Eingruppierung TVöD-VKA in der Praxis Annett Gamisch · Thomas Mohr Die wesentlichen Tätigkeitsmerkmale nach der Entgeltordnung der Kommunen DNWXDOLVLHUWH $XʴDJH
Die Eingruppierungsregeln sicher anwenden Das Praxis-Handbuch widmet sich den Eingruppierungsgrundlagen und der Entgeltordnung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Kommunen. Tarifbeschäftigte, Personalratsmitglieder, Gewerkschaften, Mitarbeiter in Personalabteilungen und Dienststellenleitungen erhalten einen fundierten Überblick zu den wichtigsten Eingruppierungsgrundlagen, den Tätigkeitsmerkmalen und deren Anforderungen. Mithilfe von zahlreichen Praxis-Tipps und Beispielen aus der Rechtsprechung gelingt eine tarifkonforme Zuordnung zur richtigen Entgeltgruppe. Dargestellt werden: • Grundlagen der Eingruppierung nach dem TVöD-VKA • Aufbau der Entgeltordnung • Auslegung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für handwerkliche und verwaltende Tätigkeiten • Der Eingruppierungsvorgang: Ermitteln der korrekten Eingruppierung • Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung Annett Gamisch, Diplom-Betriebswirtin (BA) für öffentliche Wirtschaft; Trainerausbildung; langjährige Erfahrung in der Eingruppierung und Stellenbeschreibung für den öffentlichen und kirchlichen Dienst; Geschäftsführerin des Instituts für PersonalWirtschaft (IPW) GmbH in Fulda, das den öffentlichen und kirchlichen Dienst schult und personalwirtschaftlich berät. Thomas Mohr, Ass. jur., Studium der Rechtswissenschaft mit Schwerpunkt Öffentliches Recht, Referent für Tarifrecht des Instituts für PersonalWirtschaft (IPW) GmbH in Fulda, langjährige Erfahrung als Berater in Eingruppierungsfragen und in der Erstellung von Stellenbeschreibungen und -bewertungen für den öffentlichen und kirchlichen Dienst. ISBN 978-3-8029-1518-5 € 32,95 [D] • AKTUELL • PRAXISGERECHT • VERSTÄNDLICH WISSEN FÜR DIE PRAXIS www.WALHALLA.de
Schnellübersicht 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Abschluss der Tarifreform im öffentlichen Dienst 7 Abkürzungen 9 Die Eingruppierungsregeln des TVöD-VKA im Überblick 13 Die Grundlagen der Eingruppierung 17 Der Einstieg in die Entgeltordnung 35 Teil A Abschnitt I. Ziffer 1.: Einfachste Tätigkeiten 63 Teil A Abschnitt I. Ziffer 2.: Handwerkliche Tätigkeiten 71 Teil A Abschnitt I. Ziffer 3.: Entgeltgruppen 2 bis 9a 95 Teil A Abschnitt I.: Entgeltgruppen 9b bis 15 im Überblick 129 Teil A Abschnitt I. Ziffer 3.: Entgeltgruppen 9b bis 12 141 Teil A Abschnitt I. Ziffer 4.: Entgeltgruppen 13 bis 15 173 Der Weg zur richtigen Eingruppierung 191
13 12 11 Die Mitbestimmung 211 Literaturverzeichnis 219 Stichwortverzeichnis 223
Abschluss der Tarifreform im öffentlichen Dienst 7 www.WALHALLA.de Abschluss der Tarifreform im öffentlichen Dienst Zum 01.01.2017 sind die Eingruppierungsregelungen des TVöD-VKA in Kraft getreten. Grundlegende Verfahrensfragen regeln die §§ 12, 13 TVöD-VKA. Deren Ausgestaltung durch die Entgeltordnung findet sich in Anlage 1 TVöD-VKA. Die Regelung der Eingruppierung im TVöD-VKA macht deutlich, was sich mit den Entgeltordnungen im TV-L und TVöD-Bund schon angekündigt hat. Die Eingruppierungsbestimmungen im öffentlichen Dienst behalten ihren gemeinsamen Kern und nähern sich über die Änderungstarifverträge wieder mehr und mehr an. Betrachtet man die Eingruppierungsbestimmungen für den TVöDVKA im Vergleich zu denen im TV-L und TVöD-Bund, wird schnell klar, dass sich die Tarifvertragsparteien vor allem am TVöD-Bund orientiert und darüber hinaus eigene Regelungsakzente gesetzt haben. Prinzipiell wurde aber am alten Eingruppierungssystem des BAT angeknüpft. Aus den Eingruppierungsregeln wollen wir Ihnen mit diesem PraxisHandbuch neben einem kurzen Überblick über die Grundregeln zur Eingruppierung (§§ 12, 13 TVöD-VKA) vor allem die Allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung vorstellen. Daher baut dieses Buch auch auf unserem Fachratgeber „Grundlagen der Eingruppierung TVöD und TV-L“ auf, der die Grundregeln der tarifkonformen Eingruppierung ausführlicher darstellt. Als Tarifanwender können Sie dieses Handbuch aber auch unabhängig davon lesen und gewinnbringend nutzen. Den Leserinnen und Lesern dieses Buchs wollen wir eine schnelle und zuverlässige Hilfe bieten. Ausschließlich im Interesse der Lesefreundlichkeit verwenden wir daher die männliche Sprachform. Fulda Annett Gamisch Thomas Mohr
Die Eingruppierungsregeln im Überblick 13 www.WALHALLA.de 1 Die Eingruppierungsregeln des TVöD-VKA im Überblick Nach langen Verhandlungen haben sich die Tarifvertragsparteien im Rahmen der Tarifrunde 2016 auf eine neue Entgeltordnung verständigt. Sie ist zum 01.01.2017 in Kraft getreten und löste die bisherigen Übergangsregelungen des § 17 TVÜ-VKA ab. Die Grundregeln zur Eingruppierung finden sich in §§ 12, 13 TVöDVKA. Sie entsprechen – redaktionell angepasst – den früheren Regelungen der §§ 22, 23 BAT. Dabei löst § 12 TVöD-VKA den § 22 BAT ab und regelt wichtige Verfahrensfragen. Checkliste: (Alte) Neuregelungen in § 12 TVöD-VKA § 22 BAT – Altregelung § 12 TVöD-VKA – Neuregelung Tarifautomatik: Der Angestellte „ist“ eingruppiert… Tarifautomatik: Der Beschäftigte „ist“ eingruppiert … … nach Maßgabe der aus-zu-übenden Tätigkeit … die auf Dauer und nicht nur vorübergehend übertragen worden ist. Maßgeblich ist die gesamte Tätigkeit … gegliedert nach Arbeitsvorgängen … … auch für Arbeiter und die Entgeltgruppe 1 … und mit Zeitanteilen. Bestimmender Zeitanteil ist die Hälfte (= 50 Prozent) … … sofern kein abweichender Zeitanteil in der Entgeltordnung bestimmt wird (1/3 usw.). Zusammenfassende Betrachtung Die Entgeltgruppe ist im Arbeitsvertrag (deklaratorisch) anzugeben. Faktisch kann ohne tarifkonforme Stellenbeschreibung nicht eingruppiert werden … … wobei der Tarifvertrag die Regelung der Stellenbeschreibung weiterhin unterlässt.
Die Eingruppierungsregeln im Überblick 14 www.WALHALLA.de 1 § 12 TVöD-VKA klärt damit die Frage, wie eingruppiert wird. Wo eingruppiert wird, regelt die neue Entgeltordnung – gefasst als Anlage 1 zum TVöD-VKA. Checkliste: (Alte) Neuregelungen in Anlage 1 – Entgeltordnung VKA Anlage 1a zu § 22 BAT – Altregelung Anlage 1 – Entgeltordnung VKA – Neuregelung Die Vergütungsordnung als Anlage 1a und 1b zum BAT. Die Entgeltordnung als Anlage 1 zum TVöD-VKA. Die Anlage 1a mit allgemeinen und zusätzlichen (= speziellen) Tätigkeitsmerkmalen … … jetzt strukturiert in einen Allgemeinen (Teil A) und einen Besonderen Teil (Teil B). Die Anlage 1a gilt nicht für Arbeitertätigkeiten. Für Arbeitertätigkeiten sind im TVöD-VKA nur allgemeine Tätigkeitsmerkmale als bundesweit geltende Regelung vereinbart worden (Teil A Abschnitt I. Ziffer 2.). Spezielle Tätigkeitsmerkmale sind auf Landesebene zu vereinbaren. Für NRW gelten besondere Regelungen (Anhang – Regelungskompetenzen – zur Anlage 1 zum TVöD-VKA). Lehrer sind von den Eingruppierungsregeln ausgenommen, soweit nicht ausdrücklich ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist (Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zu § 22 BAT). Keine Geltung für Lehrer, soweit nicht ausdrücklich ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist (Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage 1 zum TVöD-VKA). Der Allgemeine Teil (Teil I) der Vergütungsordnung enthält nicht nur allgemeine Tätigkeitsmerkmale, sondern auch Beispiele für bestimmte Berufsgruppen (Archiv- und Bibliotheksdienst). Der Allgemeine Teil (Teil A) der Entgeltordnung enthält nicht nur allgemeine Tätigkeitsmerkmale, sondern auch spezielle Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Berufsgruppen (Bezügerechner, IT-Mitarbeiter, Ingenieure, Meister, Techniker, Vorlesekräfte für Blinde). ggf. sind Unterstellungsverhältnisse eingruppierungsrelevant ggf. sind Unterstellungsverhältnisse eingruppierungsrelevant
Die Eingruppierungsregeln im Überblick 15 www.WALHALLA.de 1 Für die Allgemeinen Tätigkeitsmerkmale gilt: Neue Allgemeine Tätigkeitsmerkmale finden sich vor allem in den Entgeltgruppen 2 bis 4 des Teils A Abschnitt I. der Entgeltordnung. Die Entgeltgruppen 5 bis 7 weichen vom verwandten TV-L ab. Ansonsten wurde das Bestehende reformiert und der Ausbildungsbezug der Tätigkeitsmerkmale weiter gestärkt. Die befürchtete (oder erhoffte) Revolution blieb aus. Das spiegelt sich insbesondere in der faktischen Trennung der Belegschaft in „Angestellte“ und „Arbeiter“ wider. Für Letztere gilt in Bezug auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ab Entgeltgruppe 2 ausschließlich der Teil A Abschnitt I. Ziffer 2. der Anlage 1 – Entgeltordnung VKA mit eigenständigen Regelungen. Da für die Entgeltgruppe 1 gemäß Teil A Abschnitt I. Ziffer 1. eine eigene Struktureinheit gebildet wurde, gilt diese für beide Beschäftigtengruppen. Die strukturelle Trennung zwischen allgemeinen „Arbeiter“- und „Angestellten“-Tätigkeitsmerkmalen beginnt also erst mit Entgeltgruppe 2.
2 Die Grundlagen der Eingruppierung 1. § 12 TVöD-VKA................................................................... 18 2. Summarische/analytische Bewertung ............................... 19 3. Grundsatz der Tarifautomatik........................................... 20 4. Regelmäßig auszuübende Tätigkeit.................................. 21 5. Arbeitsvorgang .................................................................. 25 6. Zeitanteile: Die 50-Prozent-Grenze .................................. 31 7. Zusammenfassende Betrachtung. ..................................... 32 8. Eingruppierung in besonderen Fällen .............................. 33
Die Grundlagen der Eingruppierung 18 www.WALHALLA.de 2 1. § 12 TVöD-VKA Die Grundlage der Eingruppierung ist § 12 TVöD-VKA. § 12 TVöD-VKA (1) 1Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). 2Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist. (2) 1Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. 2Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. 3Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. 4Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. 5Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. 6Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein. Protokollerklärung zu Absatz 2: 1Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). 2Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. 3Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe. (3) Die Entgeltgruppe der/des Beschäftigten ist im Arbeitsvertrag anzugeben. Protokollerklärung zu §§ 12 (VKA), 13 (VKA): Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung bleiben unberührt. (Hervorhebungen durch die Verfasser)
2. Summarische/analytische Bewertung 19 www.WALHALLA.de 2 § 12 TVöD-VKA regelt das Eingruppierungsverfahren und bestimmt damit, „wie“ einzugruppieren ist. „Wo“ der Beschäftigte eingruppiert ist, gibt die Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) – vor. 2. Summarische/analytische Bewertung Der TVöD-VKA sieht ein sogenanntes summarisches Bewertungsverfahren vor. Dabei erfolgt zunächst eine qualitative Gesamteinschätzung der an den Arbeitnehmer gestellten Arbeitsanforderungen anhand vorgegebener Bewertungskriterien (sog. Tätigkeitsmerkmale). Bei diesen handelt es sich im Wesentlichen um die Merkmale ▪▪ Kenntnisse (Ausbildung), ▪▪ Fähigkeiten und ▪▪ Verantwortung. Sie bestimmen den Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung. Diese werden in einem weiteren Schritt quantifiziert, indem die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade der Arbeiten zueinander ins Verhältnis gesetzt und unterschiedlichen Entgeltgruppen zugeordnet (katalogisiert) werden. Dieses Modell ist von der sogenannten analytischen Stellenbewertung abzugrenzen; beide Modelle dürfen nicht miteinander vermengt werden. Beim sogenannten analytischen Verfahren, das regelmäßig bei der Dienstpostenbewertung der Beamten eingesetzt wird, erfolgt keine qualitative Gesamteinschätzung der übertragenen Tätigkeit. Vielmehr werden die qualitativen Anforderungen an die Arbeit durch mehrere Einzelmerkmale in ihren (wesentlichen) Einzelheiten beschrieben. Der Schwierigkeitsgrad der zu erbringenden Arbeitsleistung wird aus einer qualitativen Analyse dieser arbeitsbestimmenden Einzelmerkmale (z. B. Können, Belastung, Verantwortung, Arbeitsbedingungen) ermittelt. Die Quantifizierung (Einstufung) richtet sich dann nach dem sogenannten Rangreihenverfahren oder dem Stufenwertzahlverfahren (einführend siehe Gamisch/Mohr, gEG, IV B.2.2; vertiefend Scholz, S. 849 ff.). Das von der Gewerkschaft ver.di angedachte Mischmodell (vgl. Fieg/ Rothländer, ZTR 2008, S. 410 ff.) hat sich nicht durchgesetzt.
Die Grundlagen der Eingruppierung 20 www.WALHALLA.de 2 Praxis-Tipp: § 12 TVöD-VKA trifft wie § 22 BAT und § 12 TV-L/TVöD-Bund für die Eingruppierung eine bindende und abschließende Regelung, die sich als summarische Arbeitsbewertung darstellt. Das BAG hat entschieden, dass eine analytische Stellenbewertung, wie sie bei Beamten vorgenommen wird, im Geltungsbereich des BAT nicht anwendbar ist (vgl. BAG 15.02.1971, 4 AZR 147/70, AP Nr. 38 zu §§ 22, 23 BAT; BAG 14.08.1985, 4 AZR 21/84, AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Da § 12 TVöD-VKA die Bestimmungen des § 22 BAT im Wesentlichen fortführt, gilt dies somit auch für das neue Eingruppierungsrecht im TVöD-VKA. 3. Grundsatz der Tarifautomatik Auch im TVöD-VKA gilt weiterhin der sogenannte Grundsatz der Tarifautomatik: Der Mitarbeiter „wird“ nicht, vielmehr „ist“ er in eine Entgeltgruppe eingruppiert (siehe § 12 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA). Es erfolgt somit kein „Eingruppierungsakt“, sondern eine „automatische“ Eingruppierung. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem „Akt der Rechtsanwendung“, mit dem die Äußerung einer Rechtsansicht durch den Arbeitgeber verbunden ist (vgl. BAG 05.07.2023, 4 AZR 289/22 m. w. N., AP Nr. 7 zu § 29a TVÜ; BAG 02.06.2021, 4 AZR 387/20, AP Nr. 7 zu § 12 TV-L). Nach diesem Modell kann es folglich keine falsche Eingruppierung geben, sie ist immer korrekt. Es ist eine andere Frage, ob der Arbeitgeber das tarifgerechte Ergebnis erkannt hat (vgl. Gamisch/Mohr, Grundlagen, Kapitel 2.1, Gamisch/Mohr, gEG, IV B.4 m. w. N.). Objektive Fehler bei der Eingruppierung können deshalb grundsätzlich mit einer sogenannten korrigierenden Herabgruppierung beseitigt werden (Gamisch/Mohr, gEG, IV B 13.3).
4. Regelmäßig auszuübende Tätigkeit 21 www.WALHALLA.de 2 4. Regelmäßig auszuübende Tätigkeit Der Tarifvertrag stellt nach wie vor auf die regelmäßig aus-zuübende Tätigkeit ab. Die aus-ge-übte Tätigkeit ist weiterhin ohne Bedeutung. Die Rechtslage gleicht dem TV-L und TVöD-Bund. Die auszuübende Tätigkeit ist die vom Arbeitgeber übertragene Tätigkeit. Sie ergibt sich regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag. Für die Eingruppierung sind somit allein die Tätigkeiten maßgeblich, die der Arbeitgeber auf Basis des Arbeitsvertrags übertragen und im Rahmen seines Direktionsrechts ggf. weiter konkretisiert hat (vgl. BAG 24.09.2015, 2 AZR 680/14, AP Nr. 165 zu § 2 KSchG 1969, ZTR 2016, S. 275 ff. m. w. N.). Praxis-Tipp: Da ein Arbeitnehmer nur mit seiner Zustimmung zum Abfallbeauftragten (hier in einem kommunalen Krankenhaus) bestellt werden kann, scheidet – soweit entsprechendes nicht bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen ist – eine Aufgabenzuweisung im Wege des Direktionsrechts aus. Durch die Bestellung einzelner Arbeitnehmer zu Funktionsbeauftragten im bestehenden Arbeitsverhältnis wird vielmehr der Arbeitsvertrag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben erweitert. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot durch Übernahme der Tätigkeit an und dokumentiert er damit sein Einverständnis mit der Bestellung, wird der Arbeitsvertrag für die Zeitspanne der Amtsübertragung entsprechend geändert und angepasst. Wird die Bestellung wirksam widerrufen oder entfällt das Funktionsamt auf andere Weise, ist die Tätigkeit nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Eine Abberufung muss – als einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers – billigem Ermessen nach § 315 BGB entsprechen. Das ist nur dann nicht erforderlich, wenn sich die vertragsschließenden Parteien auf eine „freie Widerruflichkeit“ der Amtsübertragung geeinigt haben. (vgl. BAG 18.10.2023, 5 AZR 68/23, AP Nr. 115 zu § 315 BGB) Für die Ermittlung der übertragenen (auszuübenden Tätigkeit) kommt es auch nicht darauf an, welche Aufgaben die einzelnen Beschäftigten ausüben, weil dies schon in der Vergangenheit zu
Die Grundlagen der Eingruppierung 22 www.WALHALLA.de 2 ihren Aufgaben gehörte oder weil sonst Aufgaben nicht erledigt werden. Entscheidend sind der Arbeitsvertrag und die im Rahmen des Direktionsrechts zugewiesenen Tätigkeiten. Der Beschäftigte kann sich daher eingruppierungsrechtlich nicht auf die von ihm tatsächlich wahrgenommenen Tätigkeiten, auch wenn sie höher zu bewerten sind, berufen. Auch kann sich der Beschäftigte eine Tätigkeit selbst nicht zuweisen (vgl. LAG SLH 30.01.2018, 2 TaBV 19/17, ZTR 2018, S. 580 ff.). Damit stellt sich die Frage, wer diese Arbeitgeberfunktion innehat. Das ist in der Regel die Personal- bzw. Organisationsabteilung als personalbewirtschaftende Stelle. Überträgt hingegen ein dazu nicht befugter (Fach-)Vorgesetzter einem Beschäftigten höherwertige Tätigkeiten, führt dies nicht zu einem tariflichen Anspruch auf höheres Entgelt, da die höherwertige Tätigkeit aufgrund der unsachgemäßen Übertragung nicht zur auszuübenden Tätigkeit geworden ist. Der automatische Anspruch auf ein tarifkonformes Entgelt setzt somit erst dann ein, wenn die entsprechenden Tätigkeiten durch das sachlich zuständige Organ der Dienststelle übertragen oder zumindest stillschweigend geduldet wurden (vgl. BAG 05.05.1999, 4 AZR 360/98, AP Nr. 268 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Köln 20.01.2016, 11 Sa 460/15, zit. nach WKRS 2016, 39125). Statten Arbeitgeber bestimmte leitende Mitarbeiter mit einer solchen Vertretungsmacht zur Übertragung von (höherwertigen) Tätigkeiten aus, müssen sie sich das vertragsrechtlich zurechnen lassen. Eine solche Zurechnung setzt aber voraus, dass der Mitarbeiter auf das Vorliegen einer solchen Bevollmächtigung bzw. die Billigung des Handelns des leitenden Mitarbeiter als Arbeitgebervertreter trauen darf. Teilt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter aber schriftlich mit, dass eine bestimmte Stelle/Abteilung – und nicht der leitende Mitarbeiter – die personalbewirtschaftende Stelle ist, liegt kein solcher Vertrauenstatbestand vor (vgl. BAG 16.04.2015, 6 AZR 242/14, AP Nr. 2 zu § 14 TVöD, ZTR 2015, S. 439 ff.). Wichtig: Der öffentliche Arbeitgeber sollte deshalb für klare Zuständigkeiten sorgen. Dabei soll nur die auszuübende Tätigkeit eine Rolle bei der Eingruppierung spielen, die dem Mitarbeiter „nicht nur vorübergehend“, sondern auf Dauer übertragen wurde und die er damit regelmäßig ausüben soll. Diese Tätigkeiten sind abzugrenzen von solchen Tätigkeiten, die dem Mitarbeiter nur vorübergehend übertragen werden.
4. Regelmäßig auszuübende Tätigkeit 23 www.WALHALLA.de 2 Wichtig: Der Arbeitgeber hat somit zwei Möglichkeiten, höherwertige Tätigkeiten zu übertragen: ▪▪ Fallen Tätigkeiten nicht dauerhaft für den Mitarbeiter an, erfolgt die Übertragung im Rahmen des § 14 Abs. 1 TVöD-VKA – bzw. eventuell auch nach § 32 Abs. 3 TVöD-VKA, wenn es sich um eine entsprechende Führungsfunktion handelt – und löst gemäß §§ 14 bzw. 32 TVöD-VKA entsprechende tarifliche Zulagenzahlungen aus (zur Anwendung der §§ 14 und 32 TVöD-VKA siehe BAG 16.07.2020, 6 AZR 287/19, AP Nr. 1 zu § 32 TVöD und BAG 28.10.2021. 6 AZR 9/21, AP Nr. 2 zu § 32 TVöD). ▪▪ Handelt es sich um regelmäßig und damit auf Dauer anfallende Tätigkeiten, führt deren Übertragung zur Eingruppierung nach § 12 TVöD-VKA. Maßgeblich ist der bei der Übertragung der Tätigkeit zum Ausdruck kommende Wille des Arbeitgebers. Aus ihm muss sich ergeben, ob die Tätigkeit auf Dauer oder nur vorübergehend übertragen werden soll (vgl. BAG 22.06.2022, 4 AZR 440/21, AP Nr. 15 zu § 12 TVöD m. w. N.) Dabei stellt die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf Dauer den Regelfall dar. Demgegenüber ist die vorübergehende Übertragung nach § 14 TVöD-VKA die Ausnahme und erfordert deshalb einen ausreichenden Grund, um billigem Ermessen (§ 106 GewO i. V. m. § 315 BGB) zu entsprechen. Allein die mögliche Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten reicht nicht aus. Die Regelung des § 14 TVöD-VKA kann nicht dafür herangezogen werden, die Ungewissheit über die Dauer der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit auf den Mitarbeiter zu verlagern. Die Anwendung des § 14 TVöD-VKA setzt vielmehr hinreichend gesicherte Planungs- und Prognosegrundlagen voraus. Eine bloße Grundsatzentscheidung über Aufgabenverlagerungen ohne entsprechende zeitliche und sonstige weitere Konkretisierungen, reicht nicht (BAG 04.07.2012, 4 AZR 759/10, AP Nr. 1 zu § 14 TVöD). Zusammenfassend ist für die Eingruppierung zunächst die vom Arbeitgeber dauerhaft übertragene Tätigkeit maßgeblich, während folgende Aspekte für die Eingruppierung keine Rolle spielen:
Die Grundlagen der Eingruppierung 24 www.WALHALLA.de 2 Unerheblich für die Eingruppierung ▪▪ Stellenplan ▪▪ Stellenanzeigen und Ausschreibungstexte ▪▪ Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ▪▪ Ausgewiesene Stellen im Haushalts- oder Stellenplan ▪▪ Beschlüsse politischer Gremien ▪▪ Bewertungen von Stellenbewertungskommissionen ▪▪ Einarbeitungszeit ▪▪ Eingruppierung vergleichbarer (früherer) Beschäftigter (Angestellte, Arbeiter, Beamte) ▪▪ Eingruppierungsrichtlinien einer Tarifvertragspartei ▪▪ Geschäftsverteilungspläne ▪▪ Qualität der geleisteten Arbeit ▪▪ Quantität der geleisteten Arbeit ▪▪ Schlüsselqualifikationen (z. B. Kontaktfähigkeit, Phantasie, Eigeninitiative, Verhandlungsgeschick) (vgl. Gamisch/Mohr, gEG, IV B.4.2 m. w. N.)
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