgende Bereiche vorgesehen: ■■ Bewegungsgewohnheiten (z. B. Förderung der Herz-Kreislauf-Funktion) ■■ Ernährung (Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung) ■■ Stressreduktion/Entspannung ■■ Tabakkonsum reduzieren ■■ Brustkrebs: Mortalität vermindern, Lebensqualität erhöhen ■■ Depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln ■■ gesund älter werden und ■■ Alkoholkonsum reduzieren Praxis-Tipp: Erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, welche Satzungsleistungen die Krankenkasse vorsieht und inwieweit Maßnahmen zur Prävention von Ihrer Krankenkasse unterstützt werden. Häufig bieten die Krankenkassen auch Leistungen im Zusammenhang mit Bonusprogrammen an. Gesundheitsförderung in Lebenswelten Die Krankenkassen erbringen die Leistungen auch in sog. Lebenswelten. Lebenswelten sind nach § 20a Abs. 1 SGB V „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere ■■ des Wohnens, ■■ des Lernens, ■■ des Studierens,
16 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 ■■ der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie ■■ der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports.“ Die Leistungen sollen also auf die Lebensräume der Menschen einwirken, in denen Einfluss auf die Bedingungen für Gesundheit genommen werden kann. Die im Gesetzestext aufgeführten Bereiche sind dabei nur beispielhaft genannt. In der Praxis bedeutsam sind insbesondere Leistungen zur Erlernung von gesundheitsförderlichen Erlebens- und Verhaltensweisen in Kindertagesstätten und Schulen; hier erworbene Kenntnisse können dann auf die Familien ausstrahlen. Die Krankenkassen müssen bei Erbringung von Leistungen in den Lebenswelten mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kooperieren bzw. mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammenarbeiten; dies gilt insbesondere für Aufbau und Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen. Auch kassenübergreifende Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten sollen in Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen entwickelt werden. Ein weiteres Kooperationsfeld ist die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenarbeit der Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Jobcentern bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist (vgl. § 20a Abs. 1 Satz 5 SGB V). Betriebliche Gesundheitsförderung Auch das „Unternehmen“, der „Betrieb“, ist eine eigene Lebenswelt, sodass das eben Beschriebene auch hier gilt. Aufgrund der herausragenden Bedeutung ist der betrieblichen Gesundheitsförderung mit § 20b darüber hinaus eine eigene Norm im SGB V gewidmet. Danach sollen die Krankenkassen mit Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben insbesondere den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen fördern. Hierzu erheben sie unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen für den Betrieb sowie der Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation einschließlich ihrer Risiken und Potenziale. Basierend darauf sollen sie Vorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation
Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren | 17 1 sowie zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten entwickeln und die Betriebe bei der Umsetzung dieser Vorschläge unterstützen und beraten. Bei der Wahrnehmung von Aufgaben zur betrieblichen Gesundheitsförderung arbeiten die Krankenkassen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger sowie den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden zusammen. Sie können Aufgaben durch andere Krankenkassen, durch ihre Verbände oder durch zu diesem Zweck gebildeten Arbeitsgemeinschaften (Beauftragte) mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen und sollen bei der Aufgabenwahrnehmung mit anderen Krankenkassen zusammenarbeiten. Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren Die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren ist primär Aufgabe der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie sind verpflichtet, mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu sorgen. § 20c SGB V verpflichtet die Krankenkassen, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bei ihren Aufgaben zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren zu unterstützen. Insbesondere sollen sie in Abstimmung mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung auf spezifische arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken ausgerichtete Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung erbringen. Überdies informieren die Krankenkassen über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen gewonnen haben. Diese Informationspflicht kann auch ganz konkrete Einzelfälle betreffen: Ist anzunehmen, dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrankheit vorliegt, hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen.
18 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 Nationale Präventionsstrategie Um die vorgenannten Aufgaben bundesweit gut zu bewältigen, wurde mit dem Präventionsgesetz im Jahr 2015 eine Nationale Präventionskonferenz geschaffen – besetzt mit Vertretern der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Konferenz entwickelte eine nationale Präventionsstrategie mit dem Ziel, allen Bürgern Deutschlands „ein gesundes Aufwachsen, ein gesundes Leben und Arbeiten sowie Gesundheit im Alter zu ermöglichen“ (siehe www. npk-info.de/die-npk). Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 20d SGB V. Förderung von Selbsthilfegruppen Teil der Gesundheitsförderung ist die Förderung von Selbsthilfegruppen und -organisationen, die sich die gesundheitliche Prävention oder die Rehabilitation von Versicherten zum Ziel gesetzt haben, sowie von Selbsthilfekontaktstellen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat dazu – unter Beteiligung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenorganisationen der Selbsthilfe – ein Verzeichnis von Krankheitsbildern beschlossen, bei deren gesundheitlicher Prävention oder Rehabilitation eine Förderung zulässig ist. Selbsthilfekontaktstellen müssen für eine Förderung ihrer gesundheitsbezogenen Arbeit themen-, bereichs- und indikationsgruppenübergreifend tätig sein. Primäre Prävention durch Schutzimpfungen Versicherte haben gegenüber ihrer Krankenkasse Anspruch auf Schutzimpfungen, die vor einer übertragbaren Krankheit schützen sollen; dies gilt unabhängig davon, ob sie auch entsprechende Ansprüche gegen andere Kostenträger haben. Dieser Anspruch auf Impfung umfasst auch den Anspruch auf die Bereitstellung einer entsprechenden Impfdokumentation durch den Arzt (Eintrag in das Impfheft).
Primäre Prävention durch Schutzimpfungen | 19 1 Wichtig: Die Krankenkassen informieren die Versicherten in geeigneter Form über fällige Schutzimpfungen, auf die sie Anspruch haben. Der Anspruch auf Übernahme der Impfkosten erfährt eine Ausnahme, wenn es um Schutzimpfungen geht, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt indiziert sind. Hier werden die Kosten per Gesetz nur dann übernommen, wenn der Auslandsaufenthalt beruflich oder durch eine Ausbildung bedingt ist oder wenn zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse daran besteht, der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen. Liegt eine „normale“ Urlaubsreise vor, muss die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen – teilweise tut sie das aber als freiwillige Leistung. Kosten der Corona-Auffrischungsimpfungen, die in Haus- bzw. Facharztpraxen durchgeführt werden, übernehmen vollständig die gesetzlichen Krankenkassen, wenn eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) vorliegt. Unter anderem empfiehlt die STIKO, dass Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (u. a. Personen ab 60 Jahren) sowie Personen mit erhöhtem SARSCoV-2-Infektionsrisiko zukünftig weitere Auffrischungsimpfungen – in der Regel im Mindestabstand von 12 Monaten zur letzten Impfung oder Infektion – erhalten, vorzugsweise im Herbst. Einzelheiten zu Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Leistungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss in der SchutzimpfungsRichtlinie geregelt. Die Krankenkasse kann darüber hinaus in ihrer Satzung weitere Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe vorsehen. Praxis-Tipp: Erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, welche Schutzimpfungen im Einzelnen übernommen werden. Zum Nachweis der Anspruchsberechtigung genügt beim Arzt die Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte.
20 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 Verhütung von Zahnerkrankungen Die Leistungen der Krankenkassen zur Verhütung von Zahnerkrankungen unterteilen sich in die Gruppen- und in die Individualprophylaxe. Gruppenprophylaxe Die Krankenkassen sind verpflichtet, im Zusammenwirken mit den Zahnärzten und den für die Zahngesundheitspflege in den Ländern zuständigen Stellen gemeinsame und einheitliche Maßnahmen zur Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu fördern und sich an den Kosten der Durchführung zu beteiligen. Die Maßnahmen sollen wegen der besonderen pädagogischen Wirksamkeit vorrangig in Gruppen – vor allem in Kindergärten und Schulen – durchgeführt werden und sich insbesondere auf ■■ die Untersuchung der Mundhöhle, ■■ die Erhebung des Zahnstatus, ■■ die Zahnschmelzhärtung, ■■ die Ernährungsberatung und ■■ die Mundhygiene erstrecken. Für Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, sind ebenfalls geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen vorzusehen. In Schulen und Behinderteneinrichtungen, in denen das durchschnittliche Kariesrisiko der Schüler überproportional hoch ist, werden die Maßnahmen bis zum 16. Lebensjahr durchgeführt. Zudem sind die Kassen angehalten, für Kinder mit besonders hohem Kariesrisiko spezifische Programme zu entwickeln. Individualprophylaxe Versicherte, die das sechste, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, können sich zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal in jedem Kalenderhalbjahr zahnärztlich untersuchen lassen. Die Prophylaxeuntersuchung umfasst die Erstellung des Mundhygienestatus, dem die eingehende Untersuchung auf Zahn-, Mund- und
Verhütung von Zahnerkrankungen | 21 1 Kieferkrankheiten vorangeht. Die Untersuchungen sollen sich dabei erstrecken auf: ■■ Befund des Zahnfleisches ■■ Aufklärung über Krankheitsursachen und ihre Vermeidung ■■ Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene ■■ Anfälligkeit gegenüber Karieserkrankungen ■■ Motivation und Einweisung bei der Mundpflege ■■ Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne Zur Kariesvorbeugung haben Versicherte, die das sechste, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zudem – außerhalb der oben genannten Vorsorgemöglichkeiten – Anspruch auf Fissurenversiegelung (Fissuren = Spalten) der Molaren (Mahlzähne). Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um Milchzähne handelt. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt das Nähere über Art, Umfang und Nachweis der individualprophylaktischen Leistungen in Richtlinien. Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen Versicherte, die einem Pflegegrad zugeordnet sind, oder Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe (vgl. § 99 SGB IX) erhalten, haben Anspruch auf zusätzliche zahnärztliche Leistungen, deren Ziel es ist, die Mundgesundheit zu erhalten oder zu verbessern. Die Leistungen umfassen insbesondere ■■ die Erhebung eines Mundgesundheitsstatus, ■■ die Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung, ■■ die Erstellung eines Planes zur individuellen Mund- und Prothesenpflege sowie ■■ die Entfernung harter Zahnbeläge. Pflegepersonen des Versicherten sollen in die Aufklärung und Planerstellung zur individuellen Mund- und Prothesenpflege einbezogen werden.
22 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 Sofern keine zahnmedizinischen Gründe dagegensprechen, können die Leistungen bei Versicherten mit eingeschränkter Mobilität auch zu Hause bzw. in der Pflegeeinrichtung erfolgen. Das Nähere über Art und Umfang der Leistungen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien. Medizinische Vorsorgeleistungen Leistungen der medizinischen Vorsorge sind nach einem gestuften System aufgebaut, das dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ folgt: ■■ Zunächst besteht Anspruch auf eine ambulante Behandlung (meist am Wohnort). ■■ Erst wenn dies nicht ausreicht, um den medizinischen Bedarf zu erfüllen oder wenn berufliche oder familiäre Gründe gegen die Durchführung einer ambulanten Behandlung sprechen, kommt eine ambulante Vorsorgeleistung in einem staatlich anerkannten Kurort in Frage. ■■ Wenn auch diese „ambulante Kur“ nicht ausreicht oder auch hier familiäre oder berufliche Gründe dagegensprechen, ist eine stationäre Behandlung in einer Vorsorgeeinrichtung möglich („stationäre Kur“). Sowohl im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung im Rahmen ambulanter Behandlungen als auch im Rahmen der ambulanten Vorsorgekuren sind die Vorschriften über Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel – insbesondere zu Festbeträgen und zum Ausschluss von Mitteln – zu beachten. Dies gilt auch für die Regelungen der Eigenbeteiligung bzw. Zuzahlung für Arznei- und Verbandmittel sowie für Heilmittel (zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V, siehe Seite 117). Ambulante Behandlung Versicherte haben nach § 23 Abs. 1 SGB V einen Rechtsanspruch auf ärztliche Behandlung sowie Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn damit mindestens eines der folgenden Versorgungsziele erreicht wird: ■■ Beseitigung einer Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde
Medizinische Vorsorgeleistungen | 23 1 ■■ Verhütung von Krankheiten oder Vermeidung von deren Verschlimmerung ■■ Vermeidung von Pflegebedürftigkeit ■■ Entgegenwirken einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes Ambulante Vorsorgeleistungen Reichen bei Versicherten die Leistungen der ambulanten Behandlung nicht aus oder können sie wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden, kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten erbringen. Bei ambulanten Vorsorgeleistungen in staatlich anerkannten Kurorten werden medizinische Leistungen mit kurortspezifischen Heilmitteln (z. B. Fango, Thermalwasser, besonders gesunde Luft) kombiniert. Der Versicherte kann sich die Kureinrichtung selbst aussuchen, er muss seinen Aufenthalt auch selbst organisieren – sich also um Unterkunft und Verpflegung selbst kümmern. Die Dauer liegt in der Regel bei zwei bis drei Wochen. Entsprechend ihrer Zielsetzung kann man unterscheiden: ■■ Ambulante Vorsorgeleistungen zur Krankheitsverhütung: Dies sind Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit und der Verhütung von Krankheiten, die sich kurortspezifischer Mittel und Methoden (z. B. Fango, Thermalwasser, Heilwasser, besonders gesunde Luft) bedienen. ■■ Ambulante Vorsorgeleistungen bei bestehenden Krankheiten: Sie dienen dazu, Heilungsprozesse zu fördern, bestehende Schädigungen und Funktionsstörungen zu beseitigen oder zu vermindern, eine Verschlimmerung zu verhüten, Beschwerden zu lindern, dem Versicherten Hilfen zum besseren Umgang mit seinem Leiden zu geben sowie die Eigenständigkeit im Alter zu erhalten bzw. Alterskrankheiten vorzubeugen. Dies gilt auch und insbesondere zur Vermeidung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit. Es besteht kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf eine „ambulante Kur“ (auch oft „Kururlaub“ oder „Badekur“ genannt); sie muss be-
24 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 antragt werden. Bei der Antragsprüfung werden die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten sozialmedizinisch geprüft. Wichtig: Um die Kur bei der Krankenkasse beantragen zu können, muss der Hausarzt die Notwendigkeit der Kur schriftlich bescheinigen; diese Bescheinigung ist dem Antrag mitzugeben. Wird die Kur genehmigt, werden die Vorsorgeleistungen übernommen; allerdings gelten auch hier Zuzahlungsregeln: Volljährige Versicherte müssen 10 Prozent der Kosten der Heilmittelanwendungen selbst bezahlen. Zusätzlich müssen noch 10 Euro je Verordnung geleistet werden. Unterkunft und Verpflegung sowie sonstige Kosten (z. B. Reisekosten, Kurtaxe) muss der Versicherte selbst tragen. Wichtig: Die Satzung der Krankenkasse kann zu den übrigen Kosten, die Versicherten im Zusammenhang mit dieser Leistung entstehen, einen Zuschuss von bis zu 16 Euro täglich vorsehen. Bei ambulanten Vorsorgeleistungen für versicherte chronisch kranke Kleinkinder kann der Zuschuss auf bis zu 25 Euro erhöht werden. Eine ambulante Kur kann nicht vor Ablauf von drei Jahren erneut beantragt werden, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Stationäre Vorsorgeleistungen Reichen ambulante Behandlung oder ambulante Kurmaßnahmen nicht aus, kann die Krankenkasse eine Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a SGB V besteht. Die stationären Vorsorgeleistungen können im Übrigen auch in einer Eigeneinrichtung der Krankenkasse durchgeführt werden.
Medizinische Vorsorgeleistungen | 25 1 Im Rahmen dieser stationären Vorsorgeleistungen übernehmen die Krankenkassen die Kosten der Behandlung sowie Unterkunft und Verpflegung. Allerdings müssen volljährige Versicherte für die gesamte Dauer der Maßnahme je Kalendertag 10 Euro als Zuzahlung an die Einrichtung entrichten. Der An- und Abreisetag wird dabei als je ein Kalendertag berücksichtigt. Auch die Reisekosten können nach § 60 SGB V übernommen werden – abzüglich der Zuzahlung von 10 Prozent der erstattungsfähigen Kosten, mindestens 5 Euro, höchstens 10 Euro je Fahrt. Auch die stationären Vorsorgeleistungen sollen für längstens drei Wochen erbracht werden (so § 23 Abs. 5 Satz 2 SGB V), sofern nicht in den Leitlinien des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen Indikationen festgelegt sind, denen jeweils eine Regeldauer zugeordnet ist. Dann gilt die dort festgelegte Dauer; von dieser darf nur aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall abgewichen werden. Wichtig: Bitte beachten Sie, dass grundsätzlich immer eine Verlängerung möglich ist, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich ist. Wo die stationäre Kur stattfindet, liegt ebenso im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkassen wie auch Art, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen. Sie haben aber das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten zu beachten; zudem sind die Belange pflegender Angehöriger bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Medizinisch notwendige stationäre Vorsorgemaßnahmen für versicherte Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen in der Regel für vier bis sechs Wochen erbracht werden. Bei der erneuten Inanspruchnahme von stationären Vorsorgeleistungen gilt eine Vierjahresfrist. Ein Antrag auf eine weitere Kur hat damit grundsätzlich erst nach vier Jahren wieder Erfolg – es sein denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.
26 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 Wichtig: Bei der Prüfung dieser Vierjahresfrist werden nicht nur ambulante und stationäre Vorsorgeleistungen der Krankenkasse berücksichtigt. Vielmehr zählen auch Gesundheitsmaßnahmen der Rentenversicherungsträger, Maßnahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe nach dem SGB XII (Sozialhilfe) und Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der Heilbehandlung und Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz (ab 01.01.2023: SGB XIV) dazu. Praxis-Tipp: Wollen Sie eine ambulante oder stationäre Maßnahme vor Ablauf von vier Jahren erneut antreten, dann lassen Sie sich dies von Ihrem behandelnden Arzt bescheinigen und legen Sie diese Bescheinigung zusammen mit Ihrem Antrag der jeweiligen Krankenkasse vor. Die Krankenkasse wird die Angelegenheit ggf. dem Medizinischen Dienst vorlegen, der eine entsprechende Prüfung durchführt. Ist die Entscheidung des Medizinischen Dienstes negativ, wird die Krankenkasse Ihren Antrag ablehnen. Gegen diese Ablehnung können Sie Widerspruch erheben und eventuell im Klageverfahren vorgehen. Die Erhebung des Widerspruchs bzw. der Klage sollte allerdings nur dann erfolgen, wenn die Angelegenheit Aussicht auf Erfolg hat. Dringend zu empfehlen ist eine Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt. Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter ist eine spezielle Form der stationären Kur für Mütter und Väter (§ 24 SGB V). Sie wird für Mütter und Väter angeboten, die ihre Kinder in die Kur mitnehmen müssen. Wichtig: Mutter/Vater-Kind-Kuren, auch zur medizinischen Vorsorge, sind Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht also ein Rechtsanspruch!
Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter | 27 1 Beim Anspruch auf diese Leistungen wird klargestellt, dass bei Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter ambulante Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sein müssen, wenn das angestrebte Vorsorgeziel nicht mit diesen Maßnahmen zu erreichen ist. Dies entspricht der Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation des Medizinischen Dienstes. Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter sind ausschließlich stationär in Einrichtungen mit einem Versorgungsvertrag nach § 111a SGB V zu erbringen (Müttergenesungswerk oder gleichartige Einrichtung). Voraussetzung für die Gewährung einer stationären Maßnahme ist, dass für die Mutter/den Vater eine medizinische Indikation besteht, die einen Kuraufenthalt erforderlich macht. Beispielsweise finden sich bei Müttern/Vätern gehäuft nachfolgend genannte Gesundheitsstörungen: ■■ Erschöpfungssyndrom (Burn-out-Syndrom) ■■ unspezifische muskuloskelettale Beschwerden ■■ depressive Verstimmung ■■ Schlafstörungen ■■ Kopfschmerzen ■■ Unter-/Über-/Fehlernährung ■■ funktionelle Magen-Darm-Probleme Die Leistungen verfolgen – unter Berücksichtigung der allgemeinen und mütter-/väterspezifischen Kontextfaktoren – das Ziel, den spezifischen Gesundheitsrisiken und ggf. bestehenden Erkrankungen von Müttern und Vätern entgegenzuwirken. Das Leistungsangebot ist deshalb auf die besonderen Bedürfnisse der Mütter/Väter und ggf. Kinder ausgerichtet. Die Mitaufnahme eines oder mehrerer Kinder ist notwendig, wenn die Trennung von der Mutter oder dem Vater aus medizinischen Gründen oder aus anderen Gründen nicht zu verantworten ist, wobei die Gründe sowohl in der Person des Kindes als auch in der Person der Mutter bzw. des Vaters liegen können. Die Kur dauert grundsätzlich drei Wochen. Der Zeitraum kann auch hier nur überschritten werden, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Sie soll – sofern sie von Sozialleistungsträgern oder im Rahmen anderer öffentlich-rechtlicher Regelungen getragen oder be-
28 | Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung, medizinische Vorsorge 1 zuschusst wurde – nicht vor Ablauf von vier Jahren wiederholt werden. Eine vorzeitige erneute Kur kann nur getragen oder bezuschusst werden, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich ist. Da die Krankenkasse die vollen Kosten der Maßnahme übernimmt, müssen auch hier Zuzahlungen wie im Falle einer stationären Maßnahme geleistet werden (10 Euro je Kalendertag). Für das Kind sind keine Zuzahlungen zu leisten. Empfängnisverhütung Zu den Leistungen zur Verhütung von Krankheiten zählt der Gesetzgeber auch die Leistungen zur Empfängnisverhütung (§ 24a SGB V). Diese umfassen: ■■ Beratungen und Untersuchungen zur Empfängnisregelung ■■ empfängnisverhütende, ärztlich verordnete Mittel bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres Ärztliche Beratung und Untersuchung Die ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung umfasst sowohl die Beratung über Hilfen, die geeignet sind, eine Schwangerschaft zu ermöglichen als auch eine Schwangerschaft zu verhüten. Eine allgemeine Sexualaufklärung oder Sexualberatung fällt nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Zur ärztlichen Beratung zählen auch die im Zusammenhang mit den Fragen der Empfängnisregelung erforderlichen Untersuchungen (einschließlich humangenetischer Untersuchungen zur Abklärung einer Gefährdung für Mutter und Kind bei begründetem Verdacht auf ein genetisches Risiko) sowie die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln. Empfängnisverhütende Mittel Versicherte bis zum vollendeten 22. Lebensjahr haben Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln; die gesetzliche Zuzahlungsregelung für Arzneimittel gilt entsprechend.
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