Haushaltsrecht von Bund und Ländern

Haushaltsrecht von Bund und Ländern Peter Mühlhausen · Andreas Reus Vorschriftensammlung mit praxisorientierter Einführung Ideale Arbeitshilfe für die Planung und Ausführung des Haushalts auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene

WISSEN FÜR DIE PRAXIS • AKTUELL • PRAXISGERECHT • VERSTÄNDLICH Der schnelle Zugang zum Haushaltsrecht Diese Textsammlung enthält die wichtigsten haushaltsrechtlichen Gesetze, Verordnungen und Ordnungen der Bundesrepublik Deutschland, der 16 Bundesländer sowie auf kommunaler Ebene: • Haushaltsrecht des Bundes, u. a. Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG) Bundeshaushaltsordnung (BHO) Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz - StabiRatG) • Haushaltsrechtliche Vorschriften auf Landesebene, u. a. Auszüge aus den Landesverfassungen Landeshaushaltsordnung (LHO) • Haushaltsrechtliche Vorschriften auf kommunaler Ebene, u. a. Auszüge aus der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, sowie Kommunalverfassungen Gemeinde- bzw. Kommunalhaushaltsverordnungen Perfekt zur Einarbeitung in die Materie: Die Einführung stellt - praxisnah - Haushaltsgrundsätze und Haushaltswesen in Bund, Länder und Kommunen dar. Rechtsstand: April 2024 Inkl. Testzugang zum Online-Dienst „Haushaltsrecht“ mit weiteren Vorschriften. Dr. iur. Peter Mühlhausen ist Ministerialrat und seit seinem Eintritt im Jahre 2000 in verschiedenen Bereichen des Hessischen Rechnungshofs tätig gewesen, u. a. als Justiziar für den gesamten Geschäftsbereich. Derzeit leitet er ein Prüfungsreferat. Andreas Reus ist Ministerialdirigent und langjähriger Leiter der Präsidialabteilung des Hessischen Rechnungshofs. Zuvor war er über viele Jahre Leiter verschiedener Prüfungsreferate, u. a. im Bereich Haushaltsrecht und Grundsatzfragen, sowie Haushaltsbeauftragter seiner Behörde. ISBN 978-3-8029-1007-4 € 36,95 [D] www.WALHALLA.de

Vorwort der Herausgeber Welchen Hoheitsträger auch immer es betreffen mag – Gemeinsamkeiten bestehen jeweils hinsichtlich des dauerhaften Bedarfs an Finanzmitteln. Denn eigene Staatlichkeit – und damit Handlungsfähigkeit, die alle Bürger betrifft – können Bund und Länder nur entfalten, wenn sie über hinreichend viele finanzielle Mittel verfügen. Gleichwohl finden Debatten und Entscheidungen zu haushaltsrechtlichen Fragen i. d. R. nur in besonders herausgehobenen Fällen die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit. Etwa die spektakuläre Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 (Urt. v. 15. 11. 2023 – 2 BvF 1/22) sowie die des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen zur Unvereinbarkeit des Gesetzes über das Sondervermögen „Hessens gute Zukunft sichern“ mit der Verfassung des Landes Hessen (Urt. v. 27. 10. 2021 – P.St. 2783, P.St. 2827) waren bemerkenswerte Ausnahmen. Sie haben exemplarisch deutlich gemacht, dass dem Haushaltsrecht außerordentliche praktische, aber auch größte politische Bedeutung zukommt. Daher hat das Bundesverfassungsgericht vollkommen zu Recht hervorgehoben, dass es sich bei den Vorschriften des bundesstaatlichen Finanz- und Haushaltsverfassungsrechts – insbesondere bei dem Staatsschuldenrecht – nicht um „minder verbindliche Regelungen“ i. S. v. „soft law“ handele oder um „Normen minderer Geltungskraft“. Die Erhebung, Verteilung und Verwendung der finanziellen Mittel in und auf den Ebenen Bund – Länder – Kommunen ist ein komplizierter und nicht leicht zu fassender Prozess. Dementsprechend ist der diesbezügliche juristische Ansatz sehr weitgefächert und geht weit über das Bundesrecht hinaus. Er reicht von speziellen verfassungsrechtlichen Regelungen bis hin zu Fragen einfacher Verwaltungsvorschriften des Haushalts- und Kassenrechts. Die dieser Textausgabe und der ihr beigegebenen Einführung zugrunde liegende Idee ist es, eine dem Bedarf der Praxis auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen entsprechend umfassende, klar gegliederte und leicht handhabbare Zusammenstellung der relevanten haushaltsrechtlichen Normen anzubieten. Dies soll auch dem vielfach wiedergegebenen Attribut des Haushaltsrechts als spröde bzw. trockene Rechtsmaterie oder speziellem Expertenrecht entgegenwirken. Die Zusammenstellung will allen Nutzerinnen und Nutzern, die an unterschiedlichen Stellen am Haushaltsgeschehen beteiligt oder sonst an diesem Rechtsgebiet interessiert sind, in einem Band die maßgeblichen Vorschriften gut erschließbar an die Hand geben. Die Herausgeber danken dem WALHALLA Fachverlag, dass er sich der anspruchsvollen umfassenden Konzeption angenommen hat, und dem juristischen Lektorat des Verlags, namentlich Herrn Rechtsassessor Michael Bergbauer, der die Realisierung der Textausgabe mit großer Zuverlässigkeit bis zur Veröffentlichungsreife maßgeblich begleitet und die Herausgeber in allen Fragen der Umsetzung hervorragend beraten hat. Ministerialrat Dr. Peter Mühlhausen Ministerialdirigent Andreas Reus Marburg/Lahn Münster (Hessen) www.WALHALLA.de 5

I Einführung in das Haushaltsrecht von Andreas Reus, Ministerialdirigent im Hessischen Rechnungshof, und Dr. Peter Mühlhausen, Ministerialrat im Hessischen Rechnungshof A. Gegenstand des Haushaltsrechts ................................................ 15 B. Staatsrechtliche und historische Grundlagen des Haushaltsrechts ..................... 16 C. Rechtsquellen des Haushaltsrechts ............................................... 19 D. Das Haushaltsrecht des Bundes .................................................. 20 I. Verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Finanzverfassung im engeren Sinne 1.1 Die Finanzierungslast 1.2 Die Ertragshoheit 1.3 Die Steuergesetzgebungskompetenzen 1.3.1 Einleitung 1.3.2 Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes 1.3.3 Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz 1.3.4 Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder 1.3.5 Das Zustimmungserfordernis nach Art. 105 Abs. 3 GG 1.4 Die Finanzverwaltung 1.4.1 Bundesverwaltung 1.4.2 Länderverwaltung 1.4.3 Bundesauftragsverwaltung 1.4.4 Mischverwaltung 1.4.5 Verfahrensvorschriften 1.5 Die Finanzgerichtsbarkeit 2. Haushaltsverfassung 2.1 Die Haushaltsautonomie 2.2 Die Haushaltsgrundsätze 2.3 Das Nothaushaltsrecht 2.4 Der Nachtragshaushalt 2.5 Das Notbewilligungsrecht 2.6 Die Kreditaufnahme und Verschuldung 2.7 Die externe Finanzkontrolle II. Einfachrechtliche Grundlagen III. Verwaltungsvorschriften E. Haushaltsgrundsätze .......................................................... 40 I. Einleitung II. Der Grundsatz der Einheit und Vollständigkeit (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG) III. Der Grundsatz des Haushaltsausgleichs (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG) IV. Der Grundsatz der Jährlichkeit (Art. 110 Abs. 2 GG) V. Der Grundsatz der Vorherigkeit (Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG) VI. Das Bepackungsverbot (Art. 110 Abs. 4 Satz 1 GG) VII. Der Spezialitätsgrundsatz VIII. Der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit IX. Das Prinzip der Gesamtdeckung X. Die Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit XI. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit XII. Das Fälligkeitsprinzip Abschnittsübersicht I www.WALHALLA.de 13

F. Haushaltssystematik ........................................................... 47 G. Haushaltskreislauf ............................................................ 50 I. Einleitung II. Die Haushaltsaufstellung III. Die Haushaltsfeststellung 1. Einleitung 2. Die allgemeinen Regeln des Gesetzgebungsverfahrens 3. Besonderheiten des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens IV. Der Haushaltsvollzug V. Die Haushaltskontrolle und das Entlastungsverfahren H. Das Haushaltsrecht der Länder .................................................. 59 I. Die Haushaltsautonomie der Länder II. Rechtsgrundlagen III. Haushaltsgrundsätze IV. Weitere haushaltsverfassungsrechtliche Regelungen V. Haushaltssystematik VI. Haushaltskreislauf I. Kommunales Haushaltsrecht .................................................... 62 I. Einführung II. Grundlegende Regelungen für das Haushaltswesen der Kommunen im Verfassungsrecht und in Bundesgesetzen 1. Kommunale Finanzhoheit 2. Steuerertragshoheit 3. Realsteuern 4. Gemeinschaftsteuern 5. Kommunaler Finanzausgleich 6. Autonome, am gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht orientierte Haushaltswirtschaft 7. Lastentragungsregelung des Art. 104a GG und ihre Durchbrechung 8. Notlage des Verteidigungsfalls III. Kommunalrecht der Länder 1. Überblick 2. Satzungsrecht 3. Grundsätze zur Einnahmenbeschaffung 3.1 Vorrang spezieller Entgelte 3.2 Sicherung der stetigen Aufgabenerfüllung durch entsprechende Haushalts- und Finanzplanung 3.3 Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 4. Haushaltsgrundsätze 4.1 Wirtschaftlichkeit 4.2 Jährlichkeitsgrundsatz 4.3 Vorherigkeitsgrundsatz 4.4 Vollständigkeitsgrundsatz, Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit 4.5 Grundsatz der Bruttoveranschlagung 4.6 Grundsatz der Kassenwirksamkeit 4.7 Grundsatz der Spezialität 4.8 Grundsatz der Gesamtdeckung 4.9 Grundsatz der Öffentlichkeit IV. Maßgebliche Rechtsverordnungen für kommunale Haushalte Abschnittsübersicht I 14 www.WALHALLA.de

A. Gegenstand des Haushaltsrechts Die vorliegende Gesetzessammlung trägt den Titel „Haushaltsrecht von Bund und Ländern“. Das Haushaltsrecht gilt allgemein als schwer zugängliche und etwas sperrige Rechtsmaterie, die von zentraler Bedeutung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ist. Es wird in einem umfassenden Sinn verstanden, nämlich als Inbegriff derjenigen Vorschriften, die sich auf die Haushaltswirtschaft beziehen. Zur Haushaltswirtschaft wiederum gehören alle auf die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben bezogenen Vorgänge.1) Das Haushaltsrecht bilden also die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die öffentliche Haushaltsführung regeln. Es beinhaltet – stark vereinfacht – die Vorschriften zur Aufstellung und zur Abwicklung des Etats einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Noch stärker vereinfacht gesagt: Es besteht aus den Regelungen über den Umgang der Regierung und der Verwaltung mit dem Geld der Steuerzahler. Denn die Gemeinschaft der Staats- bzw. Steuerbürger erbringt die von der öffentlichen Hand benötigten Mittel, die der Finanzierung staatlicher Aufgaben dienen. Als Errungenschaft der parlamentarischen Demokratie kommt dem Parlament – stellvertretend für alle Bürger – das Recht zu, die für die Aufgabenerfüllung der Exekutive erforderlichen Mittel zu bewilligen. In diesem Rahmen wird Haushaltspolitik verstanden als der fortwährende Versuch eines jeden Haushaltsträgers, die Vielzahl von Finanzbedürfnissen, die sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben ergeben, mit den jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln in Einklang zu bringen.2) Daher ist Haushaltsrecht – soweit es den Haushaltsgesetzgeber betrifft – auch immer in Gesetzesform gegossener politischer Wille. Der Gesetzgeber trifft mit der Entscheidung über den Haushaltsplan, der ein Wirtschaftsplan und zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform ist, eine wirtschaftsbezogene Grundsatzentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraumes. Wirtschaftliche Gegebenheiten, vorgegebene und überkommene rechtliche Verpflichtungen, mittel- und langfristige Planungen und ihre finanziellen Zwangsläufigkeiten engen tatsächlich den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers ein. Insofern ist seine politische Gestaltungsfreiheit begrenzt.3) Trotz dieses Schnittpunkts sind die beiden Bereiche Haushaltspolitik und Haushaltsrecht streng voneinander zu trennen. Die wechselnden politischen Konstellationen mögen unterschiedliche Schwerpunkte setzen und unterschiedliche Ziele verfolgen, der hiermit verbundene Willensbildungs- und Entscheidungsprozess vollzieht sich stets nach denselben Regeln. Die rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz des Gesetzgebers (! G. III.) bleibt unbeeinträchtigt. Das Haushaltsrecht wird zugänglicher, wenn die einschlägigen Grundprinzipien der Verfassung und des Staatsaufbaus ebenso bekannt sind wie die geschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Haushaltsrechts. 1) Gröplin: Gröpl, BHO/LHO, Einl. Rn. 1. 2) Piduchin: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Einf. I S. 3. 3) so BVerfGE 45, 1 [32]. Einführung A. Gegenstand des Haushaltsrechts I www.WALHALLA.de 15

B. Staatsrechtliche und historische Grundlagen des Haushaltsrechts Staatsgewalt darf in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat nur ausgeübt werden auf der Grundlage und in den von der Verfassung vorgegebenen Bahnen. Mit Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“) hat das Grundgesetz die Strukturentscheidung für einen Bundesstaat getroffen. Das Bundesstaatsprinzip hat in der deutschen Verfassungsgeschichte eine lange, nur durch die Zeit des Nationalsozialismus unterbrochene Tradition. Bereits die gescheiterte Paulskirchenverfassung von 1849 sah eine "bundesstaatliche Organisation des Deutschen Reiches vor. Der 1867 gegründete Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich von 1871 waren ebenso Bundesstaaten wie die Weimarer Republik. Die Entwicklung der bundesstaatlichen Ordnung war dabei eng verknüpft mit dem Ringen um die deutsche Einheit. Der Bundesstaat sollte die nationale Einheit bei gleichzeitiger Bewahrung der regionalen Vielfalt ermöglichen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg trat die freiheitsschützende Wirkung, die mit einer vertikalen Teilung der Staatsgewalt verbunden ist, in den Vordergrund. Sie hat die Strukturentscheidung für die Bundesstaatlichkeit im Grundgesetz maßgeblich motiviert. Die Bundesstaatlichkeit schreibt die Gliederung der Bundesrepublik in Bund und Länder mit je eigener Staatsqualität vor. Das wiederum bedeutet, dass Bund oder Länder nicht für eine bestimmte der drei Staatsfunktionen (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung) ausschließlich zuständig sein können, da eine solche Verteilung jener Staatsqualität entgegenstünde. Auch wenn folglich alle drei Staatsfunktionen sowie die hierfür notwendigen Organe sowohl im Bund als auch in den Ländern vorhanden sind, können in diesem Rahmen nicht Bund und Länder nebeneinander zuständig sein. Daher dient das Verfassungsrecht vor allem der Kompetenzverteilung, der Machtbegrenzung und der Konfliktregelung. Es prägt aber auch die im Rang unter der Verfassung stehenden Rechtsvorschriften. Die damit angesprochene Verteilung der staatlichen Aufgaben und Befugnisse zwischen diesen Ebenen ist im Grundgesetz in einer Vielzahl von Einzelvorschriften geregelt. Neben der Zuständigkeitsverteilung in der Gesetzgebung, bei der vollziehenden Gewalt und in der Rechtsprechung ist die Verteilung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zwischen Bund und Ländern eine zentrale Frage des bundesstaatlichen Systems. Denn bekanntermaßen kostet Macht Geld und beim Geld hört die Freundschaft (zwischen Bund und Ländern) auf.4) Auf dem Weg zum heutigen Haushaltsrecht ging es vor allem um Umfang bzw. Inhalt des parlamentarischen Budgetrechts, also um Einfluss und Rechte des Parlaments, auf dem Gebiet der staatlichen Haushaltspolitik „mitzuregieren“. Am Ende der Entwicklung kommt heute – als Errungenschaft der parlamentarischen Demokratie – dem Parlament – stellvertretend für alle Bürger – eine starke Stellung zu. Die Entscheidung über den Haushaltsplan bleibt der Legislative durch Beschluss des Haushaltsgesetzes vorbehalten. Der „Budgetvorbehalt“ des Parlaments gehört zu dessen wichtigsten Befugnissen. Denn grundsätzlich ermächtigt nur der beschlossene Haushaltsplan die Verwaltung, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen (Art. 109 GG, § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder [Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG]). Auch die Kontrolle über den Haushaltsvollzug unterliegt der Volksvertretung. Der Finanzminister hat dem Parlament jährlich über alle getätigten Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden Rechnung zu legen (Art. 114 Abs. 1 GG; !G. V.). Die Ursprünge staatlichen Finanzwesens in Europa datieren auf das 14. Jahrhundert mit der Entstehung der Geldwirtschaft. Etwa zu dieser Zeit wurde auch das Wort „Budget“ in heutigem Sinne geprägt. In der Periode der Territorialstaaten (15. bis 17. Jahrhundert) war der Ständestaat die vorherrschende Staatsform. Gemeinsam mit dem jeweiligen Landesherrn regierten die ständisch gegliederten Vertretungen das Land. Grundlage ihrer Machtstellung war das Steuererhebungs- bzw. Steuerbewilligungsrecht. Abgaben wurden aber erst relativ spät Bestandteil der öffentlichen Finanzwirtschaft des Ständestaates. Im 16. Jahrhundert waren in fast allen Territorialstaaten auch bestimmte Verbrauchsteuern eingeführt, z. B. auf Bier, Wein, Met und 4) Heller, Haushaltsgrundsätze für Bund, Länder und Gemeinden, Rn. 83. Einführung B. Staatsrechtliche und historische Grundlagen des Haushaltsrechts I 16 www.WALHALLA.de

den Umsatz zahlreicher Waren. Ein einheitlicher Haushalt, wie wir ihn heute kennen, war in dieser historischen Periode noch nicht vorhanden. Die staatlichen Gelder wurden getrennt nach der Herkunftsart in „Fonds“ unabhängig voneinander sowie dezentral geführt und verwaltet. Die Anfänge des Etatsystems heutiger Prägung reichen in das ausgehende 17. Jahrhundert zurück. Für den brandenburgisch-preußischen Staat gelang es 1689 erstmalig, eine Gesamtübersicht zu erstellen, die alle staatlichen Einnahmen und Ausgaben enthielt. Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich das parlamentarische Budgetrecht aus. Die nach Einführung des Dreiklassenwahlrechts (1849) revidierte Preußische Verfassung räumte dem Parlament ein periodisches Ausgabenbewilligungsrecht ein. Da der Haushaltsplan durch Gesetz zustande kommen sollte, mussten sich Monarch und parlamentarische Kammer einigen. Gegenstand der in der Folgezeit entstehenden Meinungsverschiedenheiten über Umfang bzw. Inhalt des parlamentarischen Budgetrechts war vor allem die Frage nach einer „relativen Bewilligungspflicht“. Im Kern ging es um Einfluss und Rechte des Parlaments, auf dem Gebiet der staatlichen Haushaltspolitik „mitzuregieren“. Die Auseinandersetzungen wurden dadurch beendet, dass die Regierung das parlamentarische Ausgabenbewilligungsrecht unter der Bedingung anerkannte, dass es nicht dazu benutzt werde, seine Existenz und grundlegenden politischen Ziele zu bestreiten. Die Reichsverfassung von 1871 übernahm die Grundsätze des Budgetwesens aus der Preußischen Verfassung in fast unveränderter Form, das preußische Haushaltsrecht galt fort. Die parlamentarischen Zuständigkeiten wurden von denen der Regierung klar getrennt, nach dem das Haushaltsgesetz als formelles Gesetz qualifiziert wurde, also als ein Gesetz, das unter Mitwirkung der verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsorgane in einem festgelegten Verfahren erlassen wird. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges scheiterten sämtliche Versuche einer Kodifikation des Reichshaushaltsrechts. Erst durch die Reichshaushaltsordnung vom 31. 12. 1922 wurde in Ergänzung der nur drei Artikel umfassenden Finanzverfassung der Weimarer Republik das gesamte Haushaltsrecht des Deutschen Reichs zusammenhängend geregelt (Aufstellung des Haushaltsplans, Ausführung des Haushaltsplans, Kassenführung und Rechnungslegung, Rechnungsprüfung und Rechnungshof). Diese in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg mühsam errungene Haushaltsordnung wurde während des „Dritten Reiches“ gründlich beseitigt. Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 24. 3. 1933 bestimmte in seinem Art. 1: „Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. Dies gilt auch für die in Art. 85 Abs. 2 und Art. 87 der Reichsverfassung bezeichneten Gesetze.“ Der zuletzt zitierte Satz bezog sich auf die Vorschriften der Finanzverfassung in der Weimarer Reichsverfassung, so dass damit auch die Beseitigung der demokratischen Budgetrechte des Parlaments einherging und das Haushaltsverfahren inhaltlich ausgehöhlt wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Finanzpolitik bis 1949 insbesondere durch die Militäradministration der Besatzungsmächte geprägt. Während in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren „DDR“, die Zentralverwaltungswirtschaft eingeführt wurde, bemühten sich die Westmächte um die Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes in den von ihnen besetzten Gebieten. Zunächst wurde 1947 aus den Besatzungszonen der USA und Großbritanniens das „Vereinigte Wirtschaftsgebiet“ gebildet und ein bizonaler Haushaltsplan verabschiedet, der sich aus Beträgen der zugehörigen Länder finanzierte und nach den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung bewirtschaftet wurde. Am 23. 5. 1949 trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Der neu gegründete deutsche Staat erhielt für das gleiche Jahr auch einen gemeinsamen Etat: Unter Einschluss der französischen Besatzungszone wurde der bizonale Haushaltsplan in den ersten einheitlichen Haushaltsplan der Bundesrepublik Deutschland übergeleitet.5) Die Finanzverfassung im Grundgesetz stellte aufgrund der politischen Einflüsse der Besatzungsmächte im Parlamentarischen Rat in wesentlichen Teilen einen Kompromiss dar, der bewusst nur vorläufigen Charakter hatte. Grundsätzlich konnte die vom Verfassungskonvent von Herrenchiemsee erarbeitete Diskussionsgrundlage so weit umgesetzt werden, dass die Länder verglichen mit der Weimarer Reichsverfassung ein stärkeres Gewicht erhielten. 5) Piduchin: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Einf. II. 6. [S. 12]. Einführung B. Staatsrechtliche und historische Grundlagen des Haushaltsrechts I www.WALHALLA.de 17

Eine grundlegende Wende in finanzwirtschaftlicher Hinsicht trat in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre ein. Die Bestrebungen zur Verbesserung der sozialen und ökonomischen Infrastruktur hatten zu einer erheblichen Erweiterung der öffentlichen Aufgaben und damit der öffentlichen Haushalte geführt. Aufgrund eines steigenden Wirtschaftswachstums und steigender Steuereinnahmen konnte das strukturelle Defizit jedoch zunächst verschleiert werden. Mit dem Einbruch des Wirtschaftswachstums in den Jahren 1966/1967 wurde jedoch offensichtlich, dass die öffentlichen Haushalte die gesamtwirtschaftliche Leistung überschätzt hatten. Die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland wurde im Rahmen der Finanz- und Haushaltsreform der Jahre 1967 und 1969 grundlegend modifiziert. Ziele dieser Reform waren, die Regelungen zur staatlichen Haushaltswirtschaft allgemein und insbesondere auch zur Schuldenpolitik entsprechend der ökonomischen Bedeutung staatlicher Finanz- und Haushaltspolitik für die Gesamtwirtschaft umzugestalten.6) Neben der Aufnahme des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als verfassungsrechtliches Ziel (Art. 109 Abs. 2 GG in der vom 14. 6. 1967 bis 31. 7. 2009 gültigen Fassung lautete: „Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen“) wurde knapp zwei Jahre später – gewissermaßen in Ergänzung hierzu – eine Regel zur Verschuldungsbegrenzung aufgenommen, bei der die Investitionstätigkeit des Bundes die Obergrenze für seine Neuverschuldung darstellt (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG in der vom 15. 5. 1969 bis zum 31. 7. 2009 gültigen Fassung lautete: „Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“). Im Zuge der 2009 beschlossenen und am 1. 8. 2009 in Kraft getretenen sog. Föderalismusreform II wurden beide Verfassungsnormen geändert, um damit die für einen ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalt notwendigen Neuverschuldungsregelungen zu schaffen (!D. I. 2.6). 6) BVerfGE 119, 96 [138]. Einführung B. Staatsrechtliche und historische Grundlagen des Haushaltsrechts I 18 www.WALHALLA.de

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